Flug

Fluggesellschaften sind wichtig - doch rechtfertigt die systemische Wichtigkeit ein blindes finanzielles Vertrauen? Bild: Stefan Fluck

Heisses Eisen: Bedingungen für staatliche Kreditvergaben an Airlines

Jean-Claude Raemy

Soll man Airlines überhaupt mit Staatsgeldern unterstützen? Und wenn ja, soll es dafür Auflagen geben? Die Meinungen dazu gehen in alle Richtungen auseinander.

Heute werden voraussichtlich die Details zur möglichen finanziellen Unterstützung der Swiss durch den Bund bekannt gegeben. Im Vorfeld ist hierzu bereits eine rege Diskussion in Gang gekommen - Travelnews hatte am Montag in einem Kommentar zwar auf Verfehlungen der Airlines, aber auch auf deren Wert für die Gesamtwirtschaft verwiesen; die Reaktionen aus unterschiedlichen Ecken der Reisebranche liessen nicht lange auf sich warten.

Man darf wohl sagen: Alle sind sich einig, dass die Luftfahrt wichtig und notwendig für die Gesamtwirtschaft ist. Und klar, viele Arbeitsplätze, direkt bei Airlines sowie in vielen Zuliefer-Bereichen, stehen auf dem Spiel. Wie die Airlines jedoch geschäften, wie viel sie fliegen sollen und ob und wie stark sie von staatlicher Seite in dieser Krise oder auch sonst unterstützt sein sollen, darüber gehen die Meinungen weit auseinander (weiter unten publizieren wir noch weitere Feedbacks zu diesem Thema).

Endkunden wie auch Vermittler aus der Reisebranche echauffieren sich darüber, dass für zukünftige Flüge bereits einbezahlte Gelder nun nicht umstandslos rückerstattet werden. Trotz verständlichem Versuch zum Liquiditätserhalt sicherlich keine Praxis, worauf die Airlines stolz sein dürfen - zumal diesen inzwischen von unterschiedlichster Seite bereits Hilfe zuteil kommt. Beispielsweise von Eurocontrol: Wie Travelnews bereits berichtet hatte, hatte sich Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (eben Eurocontrol) zugunsten einer temporären Aufschiebung der Zahlungsfristen für die ATC-Gebühren ausgesprochen. Nun liegt eine Einigung vor: Die EU hat den Vorschlag gutgeheissen, die Gebühren erst ab November fällig werden zu lassen. Allerdings sagen die Airlines nun, dass dies das Liquiditätsproblem nur verschiebe - und wollen lieber einen kompletten Erlass der Gebühren für 2020. Was allerdings wenig praktikabel scheint.

Ausserdem steht die Frage im Raum, weshalb die Airlines kein Geld mehr haben. Gerade Swiss hat in den letzten Jahren solide Gewinne eingefahren. Die Rückstellungen waren in diesem kapitalintensiven Geschäft aber wohl nicht genug für eine längere Durststrecke. Zudem flossen in den letzten drei Jahren laut «Inside Paradeplatz» 1,8 Milliarden Franken Gewinn nach Frankfurt - was wiederum die Frage aufkommen lässt, ob nicht lieber Berlin statt Bern die Swiss unterstützen soll, selbst wenn die Swiss weiterhin als de-facto «National Carrier» angesehen wird.

Ökologische Bedingungen?

Einer der wenigen erfreulichen Aspekte der Coronavirus-Krise sind die vielen Meldungen über die verbesserte Luftqualität infolge reduzierter Mobilität. Das ruft nun die Umweltschützer auf den Plan. Miguel Arias Cañete, der ehemalige Klimakommissar der EU, hat im Einklang mit Grünen-Organisationen europaweit dazu aufgerufen, dass staatliche Hilfsgelder zwingend an klimatische Bedingungen geknüpft sein müssten. Dies, weil eine 1:1-Erholung der Luftfahrt eine Rückkehr zu herkömmlichen CO2-Ausstössen in der Luftfahrt führen würde. Dieses Problem könnte sich allerdings von alleine lösen: Viele Airlines, darunter jene der Lufthansa Group, rechnen auf längere Zeit hinaus nicht mit einer Rückkehr zu bisherigen Kapazitäten. Damit sinken auch die Emissionen ohne äusseren Zwang. Allerdings ist damit die Forderung, das Geld doch lieber für ein verbessertes Nachtzugangebot in Europa einzusetzen, nicht vom Tisch. Jedoch wären klimapolitische Investitionen in ein starkes, europäisches Schienennetz nicht Sache von einzelnen Staaten, sondern müssten eben gesamteuropäisch koordiniert werden.

