Flug

Viele sitzen schon, ebenso viele müssen noch nach ganz hinten - geht das nicht anders? Bild: Chris Brignola

Kommentar Privilegienverzicht könnte das Boarding menschenwürdig machen

Jean-Claude Raemy

Boarding-Prozeduren variieren von einer Airline zur anderen. Wieso gibt es nicht eine vernünftige Prozedur, welche für alle funktioniert? Wir haben da einen Vorschlag.

Am 7. November lancierte Swiss an gewissen Destinationen eine neue Boardingprozedur namens «Wilma», was für «Window-Middle-Aisle» steht. Eine kurze Nachfrage bei Swiss hat ergeben, das das neue Boardingverfahren - bei Swiss offiziell «Boarding by Groups» genannt - an den betroffenen europäischen Destinationen problemlos eingeführt wurde. Für ein detailliertes Zwischenfazit sei es aber noch zu früh.

Bei Travelnews bricht die Diskussion jedenfalls nicht ab. Ist es wirklich sinnvoll, in Gruppen (1-5) einzusteigen? Was ist, wenn ich mit meinem neunjährigen Kind reise und dieses den Mittelsitz hat und ich den Fensterplatz - muss ich es dann am Gate zurücklassen, während ich boarde, und warten, bis es nachzieht? Und überhaupt: Warum ist die Boardingprozedur bei gefühlt jeder Airline anders?

Offenbar hat es noch keine Airline wirklich geschafft, diesen mitunter stressigsten Teil der Flugreise zufriedenstellend zu lösen. Es gibt unterschiedliche Formen von Pre-Boarding, unterschiedliche Anzahlen und Zusammensetzungen von Gruppen, mal wird von vorne nach hinten, mal von hinten nach vorne gebucht, manche bezahlen für früheres Boarding, manchmal gilt «first come first seated». Wobei es den meisten Passagieren weniger um den Sitz als vielmehr um den Platz in der Gepäckablage geht: Seit das Mitnehmen von Koffern kostenpflichtig ist, haben die Handgepäck-Trolleys massiv an Umfang und auch in der Menge zugelegt und im Flugzeug gleicht das Gepäckverstauen manchmal einem olympischen Ringkampf.

Schluss mit Privilegien

Nun bin ich ja nicht für operative Prozesse in Flugzeugen zuständig und verstehe davon vielleicht auch ganz wenig - aber immer hin fliege ich recht oft. Und eigentlich gibt es aus meiner Sicht doch nur eine sinnvolle Art, eine Röhre staufrei zu befüllen: Indem man hinten anfängt. Damit können die hinten sitzenden Personen in Ruhe ihr Gepäck einladen, ohne dabei jemandem im Weg zu stehen. Aber eben: Die hintersten Plätze sind ja nicht die begehrtesten und teuersten, und deshalb kaum je mit Privilegien versehen.

Frage: Wieso müssen Business- und sonstige Status-Passagiere immer zuerst einsteigen dürfen? Zumindest in Flugzeugen, wo die Premium-Klassen nicht anderswo situiert sind und somit richtungsgetrennt geboardet werden kann, führt dies doch nur dazu, dass diese Business-Passagiere den weiteren Passagieren erst einmal im Weg stehen. Und ja, sie dürfen ja jederzeit boarden, also kommt immer mal wieder ein Business-Passagier und verstopft dann wieder den Gang. Dabei hätte dieser doch in der Lounge warten und seinen Champagner schlürfen können und wäre dann am Ende, wenn das Gemeinvolk schon sitzt, mit einer «Grande Entrée» statusgerecht ins Flugzeug stolziert, von mir aus von Fanfarenmusik begleitet. Denn die Gepäckablageflächen in Business werden sicherlich geschützt vor den Verstauungswütigen aus den hinteren Reihen, so dass er überhaupt nicht hetzen muss mit dem Boarding - und den Champagner hat er ja schon in der Lounge bekommen. Nicht zuletzt entsteht durch das Schluss-Boarding der Premium-Kunden auch niemals der Eindruck, dass «die Reichen den Armen im Weg stehen»...

Ist es wirklich ein derart schützenswertes Privileg, zuerst an Bord eines Transportmittels zu sitzen, welches ohnehin nur dann abfliegen kann, wenn alle an Bord sind? Wir finden, es sind noch nicht alle Möglichkeiten beim Boarding ausgeschöpft. Wobei eben für die perfekte Boardingprozedur auch Faktoren wie Staufläche, Gepäckkosten, Verdienstmöglichkeiten der Airline durch Privilegien-Vergabe sowie notorische Unpünktlichkeit vieler Passagiere ihre Rolle spielen.

Was ist aus Ihrer Sicht die optimalste Boarding-Variante? Schreiben Sie uns Ihre Meinung.