Flug

Das Unbeschwerte an den Flugreisen ist vorerst weg. Wir müssen uns wohl längerfristig auf spezielle Hygienemassnahmen vor und während Flügen einstellen. Bild: AdobeStock

So sieht das aktuelle Flug-Erlebnis aus

Jean-Claude Raemy

Die Coronavirus-Krise hat tiefgreifende Änderungen bei den Prozessen am Flughafen sowie beim Fliegen selber mit sich gebracht. Wir haben bei Swiss, Edelweiss und dem Flughafen Zürich nachgefragt, wie die «schöne neue Flugwelt» aussieht.

Man hört es überall: Das Fliegen wird nach Corona anders. Fakt ist aber: Das Fliegen ist jetzt schon anders - und zwar bei den Flughafenprozessen angefangen bis hin zum Inflight-Erlebnis. Da zurzeit aber nur noch die wenigsten unter uns fliegen, ist wohl noch gar nicht klar, wie «das Fliegen» aktuell und in naher Zukunft vonstatten geht. Travelnews hat deshalb beim Flughafen Zürich sowie bei Swiss und Edelweiss nachgefragt, wie es aktuell aussieht. Wir gehen auch der Frage nach, was da noch alles kommen mag.

Am Flughafen

Der Flughafen Zürich hat die Verhaltens- und Hygienemassnahmen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) umgesetzt und passt diese auch laufend an. «Die am Flughafen getroffenen Massnahmen wurden jedoch nicht vorgegeben, sondern der Flughafen hat Massnahmen erarbeitet, die erlauben, die Empfehlungen und Vorgaben entsprechend umzusetzen», präzisiert Flughafen-Sprecherin Manuela Staub.

Zu diesen gehörten zum Beispiel Massnahmen, damit zwischen den Passagieren Abstand gehalten werden kann. So müssen die Flughafen-Mitarbeitenden dafür sorgen, dass sich keine Schlangen oder Menschenansammlungen bilden; ebenso wird regelmässig per Lautsprecher auf Deutsch und Englisch darauf hingewiesen, die Regeln des Social Distancing einzuhalten. Ebenfalls wurden die Reinigungsintervalle am Flughafen erhöht: Viel frequentierte Flächen werden bis zu sechs Mal öfter gereinigt. Darüber hinaus wurden an über 300 Schaltern Schutzscheiben aus Plexiglas montiert. Bei abreisenden Passagieren mit Alitalia führt die Checkport in deren Auftrag übrigens Gesundheitschecks (Fiebermessen) der Passagiere durch.

Damit Social Distancing im Ankunftsbereich eingehalten werden kann, wurde die Ankunft 1 geschlossen. Bei der Ankunft 2 gibt es nur noch einen Eingang für Abholer, die anderen Zugänge wurden gesperrt. Zudem ist der Zutritt begrenzt und ein Nummernsystem (wie bei Lebensmittelgeschäften) wurde eingeführt. Die Flughafenbetreiberin empfiehlt Abholern, auf der Vorfahrt im Freien, im weitläufigen Airport Shopping oder direkt im Parkhaus zu warten. Die Preise bei den Vorfahrten «Ankunft» und «Abflug» wurden vorübergehend reduziert.

Beim Boarding wird laut Swiss-Sprecherin Sonja Ptassek wenn immer möglich eine Dockposition gewählt; damit entfällt ein möglicherweise komplizierter Bustransfer. Die Boarding-Prozesse wurden dahingehend angepasst, dass die Gäste das Flugzeug sukzessive und mit Abstand betreten können. Beim Einsteigen wird kurz die Identität jedes Passagiers kontrolliert, hier wird die Zwei-Meter- Regel eingehalten. Dadurch wird gewährleistet, dass beim Einsteigen keine Ansammlungen entstehen.

Beim Aussteigen in Zürich werden Airlines angehalten, das Aussteigen der Passagiere bei Langstreckenflugzeugen zu verlangsamen, um einen Abstand zwischen den Passagieren zu gewährleisten. Durch die Verzögerung wird zudem dem Gepäck einen Vorsprung gegeben, so dass Wartezeiten am Gepäckband möglichst vermieden werden können. Bei Swiss sorgt laut Ptassek die Polizei in Zusammenarbeit mit der Crew für das Aussteigen; «meist können Gruppen von 20 Menschen gleichzeitig das Flugzeug verlassen».

Im Flug

Swiss hat am 28. März die Abstandsregeln an Bord eingeführt, dies im Zuge einer Initiative der Lufthansa Group. Damit ist es derzeit so, dass auf Flügen ab der Schweiz in der Economy Class die Mittelsitze sowie auf Langstreckenflügen sämtliche direkten Nachbarsitze blockiert und freigelassen werden. «Die Kapazität auf den Flugzeugen wird systemseitig entsprechend reduziert, damit das Social Distancing eingehalten werden kann», erklärt Swiss-Sprecherin Sonja Ptassek. Die Passagiere werden entsprechend informiert.

