Flug

Rickard Gustafson, der CEO von SAS, zieht die Notbremse - nicht als einziger. Bild: Scandinavian Airlines System

«Die Nachfrage ist praktisch inexistent»

Stillstand herrscht: Immer mehr Airlines setzen ihre Flüge komplett aus. Per Ende Mai könnten zahlreiche Airlines faktisch bankrott sein. [Update Montag, 16.03., 12.30 Uhr]

[Update von Montag, 16. März, 12.30 Uhr]

«Die Flugnachfrage ist praktisch inexistent» - dies sagt Rickard Gustafson, CEO von Scandinavian Airlines (SAS) in einem am Sonntag (15. März) publizierten Video auf den Social-Media-Kanälen der Airline. Basierend darauf hat SAS ab heute Montag mit wenigen Ausnahmen den gesamten Flugbetrieb suspendiert, «bis die notwendigen Bedingungen für einen kommerziellen Flugbetrieb wieder vorhanden sind». Eine Übersicht über die annullierten Flüge bietet eine spezielle Landingpage auf der SAS-Website; darauf ersichtlich ist, dass beispielsweise heute die Route Zürich-Kopenhagen v.v. kurzfristig annulliert ist. Ein paar Flüge bleiben aktiv, primär, um Skandinavier nach Hause zu holen. Die Massnahme bedeutet zudem, dass rund 10'000 SAS-Angestellte - also rund 90 Prozent der Belegschaft - bis auf Weiteres beurlaubt sind.

SAS ist nicht die erste Airline, die dies umsetzt. LOT Polish Airlines hatte bereits tags zuvor eine komplette Betriebseinstellung angeordnet. Bereits am Wochenende sind ihr nebst der SAS auch noch Czech Airlines (CSA/Smartwings), SunExpress, Air Baltic und Lauda gefolgt, wie deren Websites zu entnehmen ist. Der Betrieb ist jeweils bis Ende März ausgesetzt. Air Baltic muss 250 der total 1600 Angestellten beurlauben, primär fliegendes Personal. Doch es gibt inzwischen noch einige andere:

Finnair geht aktuell, vom 16. März bis 30. Juni, in einen reduzierten Flugplan über. Bis zum 1. April wird «die Mehrheit der Flüge» annulliert, wie es auf der Finnair-Website heisst. Kunden wird empfohlen, sich online oder bei der Buchungsstelle über den aktuellen Flugplan zu informieren. Bereits gebuchte Kunden werden im Fall einer Annullierung per SMS/Mail informiert.

Inzwischen ist auch klar, dass American Airlines ihre täglichen Flüge zwischen Zürich und Philadelphia wegen dem faktischen USA-Einreiseverbot eingestellt hat. Dies ist gültig seit dem 13. März und bis mindestens zum 7. Mai. Auch die Flüge nach Amsterdam, Frankfurt, München und Madrid sind eingestellt, ebenso zahlreiche Domestic-Strecken. Insgesamt könnte die Kapazität im März/April um bis zu 75 Prozent heruntergefahren werden.

Delta Air Lines hat einzelne Routenstreichungen bekannt gegeben; heute fliegt die Airline planmässig von Zürich nach New York. Danach verschwinden die Flüge jedoch aus dem Flugplan. Die USA werden, so wie es aussieht, dann nur noch ab/via Amsterdam - dem Hub von Partner KLM - angeflogen.

United wird die Kapazität im April und Mai um rund 50 Prozent reduzieren und «Salärkürzungen vornehmen».

Air New Zealand reduziert ihr Langstreckennetzwerk in den kommenden Monaten um bis zu 85 Prozent; es werden noch Flüge durchgeführt, um Neuseeländer nach Hause zu holen und Wirtschaftskorridore zwischen Asien und Nordamerika soweit möglich und nötig offen zu halten. Vom 30. März bis 30. Juni sind die Flüge zwischen Auckland und Chicago, San Francisco, Houston, Buenos Aires, Vancouver, Tokyo Narita, Honolulu, Denpasar sowie Taipeh suspendiert. Die aus Schweizer Sicht wichtige Route London–Los Angeles wird bereits ab dem 21. März und bis 30. Juni sistiert.

Bei Norwegian, British Airways und Ryanair stehen Massen-Beurlaubungen im Raum, wie aus inzwischen öffentlich gemachten internen Memos hervorgeht. Die Muttergesellschaft von British Airways/Iberia/Aer Lingus, die IAG, hat inzwischen auch angekündigt, dass im März und April die Kapazität um bis zu 75 Prozent heruntergefahren wird. Auch da ist die Rede von einem Coronavirus- und somit Reisebeschränkungs-bedingten «signifikanten Nachfragerückgang». Auch Qantas muss weiter Kapazitäten kürzen, nachdem auch Australien den internationalen Verkehr einschränkt. Aeroflot fliegt von Moskau bis auf Weiteres in der Schweiz nur noch Genf an, darüber hinaus noch Amsterdam, Athen, Belgrad, Berlin, Brüssel, Budapest, Bukarest, Dublin, Helsinki, Larnaka, Lissabon, Ljubljana, London, Madrid, Paris, Riga, Rom, Sofia, Stockholm, Tivat und Zagreb.

Und auch Easyjet meldet, ohne nähere Präzisierung, «erhebliche Flugstreichungen» und fügt in einer Mitteilung noch an: «Diese Massnahmen werden in absehbarer Zukunft fortlaufend weitergeführt und könnten darin resultieren, dass ein Grossteil der easyJet-Flotte am Boden bleibt. Wenn möglich wird easyJet weiterhin Rettungsflüge über kurze Zeiträume durchführen, um Kunden in ihre Heimat zurückzubringen. Um die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern, ergreifen wir alle Massnahmen, um Kosten sowie unkritische Ausgaben aus allen Geschäftsbereichen zu entfernen. Flugverbote und die Stilllegung von Flugzeugen werden ein erhebliches Mass an variablen Kosten entfernen. easyJet weist mit einem Kassenbestand von 1,6 Mrd. £, einer nicht in Anspruch genommenen revolvierenden Kreditfazilität von 500 Mio. $, unbelasteten Flugzeugen im Wert von mehr als 4 Mrd. £ und einem grossen und wertvollen Slot-Portfolio weiterhin eine starke Bilanz auf. easyJet hat bis zum Jahr 2022 keine fälligen Umschuldungen und befindet sich in laufenden Gesprächen mit Liquiditätsanbietern, die um unsere starke Bilanz und unser Geschäftsmodell wissen.

Warnung der CAPA

Das renommierte Centre for Aviation (CAPA) orakelt heute (16. März), dass per Ende Mai die meisten Airlines weltweit technisch bankrott sein dürften, wenn dies nicht schon der Fall ist. Der Nachfragerückgang wegen dem Coronavirus ist immens, einerseits wegen einer Angst, dass im Flugzeug kein «social distancing» möglich ist, andererseits wegen strengen Reiserestriktionen weltweit. Während Flotten weltweit gegroundet werden - siehe oben - werden die Cash-Reserven schnell aufgebraucht. Buchungen für künftige Flüge sind deutlich tiefer als Annullierungen. Die Nachfrage ist in einem nie dagewesenen Ausmass eingebrochen.

Es sei an der Zeit für Hilfe von Regierungsseite. Solche hat Swiss-CEO Thomas Klühr via Sonntagsmedien bereits angefordert. Denn es gibt keine Garantie dafür, dass die europäischen Fluggesellschaften einen möglicherweise langfristigen Reisestopp und die Risiken einer langsamen wirtschaftlichen Erholung überleben werden.

(JCR)