Flug

Macht es Sinn, über eine längere Zeit mit fast leeren Flugzeugen herumzufliegen? Eher nicht. Aber solange die aktuelle Slotregelung gilt, wird es so bleiben. Bild: Timothy K.

Viele Airlines fliegen aktuell fast passagierlos herum

Die geltende Slotregelung zwingt Fluggesellschaften, auch in Zeiten drastisch reduzierter Nachfrage zu fliegen. Das verursacht unnötige Kosten und Umweltverschmutzung. Es ist wahrscheinlich, dass die Slotregelung bald gelockert wird. Es wäre nicht das erste Mal.

Das genaue Ausmass des Coronavirus-Nachfrageinbruchs bei Fluggesellschaften ist nicht bekannt. Er muss aber gewaltig sein, wenn auch bei Luftfahrtgiganten wie der Lufthansa Group temporär von einer Reduktion des Angebots um bis zu 50 Prozent die Rede ist.

Inmitten dieser beispiellosen Krise fliegen aber immer noch sehr viele Airlines ihren Flugplan fast normal ab. Was dazu führt, dass teils halbleer oder gar ganz leer geflogen wird. Absurd? Leider nein, denn es gibt in Europa eine Slotregelung, welche besagt, dass eine Fluggesellschaft 80 Prozent der ihr zugewiesenen Zeitfenster (Slots) für einen Start nutzen muss. Ist dies nicht der Fall, wird der Slot entzogen. Nun sind Slots etwas vom Wertvollsten in der Luftfahrt. Da nehmen es Airlines in Kauf, Geld für leere Flüge auszugeben, aus Angst davor, wertvolle Slots an die Konkurrenz zu verlieren. Virgin Atlantic beispielsweise hat gegenüber der «BBC» eingeräumt, dass viele Flüge ab London praktisch leer sind - aber gute Slots in London kosten Millionen, weshalb man dies aktuell hinnimmt.

Auf das Problem machten Airline-Manager wie auch der Weltluftfahrtverband IATA bereits letzte Woche aufmerksam. Auch der britische Transportminister Grant Shapps wurde bei der EU-Kommission vorstellig und erklärte, dass die aktuelle Slotregelung für Airlines und auch die Umwelt negativ sei. Auch die Schweiz ist übrigens dieser EU-Regelung unterstellt, so dass sich inzwischen auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) öffentlich für eine zumindest temporäre Änderung der Slot-Regelung ausgesprochen hat. Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass dies geschieht: Die Slotregeln wurden auch schon bei den letzten vergleichbaren grösseren Krisen flexibilisiert, also im Jahr 2002 nach 9/11, im Jahr 2003 während der SARS-Krise, und zuletzt 2009 während der Finanzkrise.

Aktuell befindet sich die Luftfahrtbranche (wie auch der Tourismus bzw. die Wirtschaft allgemein) wieder in einer vergleichbaren wenn nicht gar noch grösseren Krisensituation. Doch die Mühlen der EU mahlen langsam. Gegenüber dem Datenanalyse-Unternehmen Cilium sagte ein Sprecher der EU-Kommission, dass man zunächst sämtliche Daten der Coronavirus-Einflüsse auf die Luftfahrtindustrie analysiere und in einem Entschlussfassungsprozess sei, bei welchem auch eine Revision der Slotregelung diskutiert werde. Im Fall der Flüge von und nach China, dem Epizentrum der Coronavirus-Krise, hatten die EU-Slotkoordinatoren den Airlines bereits das Recht eingeräumt, sich auf «Höhere Gewalt» zu berufen und durch das Aussetzen der Flüge die Slotrechte nicht zu verlieren. Eine direkte finanzielle Unterstützung schliesst die EU-Kommission übrigens aus; dies sei Sache der einzelnen Länder. Wobei solche Unterstützungen von Seiten der grossen Aviatikplayer nicht befürwortet werden - nun ist es möglich, dass es zur grossen «Bereinigung» (sprich: Konsolidierung) der europäischen Luftfahrt kommt.

(JCR)