Flug

Hailegebrel Tadese Seboka (Ethiopian Airlines) möchte in der Schweiz gerne den Leisure-Markt ausbauen - vorerst dürfte sich aber vor allem der Corporate-Markt zwischen der Schweiz und Äthiopien erholen. Bild: zVg

«Die Anzahl Passagiere nimmt mit jedem Flug zu»

Jean-Claude Raemy

Hailegebrel Tadese Seboka, Area Manager Switzerland bei Ethiopian Airlines, äussert sich gegenüber Travelnews über die neuen Nonstopflüge von Genf nach Addis Abeba, wie die Airline die Coronakrise meistert und warum man viel Hoffnung auch ins Leisure-Reisegeschäft nach Äthiopien setzt.

Wissen Sie, welches die grösste Fluggesellschaft Afrikas ist? Genau, es ist Ethiopian Airlines, deren Hub, der Bole International Airport in der Hauptstadt Addis Abeba auch der grösste Flughafen des Kontinents ist. Da Addis Abeba auch Sitz wichtiger internationaler Organisationen ist, etwa der Afrikanischen Union sowie der UNO-Wirtschaftskommission für Afrika, gibt es schon seit einigen Jahren Flüge nach Genf - allerdings handelte es sich bislang nicht um Nonstopflüge. Seit Mittwoch dieser Woche (12. August) gibt es nun neu Nonstopflüge zwischen Genf und Addis Abeba. Eine erfreuliche Meldung in Zeiten, in welchen man eher über Routen- und Frequenzabbau berichten muss. Wir haben uns über die Ziele von Ethiopian Airlines (IATA-Code: ET) mit dem Schweiz-Chef Hailegebrel Tadese Seboka unterhalten.


Herr Tadese, Sie sind nun seit über zwei Jahren Area Manager von Ethiopian Airlines in der Schweiz. Was können Sie uns zum Schweizer Flugmarkt sagen und wie wichtig ist dieser für Ethiopian?

Ich wurde zum Area Manager von Ethiopian just zu jenem Zeitpunkt, als die Flüge zwischen Addis Abeba und Genf aufgenommen wurden, also im Juni 2018, welche bis kürzlich noch Dreiecksflüge waren. Die Lancierung dieser Flüge war ein wichtiger Meilenstein für unsere Airline. Man kann sagen, dass die Schweiz für uns ein Schlüsselmarkt ist, denn diese Flüge bieten uns Zugang in die «Internationale Community» in Europa. So gesehen war die Route ein strategischer Schritt, welcher das Fernstrecken-Netzwerk von Ethiopian entscheidend verbesserte. Dadurch konnten wir uns auch im Schweizer Markt als führende Airline Afrikas, mit einem Qualitätsprodukt und einem starken Netzwerk innerhalb Afrikas, besser positionieren.

Was hat denn nun dazu geführt, dass die Flüge nonstop und nicht mehr via Mailand oder Wien geführt werden?

Eigentlich war das ab dem ersten Tag unser Ziel, doch wurden mit Zwischenstopps in anderen Orten bessere Auslastungen gewährleistet. Der Kollaps von grösseren afrikanischen Airlines in jüngster Zeit hat uns dann gezeigt, dass wir uns besonders anstrengen müssen, um internationale Verbindungen zwischen den beiden Kontinenten gewährleisten zu können. Genf und Addis Abeba sind beides Zentren der internationalen Diplomatie und der Nonstopflug ermöglicht dieser «International Community» einerseits das Pflegen der persönlichen Beziehungen, und vereinfacht andererseits auch die Verbindungen nach Afrika. Ab Genf sind via unseren Hub Verbindungen zu 62 Zielen in Afrika möglich.

Sie sprechen vor allem von einer Business-Kundschaft, also von Mitarbeitenden der «International Community». Wie setzt sich denn der Passagiermix bei Ethiopian ab Genf zusammen?

Das hängt natürlich von der Jahreszeit ab. Im Durchschnitt könnte man sagen, dass rund 50 Prozent unserer Passagiere geschäftlich unterwegs sind, also Mitarbeitende von Firmen, NGOs oder der UNO. Rund 10 Prozent der Passagiere sind dem VFR-Traffic zuzurechnen - oder «Ethnic Traffic», wie man dem auch sagt. Die verbleibenden 40 Prozent sind Leisure-Reisende.

