Flug

Die Corona-Pandemie hat Räume, in denen man über längere Zeit eng beieinander sitzt, für viele zum No-go gemacht. Wie lässt sich das Problem lösen? Bild: JC Gellidon

Würden Sie für einen freien Mittelsitz mehr bezahlen?

Noch immer tun sich viele damit schwer, wieder in ein Flugzeug zu steigen. Airlines können aber aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht die Sitzplatzkapazitäten zwecks Social Distancing herunterfahren. Kommt es zu einer weiteren Preisdifferenzierung? Machen Sie hierzu auch bei unserer Umfrage unten mit.

Kennen Sie den physikalischen Prozess der Diffusion? Vereinfacht geht es dabei darum, dass sich Teilchen (Atome, Moleküle etc.) bei einer Durchmischung zweier Substanzen über einen gewissen Zeitraum hinweg von alleine gleichmässig verteilen. Übertragen auf den ÖV-Transport gab es ein ähnliches Phänomen zumindest in der Schweiz schon seit Jahren zu beobachten: Zunächst verteilen sich die Passagiere so, dass man möglichst Abstand zum nächsten hat, mit zunehmender Dichte werden dann auch Plätze neben einem bereits sitzenden Passagier belegt.

Und jetzt hat sich dies wegen der Corona-Pandemie natürlich nochmals verschärft. In jedem Transportmittel wird versucht, grösstmöglichen Abstand zu halten, dies auch mit Maskenpflicht. In Flugzeugen, wo es in der Regel zugewiesene Sitzplätze gibt, ist so etwas natürlich nicht möglich, mit entsprechender Auswirkung auf die Nachfrage. Schon früh nach Ausbruch der Pandemie kamen deshalb Diskussionen auf, wonach man doch zumindest den ohnehin unbeliebten Mittelsitz freihalten solle. Die Airlines hielten hierbei dagegen, aus wirtschaftlichen Gründen: Wie die IATA bereits im Mai vorrechnete, würde das Wegfallen der Mittelsitze im Schnitt die Kapazität auf 62 Prozent herunterfahren, also deutlich unter den Brak-Even-Ladefaktor von 77 Prozent. Dadurch müssten zur Kompensation die Flugtarife gegenüber 2019 um 43-54 Prozent erhöht werden - nur um überhaupt wirtschaftlich fliegen zu können.

Natürlich haben einige Billigflieger dennoch schnell Profit zu schlagen versucht: Manche legten nahe, man soll einfach zwei Tickets kaufen, um garantiert freien Platz neben sich zu haben, manche führten einen speziellen Aufpreis ein, um den Nebenplatz freizuhalten, etwa Frontier Airlines (für 39 Dollar Aufpreis blieb der Nebensitz leer), doch diese Initiativen waren kurzlebig, weil klar war, dass aus einer Notsituation Profit geschlagen wird. In Europa wurde inzwischen von der Europäischen Luftsicherheits-Agentur (EASA) und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) ein «COVID-19 Aviation Health Safety Protocol» publiziert, welches viele Verhaltensregeln beinhaltet, aber kein Verbot des Verkaufs von Mittelsitzen beinhaltet. Ist die Sache gegessen?

Vielleicht noch nicht ganz. Inzwischen sorgt zumindest in den USA eine Analyse von Atmosphere Research für Diskussionen: Dieser zufolge - befragt wurden 2500 Flugpassagiere - wären fast alle bereit, höhere Flugpreise in Kauf zu nehmen, wenn dadurch der Mittelsitz frei bliebe. Bei einm angenommenen Ticketpreis von 200 Dollar wurde gefragt, wie viel mehr man für die Garantie eines freien Nachbarsitzes bezahlen würde; der Durchschnitt kam dabei auf 16,5 Prozent zu liegen. Bei höheren Ticketpreisen dürfte dieser Schnitt wohl etwas senken, und doch ist das Resultat bemerkenswert: Flugpassagiere würden für ein «sicheres» Flugerlebnis offenbar auch gerne etwas tiefer in die Tasche greifen. Das müssten sich die Airlines beherzigen, wobei natürlich ein wirtschaftlicher Betrieb auf den bisher gängigen Modellen auch mit Ticketpreiserhöhungen von 16,5 Prozent noch nicht funktionieren würde.

Und wie sieht es bei Ihnen aus? Was wäre Ihnen die relative Sicherheit von mehr Platz im Flugzeug wert?

(JCR)