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Tobias Pogorevc, CEO Helvetic Airways AG, ist überzeugt, dass die Coronavirus-Krise noch nicht ausgestanden ist. Bild: TN

«Jetzt haben wir die Grösse, die auch nach der Corona-Krise die Basis bilden soll»

Im Interview mit Travelnews spricht Helvetic-Airways-CEO Tobias Pogorevc über die Herausforderungen in den vergangenen Monaten, den abrupten Wachstumsstopp, der die Fluggesellschaft eingeleitet hat und er ortet durch die Krise ein verändertes Buchungsverhalten bei den Reisenden.

Herr Pogorevc, wie haben Sie die letzten Monate erlebt?

Tobias Pogorevc: Die vergangenen Monate waren bislang die herausforderndsten für Helvetic Airways. Die Zeit war ohnehin herausfordernd, weil wir uns in einer Transformation befanden in Bezug auf die Umflottung und das Wachstum. Für eine kleine Firma ist das ohnehin sehr anspruchsvoll. Und dann kam Corona. Das hat gewirkt wie ein Multiplikatoreffekt und hat die ganze Situation hoch komplex gemacht. Trotz allem haben wir aber die Hausaufgaben gemacht und auch sofort die Vorauszahlungen der Reiseveranstalter und Direktbuchern zurückerstattet. Seit dem Grounding haben wir verschiedene Projekte wie «Digitalisierung» und «Virtuelles Training» abgeschlossen und freuen uns, dass die Flugzeuge bald wieder regelmässiger abheben.

Trotz der Schwierigkeiten hat sich Helvetic Airways entschieden, vier der bestellten E190-E2 Embraer Flugzeuge durch das grössere Modell E195-E2 zu ersetzen. Wie kam es dazu?

Die acht E190-E2 sind langfristig für die Swiss International Airlines unter Vertrag und wir haben noch vier weitere E190-E2 bestellt. In den letzten Monaten haben wir uns umfassend mit dem grösseren Modell E195 beschäftigt und festgestellt, dass dieser Flugzeugtyp extrem gut ist, was Werte wie Treibstoffverbrauch, CO2-Ausstoss und Lärmemissionen angeht. Der E195 ist mit zusätzlichen 24 Sitzen etwas grösser und öffnet uns dadurch auch neue Märkte. Das heisst, dass wir in Zukunft weitere Distanzen fliegen können in Regionen, für welche ein Airbus A320 wiederum zu gross wäre. Das können zum Beispiel Destinationen in Afrika oder im mittleren Osten sein. Auf der anderen Seite ist das neue Flugzeugmodell auch ein Top-Produkt, das im Bereich Wetlease eingesetzt werden kann. Ab Sommer 2021 werden wir die modernste und umweltfreundlichste Regionalflotte in Europa in Betrieb haben.

Kann die Zusammenarbeit mit Swiss in Zukunft im gleichen Rahmen weitergeführt werden wie bis anhin?

Wir haben mit der Swiss einen langfristigen Vertrag über acht Flugzeuge. Dieser wird wie bis anhin fortgeführt. Aufgrund der akuten Krise blieben unsere Einsätze aus. Wir werden aber ab August wieder für sie unterwegs sein.

«Wir haben den Wachstumsprozess abrupt angehalten.»

Piloten und Flight Attendants dürfte es wieder genügend auf dem Markt haben. Haben Sie Ihre Personalsorgen los?

Personalsorgen haben Unternehmen oft. Für uns ist die Frage, wie wir die über 400 Kolleginnen und Kollegen, die wir haben, durch die Krise bringen. Eigentlich sah der Plan vor, dass wir Stand heute 550 Leute beschäftigen und 16 Flugzeuge bewegen – jetzt sind es 433 Mitarbeiter und 13 Flieger. Wir haben den Wachstumsprozess abrupt angehalten. Jetzt haben wir die Grösse, die auch nach der Corona-Krise die Basis bilden soll.

Mit welchen generellen Auswirkungen auf die Airline-Industrie rechnen Sie?

Ich bin überzeugt, dass diese Krise noch nicht ausgestanden ist. Während sich die Flugbewegungen innerhalb Europas auf tiefem Niveau stabilisiert haben, hat die Anzahl Interkontinentalflüge noch nicht angezogen. Aktuelle Statistiken der IATA untermauern das. Da die Regionalairlines nicht in den Genuss von Staatshilfen gekommen sind, hat hier mit den verschiedenen Groundings der Konsolidierungsprozess angefangen. Die Grossen kommen in den Genuss der Staatshilfen. Ob die genügend hoch sind und ob die zurückbezahlt werden können oder ob auch hier ein Konsolidierungsprozess in Gang gesetzt wird, wird sich in den nächsten Monaten weisen.

Wir sind jedenfalls froh, dass wir unabhängig sind und das modernste Regionalflugzeug einsetzen. Davon werden wir in den nächsten Jahren profitieren, zumal der Umweltaspekt immer wichtiger wird.

«Bereits Wochen im Voraus die Ferien zu buchen, ist aktuell vorbei.»

Wie beurteilen Sie die Nachfrage im Moment?

Das ist sehr speziell. Die Reiseveranstalter sagen, dass die Nachfrage derzeit sehr schwach ausfällt – auf der anderen Seite hört man, dass die Flugzeuge an gewisse Destinationen sehr gut gebucht sind. Das ist schon ein Paradox.

Wir stellen auch fest, dass die Anfragen sehr kurzfristig sind: Der Kunde informiert sich, wie sich die Lage in der kommenden Woche in der Zieldestination entwickelt und bucht anhand dessen seine Ferien. Bereits Wochen im Voraus die Ferien zu buchen, ist aktuell vorbei. Zu gross sind die Unsicherheiten bezüglich Reiserestriktionen (Quarantänepflicht) und auch Rückerstattungen der gebuchten Tickets…

Deshalb haben Sie auch die POP-UP-Flüge lanciert.

Ja, genau. Diese werden kurzfristig aufgesetzt, beinhalten einen Kurzaufenthalt in einem Top Hotel oder ein spezielles Programm wie beispielsweise Golf und im Falle einer Anpassung der Reiserestriktionen wird der Flug nicht durchgeführt und der Kunde erhält sofort sein Geld zurück. Somit hat er kein finanzielles Risiko.

Die POP-UP Flüge führen wir mit kleinen Spezialisten wie zum Beispiel Meersicht durch. Die grossen Reiseveranstalter konnten sich bis jetzt nicht für diese Idee begeistern. Aber die bis jetzt aufgelegten Programme sind top. Das Komplettangebot bucht man beim Reiseveranstalter und der Nur-Flug kann über unsere Website oder GDS gebucht werden. Wir sind überzeugt, dass sich diese Art des Reisens durchsetzen kann.

(NWI)