Flug

Von Neuseeland direkt an die US-Ostküste: Das gibt auf diesem Sitzplatz zwischen 15 und 18 Stunden Blick auf die Flügelbemalung von Air New Zealand (wobei auf dem Bild kein Dreamliner zu sehen ist). Bild: James Coleman

Keine Frage der Technik, sondern des Körpers

Während Qantas um die Route Sydney-New York viel medizinisches Brimborium macht, lanciert Air New Zealand ganz konkret die lediglich eine Stunde kürzer dauernde Strecke Auckland-New York. Im Raum steht immer mehr die Frage, wie viel Flug den Passagieren zugemutet werden kann.

Vor wenigen Tagen schaffte die australische Fluggesellschaft Qantas einen grossen PR-Coup: Die flog erstmals die Strecke von New York nach Sydney nonstop - allerdings waren auf dem über 19-stündigen Flug keine normalen Passagiere, dafür eine ganze Armada an Ärzten, welche die Auswirkungen eines solchen Ultralangflugs auf den menschlichen Köper studierten. Noch ist nicht entschieden, ob bzw. wann der Flug für die kommerzielle Linienbedienung freigegeben wird. Qantas rechnet damit, dass es 2022 werden könnte. Man will sichergehen, dass die Passagiere eine solche Flugzeit vertragen.

Und dann das: Der «kleine Bruder» Air New Zealand kündigt nur wenige Tage darauf die Lancierung der Route Auckland-New York (Newark) an. Und dies ganz konkret: Ab dem 29. Oktober 2020, also in genau einem Jahr, werden die beiden Städte mit drei wöchentlichen Flügen (Montag, Donnerstag, Samstag) miteinander verbunden. Die Flüge NZ1 (südwärts) bzw. NZ2 (nordwärts) werden mit einem Boeing 787-9 Dreamliner mit 275 Sitzen in drei Klassen durchgeführt. Für Air New Zealand ist es ein weiterer Flug zu einem Hub von Partner United Airlines - aus Schweizer Sicht ergibt sich somit die Möglichkeit einer Verbindung nach Neuseeland auf einer westwärts geführten Route mit nur einem Stopp. Wobei eigentlich aus europäischer Sicht die Meldung von Air New Zealand nicht besonders erfreulich ist: Die bisher stark genutzte Route London-Los Angeles-Auckland wird künftig nicht mehr bedient, weil die Flüge in Los Angeles halten und nicht nach London weitergeführt werden.

Zugegeben, die Strecke Auckland-Newark ist etwas kürzer als der Flug ab Sydney in den «Big Apple»: Nordwärts ab Auckland nach New York dauert der Flug rund 15 Stunden und 40 Minuten; auf dem Rückweg jedoch dauert der Flug 17 Stunden und 40 Minuten. Das sind weniger als zwei Stunden Unterschied zum geplanten Flug von Qantas. Es ist wird bei der Lancierung auch bei Weitem nicht der längste Flug sein, sondern nur der fünftlängste Flug der Welt; den Spitzenplatz behält Singapore Airlines mit dem Flug Singapur-New York, welcher bereits operativ ist und rund 19 Stunden dauert. Dass Qantas wegen einer nur leicht längeren Flugdauer beim geplanten Flug nun viel PR um medizinische Massnahmen macht, mutet etwas seltsam an - obwohl die Sorge um die Verträglichkeit für Passagiere natürlich angebracht und gerechtfertigt.

Fast alles ist möglich

Faszinierend am Wettkampf um den längsten Flug der Welt ist ohnehin, dass man dabei nicht mehr von technologischen Voraussetzungen spricht, sondern von Fragen der physischen Verträglichkeit. Flugzeuge können heute locker 20 Stunden in der Luft bleiben. Kann es der Mensch auch? Natürlich kann er es, direkt gefährlich ist es nicht. Es wird aber um die Frage gehen, was zumutbar ist, gerade in Economy, und wie man eine solche lange Zeit in solch begrenzten Platzverhältnissen, mit den speziellen Gegebenheiten von Kabinendruck und -luft, verträglich gestaltet. Wird man Flugzeuge mit reiner Lie-Flat-Konfiguration sehen? Wird man Platz für Leibesübungen in den Flugzeugen schaffen müssen?

Wir haben inzwischen den Punkt erreicht, an welchem fast beliebig zwei Städte der Welt in einem oder maximal zwei Flügen miteinander verbunden werden können. Dabei sind es weniger als 100 Jahre her, seit ein Swissair-Linienflug von Genf nach Amsterdam fünf Zwischenlandungen brauchte. Das schafft neue Möglichkeiten, aber eben auch neue Herausforderungen.

(JCR)