Man sieht also, dass wir mit dem Nonstopflug die einzelnen Passagiersegmente noch besser ansprechen können. Wir bieten eine komfortable Lösung, um geschäftlich nach Addis Abeba oder zu anderen Zielen in Afrika zu fliegen, um Freunde und Verwandte vor Ort zu besuchen oder auch, um unser fantastisches Land und den afrikanischen Kontinent kennen zu lernen.

«Ab Genf sind via unseren Hub Verbindungen zu 62 Zielen in Afrika möglich.»

Das ist alles wunderbar - aber wie konnte diese Angebotsverbesserung mitten in einer globalen Luftfahrtkrise bewerkstelligt werden?

Wir flogen auch während der Spitzenzeit der Pandemie nach Genf und sogar nach Zürich, allerdings waren dies Cargo-Flüge. Damit unterstützten wir globale Unternehmen, welche die Wirtschaft am laufen hielten und die Pandemie zu bekämpfen versuchten. Die Situation ist aktuell eigentlich immer noch unverändert. Wir haben eine enorme Nachfrage im Cargo-Bereich. Unsere drei wöchentlichen Flüge ab Genf nach Addis Abeba sind im Bereich Cargo bestens ausgelastet.

Gewiss, aber die touristische Nachfrage dürfte angesichts der herrschenden Einreisebestimmungen in Äthiopien - die Einreise ist erlaubt, unterliegt jedoch einer 14-tägigen Quarantänepflicht - eher dünn sein.

Die Anzahl Passagiere nimmt mit jedem Flug zu. Wir sind sehr optimistisch, was das Corporate-Segment angeht, dieses wird sich bei uns schneller erholen als das Leisure-Segment. Genau deshalb haben wir auch den Nonstopflug eingeführt. Wir wollen unserer Corporate-Kundschaft das bestmögliche Produkt, in Bezug auf Routen und Umsteigemöglichkeiten sowie natürlich an Bord, bieten.

Bislang wird aber eben erst drei Mal wöchentlich geflogen. Gibt es Pläne, dies auszubauen, zumal der afrikanische Kontinent auf dem Luftweg eher schwach bedient wird und andere afrikanische Airlines, wie Sie selber feststellen, derzeit in Schwierigkeiten sind?

Wir sehen durchaus Chancen. Der Plan sieht vor, Genf möglichst bald täglich bedienen zu können. Das hängt natürlich von der Nachfrage aus der Schweiz ab. Für den Ausbau des afrikanischen Netzwerks arbeiten wir eng mit diversen Partner-Airlines zusammen, etwa aus der Star Alliance, in welcher wir Mitglied sind.

War der Plan nicht ursprünglich einmal, eine so genannte «Kofi Annan Route» von Addis Abeba via Genf nach New York zu führen, und so die drei diplomatischen Zentren der Welt zu einen? Aktuell wird der Flug aber statt nach New York nach Marseille verlängert...

Das war die Ursprungs-Idee und eigentlich hat sich dieses Projekt auch realisiert, wenngleich nicht so wie ursprünglich angedacht. Dank dem Nonstopflug zwischen Addis Abeba und Genf kommt man nun jedenfalls einfach nach New York bzw. umgekehrt nach Addis Abeba.

«Ethiopian hat sehr schnell verstanden, dass man das Business-Modell von ‹profit-oriented› nach ‹survival-oriented› anpassen musste.»

Kommen wir aber doch noch mal auf die Luftfahrtkrise zu sprechen: Wie ist es Ethiopian ergangen? Was wurde unternommen, um die Effekte der Krise abzufedern?

Wir sind bislang ohne staatliche Hilfe durchgekommen. Ethiopian war eine der wenigen Airlines, welche in real-time ihre internen Strukturen wie auch die Flugzeuge neu aufstellen konnte. Dadurch blieben wir jederzeit operativ und konnten schnell auf die wachsende Cargo-Nachfrage reagieren. Wobei Ethiopian bereits vor der Krise ein diversifiziertes Business-Modell betrieb, mit insgesamt sieben «Business Units», welche uns viel Flexibilität ermöglichten.

