Flug

Der Flugverkehr wird zurückkommen. Wichtig wäre es, wenn Anreize für effizienteres Fliegen geschaffen werden, statt Flugreisende zu bestrafen. Bild: Naomi Tamar

Kommentar Flugpassagiere zur Kasse bitten verbessert das Klima nicht

Jean-Claude Raemy

Die Airline- wie auch die Reisebranche muss sich dringlich mit Umweltthemen befassen. Doch die Luftverkehrsabgabe, so wie sie im CO2-Gesetz vorgesehen ist, ist reine Umverteilung und schadet den einheimischen Airlines massiv, ohne nennenswerte Effekte auf den Klimawandel. Da müssen andere Anreize geschaffen werden.

Am 13. Juni entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Annahme oder Ablehnung des Bundesgesetzes über die Verminderung von Treibhausgasemissionen («CO2-Gesetz»). Dieses Gesetz ist Kern der Strategie des Bundes, um den Ausstoss von Treibhausgasen - einem anerkannten Treiber des Klimawandels - zu senken. Gegen das Gesetz wurde ein Referendum ergriffen.

Grundsätzlich ist man sich weitgehend einig: Es braucht Umweltschutz-Massnahmen, und zwar auf allen Ebenen, um die vorgegebenen Klimaziele zu erreichen. Und man kann nicht einfach argumentieren, dass anderswo nichts gemacht wird: Jeder Staat ist angehalten, seine Aufgaben zu erledigen, und je weniger Whataboutism betrieben wird, desto vielversprechender sind die Umwelt-Efforts auf internationaler Stufe. Auch in anderen Staaten wird gehandelt; die Schweiz sollte da nicht nachstehen - auch wenn sie lediglich 0,1% zum weltweiten CO2-Ausstoss beiträgt.

Doch es gibt grosse Differenzen hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesetzes. Drei Hebel sieht das Gesetz vor: Eine erhöhte CO2-Abgabe auf Heizöl und Erdgas, sowie eine Flugticketabgabe. Die Hälfte der Einnahmen sollen an die Bevölkerung zurück verteilt werden, die andere Hälfte in einen Klimafonds fliessen. Aus diesem würden Umweltschutzprojekte wie Förderung nachhaltiger Heizanlagen, Treibstoffe und Technologien sowie Klimaschutzprojekte im In- und Ausland alimentiert werden. Nicht zuletzt will die Schweiz sich vermehrt von Ölimporten abnabeln, sprich vermehrt nachhaltige Energie hierzulande produzieren.

Das System wirkt einleuchtend und gut. Das Argument der Gegner, wonach das Gesetz für den Klimawandel «nutzlos» sei, ist indes nicht von der Hand zu weisen: Ohne internationale Übereinkommen reduziert sich das Problem der klimawandelbedingten Naturkatastrophen nicht; es wird lediglich der Standort Schweiz geschwächt. Und beim Thema Flugticketabgabe wird es erst recht problematisch: Dort werden nämlich ganz klar Schweizer Airlines benachteiligt - das Argument der Befürworter, wonach das neue Gesetz KMUs hilft, mag auf viele kleine Anbieter von Lösungen für umweltfreundlichere Energienutzung zutreffen, doch die Airlines und das ganze, grosse dazugehörende Ökosystem (Zulieferer etc.) wird dauerhaft geschädigt.

Wieso? Kapitel 6, Artikel 49 des Gesetzestextes besagt Folgendes:

«Der Bund erhebt im Hinblick auf die Emissionsverminderungsziele nach Artikel 1 Absatz 1 eine Lenkungsabgabe auf abgehenden Flügen, die nicht von der Flugticketabgabe erfasst werden und die mit Luftfahrzeugen mit einer höchstzulässigen Startmasse von über 5700 kg durchgeführt werden, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden und deren Abflug nach schweizerischem Recht erfolgt (Abgabe Allgemeine Luftfahrt). Er erhebt keine Abgabe auf
Flügen, die nach Artikel 42 Absätze 2 und 3 von der Flugticketabgabe ausgenommen sind (Anm.d.Red.: Das sind Transit/Transferflüge, militärische Flüge und Flüge aus zwingenden medizinischen Gründen), Schulungsflüge, Frachtflüge, Werk- und Arbeitsflüge und Flüge, deren Treibstoffe der Mineralölsteuer unterliegen.»

Will heissen: Wer z.B. von Frankfurt via Zürich nach New York fliegt, ist von der Abgabe ausgenommen, wer von Zürich direkt nach New York fliegt indes nicht. Das ist eine Wettbewerbsverzerrung klar zum Nachteil der Schweizer Luftfahrtunternehmen. Auch die Ausnahme der Frachtflüge ist fragwürdig - da kann also z.B. ein uralter russischer Tupolev mit Fracht abgabefrei einfliegen, während Schweizer Airlines mit energieeffizienten Flugzeugtypen zur Kasse gebeten werden.

