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Mangelnde Informationen und zu grosse Nähe zwischen Behörde und Flugzeugbauer sorgen für grosse Kritik - zumal dadurch Menschen und Unternehmen zu Schaden kamen. Bild: Kristina Flour

Boeing hat Informationen zurückgehalten

Ein unabhängiges Panel lässt im Zusammenhang mit der Krise um die Boeing 737MAX weder am Flugzeugbauer noch am Zertifizierungsprozess der US-Luftfahrtbehörde FAA ein gutes Haar.

Ein Panel, bestehend aus Mitgliedern von internationalen Luftfahrtregulierungs-Behörden der USA, Kanada, von China und sechs weiteren Ländern, hat in einem am 11. Oktober publizierten Report haarsträubende Vorwürfe an Boeing sowie an die FAA (Federal Aviation Authority of the U.S.A.) gerichtet. Darin wird unter anderem erklärt, Boeing habe wesentliche Informationen zur Boeing 737MAX vor Piloten und Behörden zurückgehalten - und damit, dass die FAA gar nicht über genügend Kenntnisse verfügt habe, um die Probleme zu erkennen, welche ein Flugautomatiksystem im Zusammenhang mit zwei tödlichen Abstürzen von Boeing 737MAX gehabt habe.

Im Report namens «Joint Authorities Technical Review» gibt das Panel 12 Empfehlungen ab, dank derer die FAA künftig bei der Zertifizierung von Flugzeugen effizienter arbeiten könne. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf einem erhöhten Verständnis für die viele Elektronik, mit welcher Piloten moderne Flugzeuge fliegen müssen. Im Fokus lag im Report natürlich das MCAS, welches aufgrund falscher Angaben von einem einzigen Sensor die Nasen der Flugzeuge von Lion Air und Ethiopian Airlines nach unten drückte und so ohne Verschuldung der Piloten zum Tod von insgesamt 346 Menschen führte. Das grundlegende Problem: Während dem Zertifizierungsprozess wurde das MCAS von Boeing teilweise modifiziert, ohne dass jedoch involvierte FAA-Experten jederzeit darüber in Kenntnis gesetzt wurden. Hätten die FAA-Mitarbeitenden mehr über die Funktionsweise des MCAS gewusst, hätten sie möglicherweise auch die davon ausgehende Gefahr erkennen können. In US-Medien wird Christopher Hart (ehem. Chairman des National Transportation Safety Board) folgendermassen zitiert: «MCAS entwickelte sich von einem guten zu einem potenziell gefährlichen System, ohne Kenntnis der FAA. Dies lag primär an mangelnder Kommunikation; ein absichtliches widerrechtliches Verhalten lässt sich aber nicht feststellen.»

Die Boeing B737MAX ist seit März 2019 weltweit gegroundet. Der über fünf Monate erarbeitete Report lief unabhängig von den Untersuchungen der FAA, welche über eine Wieder-Zertifizierung des Flugzeugtyps entscheiden muss, sobald alle Updates an Computern und Software durchgeführt sind. Boeing hofft, noch vor Ende 2019 die Zertifizierung zu erhalten; bislang haben sich aber mehrere diesbezügliche Boeing-Prognosen als falsch erwiesen.

Die FAA hat bereits verlauten lassen, dass sie die Empfehlungen des Panels begutachten und falls nötig Anpassungen vornehmen werde. Boeing ihrerseits hat angekündigt, dass mit der FAA an der Optimierung der Zertifizierungsprozesse gearbeitet werde. Der Report bestätigte die bereits zuvor angebrachte Kritik, dass ein Zertifizierungsprozess, bei welchem die FAA Angestellte des Flugzeugbauers einzelne Teile und Systeme zertifizieren liess, kaum glaubwürdig sein könne. Überdies wurde auch nachgewiesen, dass Boeing Druck auf Mitarbeitende der Zertifizierungsteams ausgeübt habe.

Sobald die B737MAX wieder zertifiziert ist, dauert es nochmals 1-2 Monate, ehe die Airlines damit wieder Flüge anbieten können. Fluggesellschaften wie American Airlines, Southwest oder United haben die B737Max vorsichtshalber schon mal bis Januar aus den Flugplänen gelassen. Die Frage verbleibt, ob nach der FAA auch europäische oder asiatische Luftfahrtbehörden den Flugzeugtyp für kommerzielle Flüge freigeben. Dort könnten sich nochmals Verzögerungen ergeben. Die Probleme für Boeing sind beileibe noch nicht aus der Welt geschafft - ein Umstand, welcher dazu geführt hat, dass Boeing-CEO Dennis Muilenburg letzte Woche von seiner Doppelfunktion als CEO und Chairman befreit wurde, indem er nämlich das Chairman-Amt abgeben musste.

(JCR)