Oder anders ausgedrückt: Ethiopian hat sehr schnell verstanden, dass man das Business-Modell von «profit-oriented» nach «survival-oriented» anpassen musste, und dass wir ebenso von «passenger-oriented» nach «cargo + passenger–oriented» wechseln musste. Das ist uns recht gut gelungen und hat dazu geführt, dass wir als Global Player aktiv bleiben konnten und unsere Führungsrolle in Afrika verteidigen konnten.

Manche Airlines haben einfach Passagiermaschinen zu Cargomaschinen umgewandelt - das war bei Ihnen nicht der Fall. Was können Sie zum B787 Dreamliner sagen, mit welchem nach Genf geflogen wird?

Das erhöhte Cargo-Volumen beeinträchtigt den Komfort der Passagiere nicht. Darüber hinaus haben wir an Bord den Catering-Service restrukturiert, um den Passagieren in beiden Klassen hochwertige Mahlzeiten anbieten zu können. Wir sind sehr stolz auf unser preisgekröntes Inflight-Produkt und pflegen dieses entsprechend.

Wir haben vorhin kurz den Leisure-Markt gestreift. Äthiopien wird aber im Zusammenhang mit Afrika-Reisen noch vergleichsweise wenig nachgefragt. Sehen Sie da auch Chancen?

Wir wollen uns auf jeden Fall bemühen, künftig noch vermehrt Leisure-Touristen zu befördern. Äthiopien ist nicht nur wichtig für die Diplomatie, sondern bietet auch als Reiseland enorm viel. Das Land bietet nicht weniger als 14 Unesco-Welterbestätten, eine wunderschöne und gut erhaltene Natur, Jahrhunderte alte Kulturen und Traditionen sowie eine unvergleichliche Kulinarik - wir sind auch das Ursprungsland des Kaffees! Das Land ist also nicht nur für Diplomaten oder als Transit-Hub attraktiv, sondern auch für einen privaten Besuch.

Sind Sie denn für den Ausbau des Leisure-Tourismus auch in Kontakt mit Spezialisten?

Ja, wir arbeiten bereits mit Afrika-TOs in der Schweiz zusammen, um Ferien-Angebote zu erstellen. Ich bin überzeugt, dass Äthiopien bald zu den gefragtesten Leisure-Destinationen in Afrika gehören wird, dank seiner Vielfalt mit Regenwäldern, Berggebieten, Seen und kulturellen Sehenswürdigkeiten. Wir sind auch am Ausarbeiten von speziellen Stopover-Programmen für Transit-Passagiere in Addis Abeba, worin Stadtrundfahrten oder weitere «Benefits» angeboten werden.

«Eine tägliche Verbindung wird die perfekte Brücke zwischen Europa und Afrika darstellen.»

Zum Abschluss: Was ist Ihre Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung in der globalen Luftfahrt, und wie wird sich Ethiopian darin schlagen?

Solange Covid-19 in jedermanns Alltag ein Faktor bleibt, wird die Situation äusserst angespannt bleiben. Für die Luftfahrtindustrie bleiben riesige Herausforderungen bestehen und laut der IATA wird es mindestens zwei bis drei Jahre dauern, bevor man wieder auf die Nachfrage-Levels von 2019 kommt. Ethiopian ist bislang gut gefahren, indem schnell der Fokus auf Cargo- und Repatriierungsflüge gelegt wurde und für andere Fluggesellschaften MRO-Dienste [Maintenance, Repair & Operations, Anm.d.Red.] angeboten wurden. Ich denke, wir sind gut aufgestellt und verfügen über die richtige Strategie und die notwendige Erfahrung im Unternehmen, um die Situation gut überstehen zu können.

Was sind die Ziele spezifisch für die Schweiz?

Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich unser Engagement in der Schweiz auszahlen wird. Wir arbeiten jetzt sehr hart daran, die Flüge zwischen Genf und Addis Abeba zu täglichen Flügen «upgraden» zu können. Eine tägliche Verbindung wird die perfekte Brücke zwischen Europa und Afrika darstellen, sowohl für diplomatische Beziehungen als auch für Reisende auf dem ganzen afrikanischen Kontinent.