Weiter ist zu bedenken, dass die Flugbranche aus öffentlicher Hand zwar deutlich weniger Geld als der Strassenverkehr erhält, jedoch auch keine Mineralölsteuer auf Kerosin bezahlt, und auf Flugtickets wird keine Mehrwertsteuer erhoben. Auch hier könnten, ähnlich wie bei der Frage von Kundengeldabsicherungen für Airlines, möglicherweise Resultate erzielt werden, indem eben die aktuelle Bittsteller-Haltung der Airlines von den staatlichen Kreditgebern genutzt werden kann. Man sieht aber: Es sind zahlreiche Interessen, welche ebenso zahlreiche Bedingungen für Kredite der öffentlichen Hand berücksichtigt sehen wollen. Ob diese alle sinnvoll in einem dringlichen Hilfspaket eingebaut werden können, ist fraglich. Bald wissen wir mehr.


Weitere Feedbacks

Hans Lerch (ex-CEO Kuoni Group, via Facebook): «Es ist lange her, dass Luc Vuilleumier und ich die Klingen kreuzten und ähnlich lange, seit ich aus Thomas Kollers Komitee ausgetreten bin. Wer hat nun recht? Beide, weil sie reden ja nicht genau vom gleichen. Aber meine Sympathien sind bei Luc, und für Thomas diese Anekdote: Es war 2006 als Wolfgang Mayrhuber mir bei einem Nachtessen sagte: ‹Erstaunlich, dass uns die Schweizer ihre Swissair für keine 80 Millionen verschenkten. Wir hätten auch viel mehr dafür bezahlt!› Richtig, es wäre schwierig, die Swiss in eine andere Allianz zu überführen und eh unmöglich, sie der Lufthansa abzukaufen. Aber Staatshilfe aus Bern? Aus Berlin, wenn schon, oder?»

Alexander Stare (Airborne International, Glattpark): «Die Frage im Raum lautet, ‹Wie bauen wir unseren Himmel über Europa wieder auf, gerade hinsichtlich der steigenden Umweltbelastung, dem Massentourismus, Fluglärm und so, dass sich Fluggesellschaften wirtschaftlich solider entwickeln können?› Ebenso steht die Frage im Raum, ‹Wie regeln wir die Zusammenarbeit zwischen Reisebüros/Airlines, gerade auch in Anbetracht dessen, dass die Fluggesellschaften in ihren Heimmärkten auf vielen Strecken quasi-Monopol- oder Oligopol-Stellungen geniessen?› Was sich Swiss mit den Reisebüros in der Corona-Krise erlaubt, hat mit Partnerschaft nichts mehr am Hut. Hier müssten die Staatsgelder also an Bedingungen gekoppelt sein.

