Flug

Die Airlines haben keine leichte Planungsaufgabe. Auch wenn das Flugangebot teils verlockend ist, liegt es in der Verantwortung der Reisenden zu checken, ob sie überhaupt am Zielort einreisen dürfen. Bild: Lai Tsan

Kommentar Airlines können nicht von heute auf morgen planen

Jean-Claude Raemy

Sind die Airlines bei ihrer Planung zu optimistisch? Sind die Flugpassagiere aber nicht auch für ihre eigene Planung verantwortlich? Es muss auf beiden Seiten Verbesserungen geben.

Die Wut auf die Airlines ist aktuell gross, in der Schweiz insbesondere auf die Swiss. Dies, weil zahlreiche Flüge buchbar sind, welche anschliessend wieder annulliert werden, mit den bekannten Folgen: Man muss lange auf die Rückerstattung warten, während Reisebüros gegenüber den Kunden auch stets in eine nicht selber verschuldete Erklärungs-Notlage geraten. Übers Wochenende wurden nun auch in den Medien Berichte publiziert, in denen es darum ging, dass Reisende am Flughafen zurückgewiesen wurden. Dies, weil sie laut Swissport die Einreisebestimmungen ihrer Zieldestination nicht erfüllten.

Der O-Ton war jeweils, dass eine Airline doch gar keine Flüge in ein Land anbieten sollte, welches Schweizern die Einreise (noch) verbietet. Darüber hinaus hört man in Internetforen, dass teilweise Passagiere auch zurückgewiesen wurden, obwohl sie im Prinzip davon ausgingen, einreisen zu dürfen, also über eine Sondergenehmigung verfügt hätten (z.B. wenn man Familie in einem Land besucht, welches die Grenzen noch immer geschlossen hat).

Gewiss, es herrscht weltweit immer noch ziemliches Chaos hinsichtlich den Grenzöffnungen und darüber hinaus auch den teilweise neuen Einreisebestimmungen. Da kann es am Flughafen beim Check-In durchaus zu Missverständnissen und Reibereien kommen. Und ja, die Praxis der Airlines mit dem Hochfahren der Flüge selbst an Ziele, die theoretisch nicht bereisbar sind, mag man als billiges Marketing abtun, als «Massnahme um vorübergehend Liquidität hereinzuholen» (wie es viele Reisebüros anprangern).

Doch versetzen Sie sich mal in die Lage eines Flugplaners bei einer Airline. Man kann aufgrund planerischer Zwänge nicht einfach zuwarten, bis irgendwo eine Öffnung verbindlich kommuniziert wurde, und dann sofort loslegen. Das wäre rein verkaufstechnisch möglich, aber nicht beim Einsatz von Flugzeugen, Crew etc. - deshalb braucht es immer eine gewisse Vorlaufzeit. Und Swiss liess beim Hochfahren des Juni-Flugplans ganz klar wissen, dass dieser auf der Entwicklung verschiedener Szenarien unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen Überlegungen und möglichen, zu erwartenden Lockerungen von Einreisebestimmungen basiere. Kurz: Es ist in der aktuell unübersichtlichen Lage ein «educated guess», wohin geflogen werden kann - mit der Konsequenz, dass eben der eine oder andere Flug nicht durchgeführt werden kann.

Appell an die Eigenverantwortung

Klar, nach dem Lockdown und der für uns völlig ungewohnten starken Einschränkung der Reisefreiheit ist der Drang zum Reisen - und damit zum Fliegen - extrem gross, aus welchen Gründen auch immer. Und klar, sobald irgendwo ein Ziel kommuniziert wird, welches wieder angeflogen wird und unserem Bedürfnis entspricht, werden wir uns dafür interessieren.