Wieso wird die Reisewelt immer als grösster Sündenbock angesehen?

Teurer werden die Flüge primär für die einkommensschwachen Schichten. Ob aber Massenbewegungen per Auto durch die Alpen-Nadelöhre besser sind? Gewiss, es wurde zuletzt zu viel und zu günstig geflogen. Aber (geschäftsreisende) Vielflieger wird die Lenkungsabgabe nicht treffen, und viele Reiche steigen jetzt auf Privatjets um, womit das Problem nur verlagert wird. Derweil werden die Billigflüge nicht einfach so verschwinden - sie werden aber für Schweizer teurer. Da überlegen sich grenznahe Bürger eher wieder, ab einem ausländischen Flughafen zu fliegen, was ohnehin billiger ist. Das schadet dem Standort Schweiz, ohne wirklich dem Klima zu dienen. Die Feststellung des Bundesrats, wonach das Alpenland Schweiz bei klimabedingten Naturkatastrophen besonders gefährdet ist, stimmt zweifellos - doch wenn man einige Schweizer mittels höheren Ticketpreisen vor dem Fliegen vergrault, ist das in der «Big Picture» nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

Man wird die Vermutung einfach nicht los, dass hier viel Bürokratie geschaffen wird, von welcher letztlich vor allem eine neuartige «Umweltindustrie» gespeist wird. Wir stellen nicht in Abrede, dass es eine «Umweltindustrie» braucht - doch müsste man nicht eher zusätzliche Anreize schaffen, dass die bestehende Industrie grüner wird? Die Swiss oder auch die Helvetic Airways bemühen sich schon seit Jahren darum, effizientere Flugzeuge einzusetzen; hier und dort wird mit Biofuel bereits getestet. Wie wäre es, wenn der Staat dort ansetzen würde. Klar, über den CO2-Abgabentopf werden Forschung und Entwicklung hin zu grüneren Energien mit alimentiert. Aber eben nicht ausschliesslich.

Müsste man nicht eher «granulare Anreize» beim Konsumenten schaffen? So wie es in gewissen Ländern beispielsweise steuerliche Erleichterungen beim Kauf von Elektroautos gibt? Oder anders gefragt: Wieso bewegt sich die Zahl jener, welche ihre CO2-Ausgaben auf Flügen kompensieren, auf so einem tiefen Niveau (wir reden hier von tiefen einstelligen Prozentzahlen)? Das ökologische Bewusstsein scheint noch nicht sehr stark - und das Eintreiben von Kompensationen ist nicht Sache der Airlines. Statt nun einfach Flugreisende zu bestrafen, müsste man doch diese dazu anhalten, mehr zu kompensieren. Oder anders formuliert: Man müsste die Bevölkerung dazu bringen, Umweltschutz bei Anbietern effektiv einzufordern, also die Nachfrage so steuern, dass Anbieter wie Airlines gezwungen sind, sich auf eine entsprechende Nachfrage einzustellen. Stand jetzt machen die Airlines aber auf eigene Faust proaktiv etwas für den Umweltschutz - und werden nun innerhalb der Schweiz mit diesem Gesetz sogar «bestraft». Das kann es doch nicht sein. Und übrigens: So viel Geld wie versprochen wird nicht an die Haushalte zurückgezahlt werden - die «Aviatik-Topf», der in den Klimafonds einbezahlt wird, basiert auf Zahlen von 2018/2019. Und wir wissen alle, wie es der Luftfahrt in den letzten zwei Jahren ergangen ist und wohl noch auf 1-2 weitere Jahre ergehen wird. Da wird deutlich weniger Geld als erwartet zusammenkommen für die Umweltprojekte - welche in vielen Fällen ohnehin noch nicht klar definiert sind.

Einmal mehr - wie bei den Einreisebestimmungen - wird der Leisure-Fliegende und mit ihm alle hier angehängten Industrien wie Luftfahrt und Tourismus von den Behörden bestraft, wobei bekannt ist, dass Industrie und Private (eben mittels veralteten Heizungen) innerhalb der Schweiz ein grösseres Problem darstellen. Man hat hier die Flugreisen mit Heizungen etc. in einem Gesetz vermengt - eigentlich ohne wirkliche Not. Ich für meinen Teil finde, bei allem Respekt für die wichtigen Umweltanliegen, diesen Ansatz falsch - und hätte mir auch etwas mehr Mut vom Schweizer Reise-Verband (SRV) gewünscht, welcher hier seinen Mitgliedern eine «Stimmfreigabe» erteilt hat.