Wir reden immer von liberalisiertem Himmel. Dieser liberalisierte Himmel ist Utopie. Alitalia, Aeroflot, Turkish Airlines und die Airlines vom arabischen Golf und China fliegen nicht mit vollständig privatem Kapital in der Weltgeschichte herum. Gerade in der Türkei und Katar sind die beiden Homecarrier Prestigeobjekte der Politik und es gibt einen klaren Auftrag. Ein Auftrag, der mit privatem Kapital und zudem in so kurzer Zeit nie und nimmer möglich gewesen wäre. Heute fliegen TK und QR in bald alle Länder im Umkreis von 15 Flugstunden. Ich frage mich als Europäer eh, warum gewähren wir Europäer den Staatsbetrieben ausserhalb Europas Zugang zu Strecken der 5. Freiheit (wie z.B. MXP-JFK von Emirates) und etliche lukrative Streckenpaare in der Fracht wo Qatar, Emirates, Ethiopian, Saudia, El Al etc. mit ihren Frachtern ab Europa in verschiedenste Weltecken fliegen und sich dadurch die Erträge für den Gesamtmarkt auf oft un- oder knappwirtschaftlichem Niveau bewegen. Resultat: mehrere Europäer mussten sich aus Istanbul zurückziehen, unter anderem die Swiss. Dasselbe mit Flügen nach Nahost, Indien, Südostasien. Swiss und Lufthansa mussten etliche Destinationen einstellen, die vor 20 Jahren noch angeflogen wurden. Dass mit Staatsgeldern geflogen wird, zeigt gerade jetzt wieder Qatar Airways, die in dieser Situation noch täglich nach Zürich oder 3 mal täglich nach Sydney fliegen kann. Und die mit Privatkapital können in der momentanen Krise kaum ein paar Wochen ohne Staatshilfe überbrücken...

Das zeigt, dass nicht solide gewirtschaftet wird oder die Prioritäten falsch angesetzt sind und dass letztlich der liberale Markt gar nicht richtig existiert. Für viele Länder ist ihr eigener Nationalcarrier eben nicht nur ein Wirtschaftszweig, sondern Botschafter des Landes, welches den eigenen Tourismus vermarktet und bedient. Und dieser Botschafter oder auch Prestigeobjekt wird vielerorts mit Staatsgeldern gefördert. In den letzten 10 Jahren haben sich die Marktanteile je nach Gebieten ziemlich verschoben. In der Luftfracht ist mittlerweile Qatar Airways die Nr. 1 in der Schweiz, obwohl die Swiss über 30 Langstreckenflüge pro Tag ab der Schweiz bietet. Emirates die Nr. 3 und Turkish Airlines je nach Monat Nr. 4 bis 6. Das sollte zu denken geben! Zudem wer 5. Streckenfreiheiten gewährt, müsste Ebenbürtiges zurückerhalten. Fall Qatar: Bevölkerungszahl 2,7 Millionen und kaum Exporte ausserhalb von Gas und Öl. VAE ähnliche Situation. Dieses künstliche Überangebot ist schliesslich auch der Grund für die tiefen Preise, was wiederum den Massentourismus und die steigende Umweltbelastung auslöst. Kein Wunder bei Passagierticket-Preisen von 300 CHF nach Dubai oder 390 CHF nach Bangkok.

Vergessen wir nicht: Wenn wir unsere eigenen Unternehmen durch Nichteinhalten gemeinsamer Spielregeln schwächen, sind das verpasste Steuereinnahmen für unser Gesamtsystem. Und wenn Europa nicht fähig ist, einen fairen Markt für alle Teilnehmer zu bieten, dann wäre es vielleicht besser, wenn wieder vermehrt auf nationaler Ebene geregelt würde (Traffic Rights) und da wo es hilfreich für das Gesamtsystem wäre (z.B. gemeinsamer Luftraum für die Flugverkehrskontrolle), öffnet man sich.

Die Swiss sollte nicht aus der Lufthansa herausgenommen werden, das ist unsinnig, jedoch würden etwa 5% Kontrollanteile des Staates nicht schaden, alleine schon, um Quasimonopolattitüden zu verhindern - siehe wie Swiss die Reisebüros behandelt oder dann Strecken ZRH-FRA-ZRH wo unter 800 CHF bei 2 Tagen Reise nichts zu machen ist. So liessen sich auch Millionensaläre fürs Topmanagement verhindern, wodurch an der Basis eingespart werden muss, und auch die Förderung von Umwelt-Aspekten wäre möglich.

Ich hoffe dass sich die Politik die Chance, die die Coronakrise hier bietet, nicht nehmen lässt.»