Aber eben: Ist noch nicht einwandfrei klar, dass geflogen werden darf, ist Vorsicht geboten. Und da aber Bürger gewisser Länder durchaus einreisen dürfen (und somit fliegen können), während es für Schweizer Bürger, die als Touristen einreisen, noch verboten ist, kann man die Schuld bei Pannen nicht unilateral auf die Airline schieben. Vor der Coronazeit konnte ich auch nicht einfach nach China fliegen, ohne vorgängig ein Visum zu haben, und dafür war ich selber verantwortlich. Ähnlich verhält es sich jetzt: Der Passagier muss ganz sicher sein, dass er einreisen darf, und ist selber verantwortlich, dafür die notwendigen Dokumente etc. zu haben.

Wenn die Airline einen kürzlich angekündigten Flug derweil wieder annulliert, müsste sie eine rasche Rückvergütung und eine einwandfreie Kommunikation gewährleisten, wobei gerade Letzteres (Stichwort Erreichbarkeit) nicht immer der Fall ist, aber immerhin werden Passagiere proaktiv zu Umbuchungs oder Refund-Möglichkeiten informiert.   

Ein konstruktives Argument kam von Seiten des Konsumentenschutzes, welcher fordert, dass man klare Warnhinweise oder verbindliche Informationen in den Buchungsprozess integriert. Das ist aber angesichts des aktuellen Chaos eine schwierige Forderung, einerseits wegen der technischen Einbindung aktueller Reisehinweise, und dann wegen diesen selber - diese ändern ständig, und wenn etwas schiefgeht, entstehen sofort Haftungsfragen. Kein Leistungsträger wird da etwas auf die Schnelle implementieren.

Was heisst das jetzt unter dem Strich?

Zum einen, dass die Vertriebs-Prozesse dringend überarbeitet werden müssen. Für die Reisebüros ist das Hin und Her zwischen Buchbar und Annulliert, gepaart mit Rückvergütungs-Verzögerungen, schlicht nicht tragbar.

Zum anderen, dass das Hochfahren der Flugpläne vorsichtig kommuniziert werden sollte. Die Flugmöglichkeiten sollten sicherlich auch eine gewisse Zuversicht signalisieren, dass der Lockdown zu Ende geht und wieder geflogen werden kann. Wenn allerdings auf breiter Basis Flüge wieder annulliert werden, wird kein Vertrauen geschaffen, im Gegenteil. Wobei man auch hier sagen muss: Gewisse Flüge, die jetzt annulliert werden, sind solche, die schon vor Monaten gebucht waren - die Airlines warteten zu, ob sich an der Lockdown-Situation bis 2-3 Wochen vor Abflug etwas ändert, und wenn dies nicht der Fall war, wurde annulliert. Da kann man also nicht von Täuschung sprechen, sondern von einer ursprünglichen Langfristplanung, die nun aus bekannten Gründen nicht mehr aufgeht.

Zweifelsfrei gibt es einen «Gap» zwischen den Erwartungen und dem Angebot. Aus Zahlen von OAG geht hervor, dass die Juni-Flugplanung gar kein Hochfahren vermuten lässt, sprich, dass zusätzliche Flüge in etwa mit den Annullationen bestehender/geplanter Flüge parallel verlaufen. Wer schon seit längerem Flüge im Hochsommer oder gar Herbst gebucht hat, kann aktuell nur abwarten und hoffen - genau wie die Airline selber.

Gewiss, Airlines müssen sich in vielen Punkten verbessern. Aber Einreisebestimmungen pro Land in einer Zeit wie dieser stets à jour zu halten - im Wissen, dass zwischen Buchungszeitpunkt und Abflug alles wieder ändern kann - ist nicht eine Grundaufgabe der Airlines; wir wissen mittels unserer eigenen stets aktualisierten Liste, wie aufwändig das ist. Weshalb es eben wichtig ist, dass auch der Kunde sein Verhalten ändert und selber checkt, was für eine Flugreise nötig und erforderlich ist. Kurz: Vor der Reise sollte der Gast mehr Verantwortung übernehmen, im Fall einer Annullation muss die Airline besser werden.