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Die massiven Restriktionen im weltweiten Flugverkehr aufgrund der Corona-Pandemie haben auch Swiss schwer getroffen. Bild: JCR

Swiss fährt im ersten Halbjahr 266 Millionen Franken Verlust ein

Die Folgen der Corona-Pandemie belasten das Ergebnis sämtlicher Airlines der Lufthansa Group erheblich; im Gesamtkonzern ist der Abbau von 22'000 Vollzeitstellen vorgesehen. Aufgrund der sehr dynamischen Lage könne für das Gesamtjahr 2020 keine Ergebnisprognose abgegeben werden.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben tiefe Spuren im Geschäftsergebnis von Swiss - sowie der anderen Airlines der Lufthansa Group - hinterlassen. Über viele Wochen konnte im Frühjahr lediglich ein Minimalflugplan angeboten werden, was zu empfindlichen Ertragseinbussen geführt hat.

Im ersten Halbjahr lag der Betriebsertrag um rund 55 Prozent unter Vorjahr und belief sich auf 1,17 Milliarden Franken (1. HJ. 2019: + CHF 2,57 Mrd.). Entsprechend ging das operative Ergebnis signifikant zurück: Für das erste Halbjahr 2020 verbuchte Swiss einen operativen Verlust von 266,4 Millionen Franken (1. HJ. 2019: + CHF 245,3 Mio.). Nach anfänglichen Effekten im ersten Quartal hat die Corona-Pandemie die Geschäftstätigkeit von Swiss besonders im zweiten Quartal schwer belastet. Der Rückgang des Betriebsertrags war deutlich; mit 243,7 Millionen Franken (Q2 2019: CHF 1.41 Mrd.) lag er um 82,8 Prozent unter dem Vorjahreswert. Swiss schloss allein das zweite Quartal mit einem operativen Verlust in Höhe von 182,3 Millionen Franken ab (Q2 2019: + CHF 196,9 Mio.). Angesichts der weiterhin sehr dynamischen Lage und unvorhersehbaren Entwicklung lässt sich für das Gesamtjahr 2020 keine Ergebnisprognose abgeben.

Markus Binkert, CFO von Swiss, kommentiert das Ergebnis: «Dank der frühzeitig eingeleiteten Massnahmen zur Liquiditätssicherung konnten wir unsere Fixkosten deutlich senken. Mit den Darlehen der Lufthansa Group und dem in Aussicht gestellten, vom Bund garantierten Bankenkredit ist die Liquidität gesichert. Wir müssen aber weiterhin unsere Kosten strukturell reduzieren, um die Kredite baldmöglichst zurückzahlen zu können.» Zur Verbesserung der Kostenstruktur werde Swiss in den kommenden Monaten weitere umfassende Sparmassnahmen ergreifen und unter anderem ihren Flotteneinsatz auf den Prüfstand stellen sowie sämtliche nicht betriebsnotwendigen Investitionen über alle Unternehmensbereiche hinweg aussetzen.

Massiver Passagierrückgang im ersten Halbjahr

Im ersten Halbjahr dieses Jahres beförderte Swiss insgesamt 3'167'624 Passagiere. Dies entspricht einem Rückgang von 64 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Insgesamt führte Swiss 29'667 Flüge durch, 59,5 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2019. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 hat Swiss auf dem gesamten Streckennetz 57,1 Prozent weniger Sitzkilometer (ASK) angeboten, die Anzahl der verkauften Sitzkilometer (RPK) sank um 62,7 Prozent. Die Auslastung der Flüge (SLF) lag im Durchschnitt bei 71,2 Prozent. Damit waren sie im Vorjahresvergleich um 10,8 Prozentpunkte schlechter ausgelastet.

Den stärksten Passagierrückgang von 99,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hat Swiss im April verzeichnet. Im Juni Betrug die Differenz zum Vorjahresmonat noch 92,2 Prozent. Der Sitzladefaktor lag im Juni mit 41,6 Prozent um 45,5 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert.

