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Die Jobverluste im Airline-Sektor gehen in die Hunderttausende

Die Airlinebranche kämpft wegen der Coronakrise ums Überleben. Das geht bei vielen nur mittels massivem Stellenabbau. Soeben haben mehrere grosse Airlines wieder Stellenabbau-Runden angekündigt. Die zusammengetragenen Zahlen sind schwindelerregend.

Die Jobsituation im weltweiten Tourismus wird immer prekärer. Man hört von immer mehr Entlassungen, primär natürlich aus unserem Umfeld hier in der Schweiz, aber auch von Entwicklungen in Übersee, welche zumindest teilweise auch bis in die Schweiz hinein Auswirkungen haben. Ein trauriges Beispiel gibt es aus der Airline-Branche, in welcher gestern (1. Oktober) möglicherweise ein trauriger Entlassungs-Rekord aufgestellt wurde.

In den USA haben diese Woche nämlich American Airlines sowie United Airlines heftige Entlassungswellen in Aussicht gestellt. Die Rede ist bei ersterer von insgesamt 19'000 Stellen weltweit, bei zweiterer von 12'000. Das kommt «on top» auf bereits durchgeführte Entlassungswellen. Grund dafür ist das Auslaufen des staatlichen «Payroll Support Program» (PSP), einem Arbeitsplatzerhaltungsprogramm unter dem vom US-Kongress im Frühjahr verabschiedeten Hilfpaket «CARES Act», welches am 1. Oktober ausgelaufen ist. Noch gibt es Verhandlungen über eine Verlängerung der Hilfszahlungen; die Rede ist von einem Hilfspaket in Höhe von 25 Milliarden Dollar für die US-Fluggesellschaften; für viele von deren Angestellten werden diese jedoch zu spät kommen. Und ja, das hat Auswirkungen bis in die Schweiz, wo die Teams von American Airlines und United Airlines in den letzten Wochen und Monaten bereits ausgedünnt wurden - und die Lage sieht angesichts der neusten Entwicklung nicht viel besser aus.

Unter dem Strich sind laut «Bloomberg» allein bei US-Carriern bereits über 150'000 Stellen gestrichen worden, und weitere 50'000 stehen offenbar nun auf der Kippe. Eine schier unvorstellbare Zahl. Die allerdings auch in Europa mehr oder weniger gematcht wird: Der Lufthansa-Konzern hat bereits den Abbau von 22'000 Arbeitsplätzen angekündigt; inzwischen weiss man, dass wegen der schlechten Entwicklung der Geschäfte im Herbst/Winter weitere mehrere Tausend Jobs gestrichen werden dürften. Angebote zur Frührente und Teilzeit werden nicht ausreichen. Piloten, Crews und Bodenpersonal trifft es allesamt. Auch bei Swiss wird wohl mit Einschnitten zu rechnen sein. Und da haben wir noch nicht mal zusammengetragen, was sonst noch anfällt. British Airways, SAS, Air France, Emirates, Qantas und viele weitere haben längst auch einen massiven Arbeitsplatzabbau angekündigt.

Und dann gibt es ja noch die zugewandten Branchen. Bei den Flugzeugbauern Boeing (hat soeben den Dreamliner-Baustandort in Everett stillgelegt) und Airbus wird auch abgebaut. Flughafendienstleister wie Swissport brauchten erst mal frisches Geld, um über die Runden zu kommen, sind aber noch nicht aus dem Schneider.

Zusammengetragen spricht man global von mehreren Hunderttausend Stellen, die allein im Flugsektor entfallen. Die Zeitgleichheit ist dabei das grösste Problem: Wer früher bei einer Pleite gegangenen Airline angestellt war, fand bei anderen Airline oft wieder einen Job. Die zugewandten Industrien mussten teils Partner wechseln, verloren aber nie so viel Geschäft auf ein Mal. Dieses Mal dürften zig Tausende Flugsektor-Angestellte auf eine Umschulung bzw. einen Branchenwechsel angewiesen sein. Denn bis es wieder richtig losgeht und Arbeitskräftebedarf im grossen Stil herrscht, dauert es wohl 2-3 Jahre.

Alle Sektoren der Reiseindustrie sind betroffen

Und die Luftfahrt ist nur die Spitze des Eisbergs: In der Schweiz hat praktisch jeder Grossveranstalter bereits einen Arbeitsplatzabbau verkündigt, von Hotelplan über DER Touristik und TUI Suisse zu Knecht Reisen, Globetrotter und FTI. KMU-Reisebüros schliessen. Veranstalter gehen Pleite. Vertretungen werden ins Ausland verlagert. Selbst Branchenriesen sind nicht gefeit: Die erfolgsverwöhnte Walt Disney Group musste diese Woche verkünden, dass in ihren Themenparks in Florida und Kalifornien insgesamt 28'000 Stellen abgebaut werden. Bereits früher dieses Jahr musste der Cirque du Soleil einen Abbau bekannt geben. Weitere Beispiele gibt es zuhauf.

Das Massensterben, zumindest von Jobs im Touristiksektor, ist in vollem Gang. Wer noch dabei ist, schnallt sich an für ein raues 2021, sucht nach alternativen Ertragsquellen, nach Innovationsmöglichkeiten und neuen Geschäftsmodellen, nach Krediten, nach Investoren. Garantien können praktisch nur jene haben, welche sich auf finanzstarke Mutterhäuser/Investoren stützen können. Sich von dieser Krise zu erholen wird die Reise- und Flugbranchen, zu Jahresbeginn 2020 zusammengenommen mit Abstand die grösste Branche der Welt, wohl Jahre kosten.

(JCR)