Flug

Unzählige Reisende sitzen zurzeit im Ausland fest und wissen nicht, wie sie nach Hause kommen sollen. Bild: Harry Knight

Der Schrei nach Rückführungsflügen wird immer lauter

Jean-Claude Raemy/Nina Wild

Zu Tausenden sind Schweizer in aller Welt gestrandet und suchen händeringend um Hilfe. Der SRV appelliert an eine kulante Handlung der Airlines. Von diesen werden bis auf Weiteres keine Rückführungsflüge durchgeführt, während andere Airlines die Preise nun in die Höhe schrauben.

Die Hotline des EDA wird derzeit von Anrufen von gestrandeten Schweizern überhäuft - und auch bei Reisebüros und sogar bei Travelnews direkt häufen sich die Fragen besorgter Reisender wie auch von Daheimgebliebenen. Es sieht so aus, als ob alle zurück wollen, teils aber nicht können. Von behördlicher Seite wird zur Heimkehr geraten: Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis ruft alle Schweizer im Ausland auf, sofort in die Schweiz zurückzukehren. Im Wortlaut: «Die Schweizerinnen und Schweizer, die als Touristen oder aus Businessgründen unterwegs sind und in die Schweiz zurückkommen wollen oder müssen, die müssen sich eilen, weil die Coronavirus-Epidemie die Staaten veranlasst, die Flugverbindungen zu reduzieren und die Grenzen zu schliessen. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Tagen noch schwieriger wird, in die Schweiz zurückzufliegen. Es ist die Eigenverantwortung jedes Mitbürgers dafür zu sorgen, so schnell wie möglich in die Schweiz zurückzukommen. Der Bundesrat ruft dazu auf, jetzt zurückzukommen und nicht noch Tage zu warten.»

Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn die Flüge verknappen sich stündlich. Und obwohl es durchaus noch zahlreiche Möglichkeiten gibt, sind jene zu vernünftigen Preisen sehr schnell weg - und was übrig bleibt, kostet manchmal ein kleines Vermögen.

Anika Evangelatos (Anikas Reisen) erzählt beispielsweise: «Wir haben zurzeit nur noch zwei Kunden im Ausland. Das Problem ist, dass die Gäste in Costa Rica nur noch über die USA zurück reisen können – aber das geht nicht, weil dort die Einreise nicht mehr möglich ist. Es gäbe einen Flug über Madrid, aber der kostet 3000 Franken, weil wir Business-Klasse buchen müssten. Das finde ich ein wenig teuer und ich empfehle deshalb noch zu warten. Die gleiche Situation gab es ja auch in China, wo die Leute auch mit Sonderflügen zurückgeholt wurden. Ich denke, der Bund muss die Leute zurückholen und Lösungen stellen. Gestern schrieb der Bund noch, dass die Rückreise auf die Kosten der Reisenden geht und diese vor Ort selber schauen müssen. Wir Reisebüros haben dazu aber nur beschränkt die Möglichkeit. Ich stehe in ständigem Austausch mit Costa Rica und wir suchen via verschiedene Ticketshops von Kuoni, TUI und Hotelplan nach Lösungen, damit wir die Reisenden so schnell wie möglich nach Hause bringen.»

Uns sind weitere Fälle bekannt, bei denen etwa Swiss einen Aufpreis von 2000 Franken für zwei Personen für einen vorzeitigen Rückflug aus Singapur verlangt, oder Tickets mit Thai aus Bangkok nach Zürich für zwei Personen nur noch für 6000 Franken zu haben sind. Das können sich manche schlicht nicht leisten. Und während die Reisebüros wie oben beschrieben nach Kräften helfen, ist es in diesem Fall nicht deren Pflicht, auch die finanzielle Differenz allfälliger Flugplanänderungen zu tragen.

