Flug

Annullierte Flüge sind ohnehin schon eine Geissel des Reisens - wenn dann die Annullation gar wegen einer Pleite erfolgt, gibt's auch keine Aussicht aufs Geld mehr. Eine untragbare Situation. Bild: AdobeStock

Kommentar Airlines dürfen nicht mehr länger auf die Kundengeldabsicherung pfeifen

Jean-Claude Raemy

Seit Jahren halten Airline-Insolvenzen die Reisebranche auf Trab. Inmitten der aktuellen Krisenzeit ist eine Kundengeldabsicherung nötiger und wichtiger denn je.

Genaue Zahlen gibt es kaum, Schätzungen zufolge sind aber allein in den vergangenen zwei Jahren rund eine Million Flugpassagiere im Ausland gestrandet, nachdem die befördernde Fluggesellschaft Pleite gegangen war. Wie der Ombudsman der Schweizer Reisebranche festhält, hielten auch 2019 Airline-Insolvenzen sein Büro auf Trab - ein «Dauerthema», wie er schreibt.

Das Problem sind jeweils nicht die Pleiten an sich - solche können jede Firma ereilen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Nein, das Problem ist die fehlende Kundengeldabsicherung von Airlines. Sprich, das für die Beförderung vorgängig einbezahlte Geld ist einfach futsch. Der Schweizer Reise-Verband (SRV) setzt sich seit Jahren dafür ein, dass eine solche Kundengeldabsicherung kommt - bislang ohne Erfolg, obwohl der SRV dabei längst nicht allein ist, denn auch die Verbände anderer Länder setzen sich dafür ein.

Das gewichtigste Gegenargument der Airlines: Die Schaffung einer Kundengeldabsicherungspflicht würde deren Wettbewerbsfähigkeit verringern und die Flugkosten für Konsumenten erhöhen. Das klingt inzwischen ziemlich hohl. Airlines operieren scheinbar so oder so bereits stets am Rande des Ruins, anders lässt sich der schnelle Ruf nach Hilfe kurz nach Beginn der Krise nicht erklären. Und zweitens: Höhere Flugpreise sind nicht grundsätzlich des Teufels - in vergangenen Jahren hätte dies die steil wachsende Nachfrage wohl gebremst, aber jetzt, wo die Nachfrage ohnehin tief ist und längerfristig mit steigenden Preisen zu rechnen ist, wäre doch ein guter Moment, um wieder vernünftige Preise zu verlangen, bei denen die Airline und mit dieser auch der Vertrieb noch vernünftig verdienen kann. Es würde auch das «Produkt Flug» etwas aufwerten. Mittlerweile sind 50-Franken-Flüge ans Mittelmeer doch ohnehin verpönt (wenngleich natürlich weiterhin gerne gebucht...).  

Klar, es gibt Versicherungen, die bei der Airline-Insolvenz helfen sollen. Manche Versicherungen erstatten den Ticketpreis oder einen Anteil der Kosten für ein neues Ticket. Andere bieten ein Ersatzticket an. Aber warum muss denn der Kunde sich gegen sowas versichern? Warum wird nicht, wie dies bei Reiseveranstaltern und Reisebüros Usanz ist, eine Kundengeldabsicherung eingeführt?

Es ist davon auszugehen, dass wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr einige Airlines Pleite gehen werden. Die Level Europe hat es bereits erwischt (in diesem Fall gab es aber keine gestrandeten Passagiere, da die Airline nicht flog), andere - teils auch deutlich grössere - Airlines bewegen sich am Rande der Pleite. Teufel nochmal, sogar die allmächtige Lufthansa fürchtet so ein Szenario! Andere Airlines eröffnen bereits neue «hohle Gesellschaften» (z.B. Sunclass), was bei Restrukturierungen üblich ist, während SunExpress den deutschen Teil stillegt und TUI ihre Airlines fusioniert. Man darf also davon ausgehen, dass noch einiges kommt im Flugbereich, eben auch Pleiten.

Aktuell verscherzen sich die Airlines aber in der Krise viel Vertrauen und Goodwill. Sie sind nicht schuld an der Krise und Kostensparmassnahmen sind verständlich und wichtig. Wir haben an dieser Stelle auch schon für Verständnis für die Airlines plädiert. Aber die unsägliche Praxis, Flüge zu lancieren, kurzfristig zu stornieren und dann das Geld möglichst lange einzubehalten, ist ein No-go. Und wenn es dann zur Pleite kommt und die Kunden definitiv geprellt sind - von der Mehrarbeit für den Vertrieb wollen wir gar nicht erst sprechen - dann erweisen sich die Airlines selber einen weiteren Bärendienst.

Wir wollen doch alle gerne fliegen. Eine Kundengeldabsicherung im Flugbereich wäre der Start für eine Rückkehr des Vertrauens ins Flug-Produkt.