Im Juni wurde der Minimalflugbetrieb sukzessive auf 15 bis 20 Prozent der ursprünglich geplanten Kapazität wieder hochgefahren. Bis zum Herbst sollen mit etwa einem Drittel der Kapazitäten rund 85 Prozent aller Destinationen wieder angeflogen werden, die vor der Corona-Krise bedient wurden. Seit Juli sind rund zwei Drittel der 91 Swiss-Flugzeuge wieder im Einsatz, darunter 41 Kurz- und 17 Langstreckenflugzeuge inklusive drei für reine Frachtflüge umgebaute Boeing 777. Swiss hat ein umfassendes Schutzkonzept entwickelt, um ihren Fluggästen ein sicheres Reisen zu ermöglichen. Unter anderem wurde eine Maskentragepflicht an Bord eingeführt, die Flugzeugreinigung intensiviert und der Bordservice angepasst. Zudem hat Swiss über die bestehenden flexiblen Umbuchungsmöglichkeiten hinaus eine grundsätzliche Rückfluggarantie auf allen europäischen Strecken eingeführt.

In der aktuellen Sommerferienzeit verzeichnet Swiss vor allem in Europa eine starke Nachfrage sowie eine hohe Auslastung, die fast auf Vorjahresniveau liegt, wenn auch bei deutlich geringerer Kapazität. Dies betrifft vorrangig touristische Ziele und den Besuchsreiseverkehr (sog. «visiting friends and relatives»), im Bereich der Geschäftsreisen ist die Nachfrage weiterhin äusserst schwach. Auch der Interkontinentalverkehr erholt sich aufgrund der andauernden Einreisebeschränkungen nur sehr langsam. Swiss-CEO Thomas Klühr sagt: «Die positive Entwicklung der Nachfrage nach Reisen in Europa stimmt uns verhalten optimistisch. Uns ist aber bewusst, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt, bis diese Krise überwunden ist. Entscheidend für eine nachhaltige und signifikante Erholung wird die weitere Entwicklung im Interkontinentalverkehr sein, insbesondere in unserem wichtigsten Verkehrsgebiet Nordamerika.»

So erging es der Lufthansa Group als Ganzes

Natürlich war auch der Mutterkonzern betroffen. Im gesamten ersten Halbjahr 2020 gingen die Umsatzerlöse der Lufthansa Group um 52 Prozent auf 8,3 Milliarden Euro zurück (Vorjahr: 17,4 Milliarden Euro) zurück. Das Adjusted EBIT betrug minus 2,9 Milliarden Euro (Vorjahr: 418 Millionen Euro), das EBIT minus 3,5 Milliarden Euro (Vorjahr: 417 Millionen Euro). Die Differenz zwischen beiden Kennzahlen ergibt sich im Wesentlichen aus ausserplanmässigen Abschreibungen auf Flugzeuge und Nutzungsrechte an Flugzeugen in Höhe von 300 Millionen Euro, Abschreibungen auf Firmenwerte von 157 Millionen Euro und Wertberichtigungen von Joint-Venture-Beteiligungswerten im Geschäftsbereich Technik in Höhe von insgesamt 62 Millionen Euro.

Darüber hinaus belastete die negative Marktwertentwicklung von Verträgen zur Treibstoffkostenabsicherung das Finanzergebnis in den ersten sechs Monaten des Jahres mit 782 Millionen Euro. Gegenüber dem Stand zum ersten Quartal verringerte sich dieser Effekt um 205 Millionen Euro. Das Konzernergebnis belief sich damit im ersten Halbjahr auf minus 3,6 Milliarden Euro (Vorjahr: minus 116 Millionen Euro). In den ersten sechs Monaten haben die Airlines der Lufthansa Group insgesamt 23,5 Millionen Fluggäste befördert, zwei Drittel weniger als im Vorjahreszeitraum (minus 66 Prozent). Das Angebot verringerte sich um 61 Prozent. Der Sitzladefaktor ist in diesem Zeitraum um 9 Prozentpunkte auf 72 Prozent gesunken. Das Frachtangebot ist um 36 Prozent zurückgegangen, die verkauften Frachtkilometer um 32 Prozent.