SRV lanciert Appell an Airlines

SRV-Geschäftsführer Walter Kunz erzählt von Rückmeldungen diverser Reisebüros, wonach Umbuchungen von Tickets nicht wirklich reibungslos über die Bühne gehen. Daher lanciert der Schweizer Reise-Verband eine Appell an alle Fluggesellschaften - hier wieder im Wortlaut: «Wir befinden uns aktuell alle in einer Notsituation. Der Bundesrat rät von Auslandreisen ab und bittet Reisende so schnell als möglich heimzukehren. Airlines sollten in dieser ausserordentlichen und noch nie da gewesenen Situation den Reisebüros das Leben nicht mit Umbuchungs-Rules, Annullationsspesen und ADM erschweren, sondern die Arbeit erleichtern, die die Reisebüros ja kostenlos für die Airlines vornehmen! Der Schweizer Reise-Verband dankt für eine kulante Haltung.»

Der Aufwand scheint wirklich enorm zu sein, wie ein weiteres Reisebüro berichtet. «Wir haben in den vergangenen Tagen sehr viele Anfragen von gestrandeten Reisenden erhalten, die ursprünglich nicht bei uns gebucht haben und nun einen neuen Heimflug haben möchten, weil sie unbedingt nach Hause wollen», erzählt Jasmin Willi (Willi Travel AG), «diesen Gästen haben wir nun eine Rückreise organisiert. Online einen Flug buchen macht aus unserer Sicht im Moment keinen Sinn – jeder zweite Flug wird storniert oder die Preise bewegen sich erst ab 4000 bis 5000 Franken. Wir möchten jetzt allen Kunden helfen, die gestrandet sind und mit unseren Flugsystemen haben wir dazu auch die Möglichkeit, weil wir besser sehen, welche Flüge hoffentlich noch durchgeführt werden. Wenn wir eine Anfrage erhalten um die Rückreise zu organisieren, wenden wir pro Flug etwa drei Stunden auf, um im Reservationssystem zu suchen. Dann finden wir schon vernünftige Preise, die sich zwischen 1000 und 1500 Franken bewegen. Die Leute haben uns aber die Rückmeldung gegeben, dass sie die gleichen Flüge im Internet für 2500 bis 3000 Franken pro Person gesehen haben. Aber ich denke im Moment sind die Leute auch bereit, so viel Geld für einen Flug zu bezahlen, wenn sie dafür sicher nach Hause kommen.»

Bei Swiss und Edelweiss vorläufig keine Rückführungsflüge

Travelnews hat bei Swiss sowie Edelweiss nachgefragt, wie es denn aussieht hinsichtlich Rückführungsflügen.

Swiss-Sprecher Florian Flämig erklärt: «Bisher ist keine Anfrage für Repatriierungsflüge bei Swiss eingetroffen. Wenn wir eine solche erhalten, werden wir diese wohlwollend prüfen. Ergänzend dazu die Information, dass wir am Montag einen regulären Swiss-Linienflug ohne Passagiere nach Marrakesch durchgeführt haben, um Fluggäste zurück in die Schweiz zu holen. Weitere solche Flüge auf unserem Streckennetz sind möglich.»

Allerdings ist Swiss vorläufig mit weiteren Streichungen beschäftigt. Ab heute Mittwoch wird Swiss den Flugbetrieb auf noch rund 20 Prozent des ursprünglichen Angebots reduzieren und die Flugzeiten einzelner Flüge anpassen, um weiterhin möglichst gute Umsteigeverbindungen am Drehkreuz Zürich zu gewährleisten. «Als Airline der Schweiz ist es uns in dieser aussergewöhnlichen Situation wichtig, Verantwortung zu übernehmen und trotz zunehmend schwieriger Rahmenbedingungen die Anbindung der Schweiz an die Welt zu sichern», so Flämig. Ein Teil der A320-Flotte wird derweil am alten Militärflughafen von Dübendorf parkiert - ein Schmaus für Planespotter. Aber bitte denkt dran: Keine Menschenversammlungen!