Wichtig: Familien und Personen aus dem gleichen Haushalt dürfen sich an Bord wieder zusammensetzen und blockierte Sitze benutzen.

Bei den Crews ist das freiwillige Tragen von Hygienemasken an Bord aller Flüge seit Anfang April erlaubt. Bei Bedarf können Crew-Member für ihre Flüge Masken in Zürich und in Genf beziehen. Der Hintergrund waren unter anderem COVID-19 Guidelines der EASA, nach denen das Tragen von Hygienemasken empfohlen wurde.

Was kommt als nächstes?

Soweit mal die aktuelle Situation. Aber was kommt möglicherweise noch darüber hinaus? Bekanntlich bastelt die EU an Regelungen, welche Fluggesellschaften und Flughäfen umzusetzen haben. «Wir gehen nicht davon aus, dass es einheitliche europaweite Massnahmen geben wird», erklärt Flughafen-Sprecherin Manuela Staub. Man werde die weitere Entwicklung beobachten und allfällige Infrastrukturanpassungen vornehmen - wobei hier, beiläufig erwähnt, der Flughafen im Unterschied zu den Airlines nicht auf Geld vom Bund setzt: «Wenn immer möglich, möchten wir diese Krise unternehmerisch überstehen», sagt Staub, «dazu haben wir auch umfassende Liquiditätssicherungs- und Kostensenkungsmassnahmen beschlossen und umgesetzt, Kurzarbeit eingeführt und die Investitionsplanung wird laufend angepasst. Die Flughafen Zürich AG verfügt über eine starke Bilanz und Liquidität, welche über die nächsten Monate ausreichend ist.»

Auf die Frage, wie sich das Flugerlebnis am Flughafen in naher Zukunft entwickeln wird, weicht Staub aus: «Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation. Sicher können wir sagen, dass es weiterhin Verhaltens- und Hygienevorschriften geben wird, auf die geachtet werden muss. So können wir uns vorstellen, dass die Schutzscheiben an den Check-ins installiert bleiben, dass im Passagierprozess weiterhin auf Abstand geachtet werden muss, dass weiterhin intensiver gereinigt wird und dass die Passagiere und Mitarbeitenden weiterhin aufgefordert sind, die Hygienemassnahmen umzusetzen.»

Auch Swiss geht laut Sprecherin Ptassek davon aus, dass die hygieneunterstützenden Massnahmen (angepasste Ein- und Aussteigeprozesse, Einschränkungen beim Bordservice wie etwa Verzicht auf «hot towel» oder Duty-Free) noch länger aufrechterhalten werden, zumindest bis sich die Lage entspannt. Zudem wartet man ab, welche Vorgaben nach der Coronakrise weiterhin umzusetzen sind. Edelweiss-Sprecher Andreas Meier sagt hierzu: «Grundsätzlich sind wir den Regelungen der EASA und des BAZL verpflichtet. Es wird aber auch landseitig von der EU und anderen Ländern Regelungen geben, welche die Passagiere auf einem Flug und an den Flughäfen spüren werden.» Er geht jedoch davon aus, dass vor allem die Flughäfen und wenige die Airlines von verbindlichen Regelungen getroffen werden.

Fazit

Die Übersicht im Luftverkehr zu behalten war angesichts der vielen individuellen Tarif- und Produktangebote schon seit jeher nicht einfach. Nun könnte es sein, dass auch in Sachen Hygienemassnahmen alle ihr eigenes Süppchen kochen - zwar wird es gewisse Vorgaben auf internationaler Ebene (EU etc.) geben, aber deren Umsetzung im Detail können die Airlines selber festlegen.

Schon jetzt hört man von diversen Airlines, die ihre Massnahmen etwa hinsichtlich freier Sitze, Familien-Gruppierung im Flugzeug, Boarding-Prozeduren und mehr unterschiedlich umsetzen. Ob Maskenpflicht an Bord herrscht oder nicht, wird ebenso unterschiedlich gehandhabt. Darüber hinaus wird über infrastrukturelle Massnahmen nachgedacht: Plexiglasscheiben zwischen den Sitzen, neue Sitzreihenanordnungen für mehr Distanz, neue Umluftfilter... und wie sieht es mit den Toiletten an Bord aus? Desinfektion nach jedem Gebrauch? Darüber wird nun in aller Welt gebrütet.

Das heisst für Passagiere, dass sich einerseits das Flugerlebnis ändert, aber vor allem, dass die Flugreise in absehbarer Zukunft mehr Vorbereitung bzw. Beratung benötigen wird. Das unbekümmerte «Pack den Koffer und geh» der letzten Jahre weicht wohl mittelfristig leider einer den vielen unterschiedlichen Regelungen von Behörden und Airlines geschuldeten Beklemmung und Konfusion bei internationalen Reisen.