Die zentral verfügbare Liquidität betrug am 30. Juni 2,8 Milliarden Euro, ein Rückgang von 1,4 Milliarden Euro gegenüber dem Stand am Ende des ersten Quartals (31. März 2020: 4,2 Milliarden Euro). Die zur Stabilisierung des Lufthansa Konzerns zugesagten Mittel vor allem des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) der Bundesrepublik Deutschland sind in den Liquiditätszahlen zum 30. Juni 2020 noch nicht enthalten. Inklusive dieser Mittel in Höhe von insgesamt neun Milliarden Euro, standen dem Konzern am 30. Juni 2020 in Summe 11,8 Milliarden Euro an Liquidität zur Verfügung. Seit Anfang Juli sind dem Konzern 2,3 Milliarden Euro aus dem Stabilitätspaket zugeflossen. Durch die Kapitalerhöhung, mit welcher der WSF eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Gesellschaft aufbaute, gingen der Lufthansa Group rund 300 Millionen Euro liquide Mittel zu. Der Abruf der ersten Tranche der KfW-Fazilität trug eine Milliarde Euro bei, der Aufbau der Stillen Beteiligung II seitens des WSF sorgte für einen Mittelzufluss von einer weiteren Milliarde Euro.

Mittelabflüsse seit dem Bilanzstichtag bezogen sich vor allem auf die Auszahlung von Rückerstattungsansprüchen für ausgefallene Flüge. Im Juli zahlte der Konzern knapp eine Milliarde Euro aus. Insgesamt hat der Konzern im laufenden Jahr 2020 bislang rund zwei Milliarden Euro an Kunden erstattet.

Lufthansa Group beschliesst Restrukturierungsprogramm «ReNew»

Der Konzern geht aktuell davon aus, dass die Nachfrage nach Flugreisen frühestens im Jahr 2024 wieder das Niveau von vor der Krise erreicht. Die Lufthansa Group hat daher ein umfassendes Restrukturierungsprogramm mit dem Titel «ReNew» beschlossen, das auch die bereits laufenden Restrukturierungsprogramme der Airlines und Servicegesellschaften umfasst.

Ziel bleibt es, die globale Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Lufthansa Group zu erhalten. Das Programm sieht den Abbau von 22'000 Vollzeitstellen in der Lufthansa Group vor. Die Konzernflotte soll dauerhaft um mindestens 100 Flugzeuge verkleinert werden. Dennoch soll die im Jahr 2024 angebotene Kapazität der des Jahres 2019 entsprechen. Dazu soll die Produktivität bis 2023 um 15 Prozent erhöht werden, unter anderem durch die Reduktion der Flugbetriebe auf zukünftig maximal zehn. Die Vorstands- und Geschäftsführungsgremien der Konzerngesellschaften werden verkleinert und die die Zahl der Führungskräfte im Konzern soll um 20 Prozent reduziert werden. In der Administration der Deutschen Lufthansa AG werden 1000 Stellen abgebaut.

Die Summe der Massnahmen soll es ermöglichen, die Mittel des Stabilisierungspakets schnellstmöglich umzufinanzieren. Die Finanzplanung des Konzerns sieht vor, im Verlauf des Jahres 2021 wieder positive Cash Flows zu erwirtschaften. Die Zahl der Mitarbeiter der Lufthansa Group ist zum 30. Juni 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt um knapp 8300 auf aktuell 129'400 Mitarbeitende gesunken. Ziel des Konzerns war es, betriebsbedingte Kündigungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Vor dem Hintergrund der Marktentwicklungen im globalen Luftverkehr und basierend auf dem Verlauf der Verhandlungen zu notwendigen Krisenvereinbarungen mit den Tarifpartnern sei dieses Ziel nicht mehr realistisch.

(JCR)