Und wie sieht es bei Edelweiss aus? Diese hatte bereits zuvor signalisiert, dass sie für Rückführungsflüge zu haben wäre. Auch da scheinen noch keine Anfragen vorhanden zu sein. «Edelweiss führt normale publizierte Linienflüge durch», sagt Sprecher Andreas Meier, «so werden zum Beispiel Destinationen in Ägypten, auf den Kanarischen Inseln, in Marokko, Mauritius oder Sri Lanka und weitere nach wie vor bedient. Je nach regulatorischen Vorgaben der Zieldestination fliegen wir auch nur Passagiere in die Schweiz zurück. Die Flüge sind über die üblichen Kanäle buchbar.» Dies ist allerdings nur eine Momentaufnahme - beispielsweise wird ja Ägypten am morgigen 19. März den Flugverkehr komplett einstellen, wie in unserer Übersicht ersichtlich ist.

Meier empfiehlt, regelmässig die Edelweiss-Website zu besuchen und sich über den aktuellen Stand der Flüge zu informieren. Hier gibt es spezielle Landingpages:

Voraussichtlich geplante Flüge in den nächsten 14 Tagen

Annullierte Flüge in den nächsten 14 Tagen

Alle Informationen zur aktuellen Situation

Dass der Bund Sonderflüge organisiert wie es beispielweise Deutschland macht, scheint aktuell also nicht der Fall zu sein. In der Bundesrats-Pressekonferenz vom Montag wurde ja klar darauf hingewiesen, dass die Kosten für Rückreisen von den Reisenden selbst getragen werden müssen. Jetzt einfach abwarten und hoffen, dass der Bundesrat doch noch Sonderflüge organisiert, ist wohl riskant, zumal die Flugkapazitäten immer weiter verringert werden. «Die Leute wollen nun die Sicherheit haben, dass sie zurück in die Schweiz reisen können», sagt etwa Jasmin Willi. Mittels Rückführungsflügen wird es bislang wohl noch nicht geschehen. Die schätzungsweise bis zu 30'000 im Ausland befindlichen Schweizer müssen sich anders behelfen.


Das sagt die Stiftung Konsumentenschutz der Schweiz

Angesprochen auf das Problem von Wucherpreisen bei knapper werdenden Flügen erklärt Cécile Thomi, Leiterin Recht bei der Stiftung Konsumentenschutz der Schweiz: «Es kann nicht sein, dass sich Anbieter in dieser Situation auf Kosten der Konsumenten mit Wucherpreisen eine goldene Nase verdienen, egal in welchem Bereich – sei es mit dem Verkauf von völlig überteuerten Atemschutzmasken oder dem Ausnutzen von Notsituationen von Reisenden. Jetzt komplett überhöhte Preise zu verlangen ist nicht nur ein Vertrauensbruch der zum Teil langjährigen Kundschaft gegenüber, sondern kann auch rechtlich relevant werden. Zum Beispiel als Verstoss gegen das Lauterkeitsrecht oder sogar als erfüllter Straftatbestand (z.B. Wucher).

Gibt es keine Ausweichmöglichkeit auf einen anderen, günstigeren Flug, dann muss der Reisende leider wohl oder übel in den sauren Apfel beissen. Wir raten aber, sich nach der Rückkehr an die Airline zu wenden und von der Airline eine Preisrückerstattung zu verlangen. Allenfalls kann der Airline die Möglichkeit gegeben werden, auf andere Art und Weise «Wiedergutmachung» zu leisten (z.B. mit einem Gutschriftsbetrag, der bei einer nächsten Buchung an die Zahlung angerechnet werden kann).

Oberstes Anliegen muss jedoch sein, dass es gar nicht erst zu Wucherpreisen kommt. Hier ist das BAZL gefordert. In der momentanen Ausnahmesituation gehört es zu seinen Aufsichts- und Kontrollaufgaben, unlauterem Verhalten von Airlines frühzeitig den Riegel zu schieben.    

Wie in allen Fragestellungen kann es unter Umständen auch in diesem Zusammenhang hilfreich sein, sich bei der Schweizer Vertretung im entsprechenden Land zu erkundigen. Allenfalls hat diese eine Vereinbarung mit einer bestimmten Fluggesellschaft, wodurch Kostenfallen beim individuellen Buchen wegfallen würden.»