Flug

Die Portfolioentwicklung von Langstreckenzielen hängt von vielen Faktoren ab: Michael Trestl, Head of Network Mangement bei der Swiss, im Gespräch mit Aviatikjournalisten. Bilder: TN

Wie es zu Osaka und Washington kam

Gregor Waser

Im einem Hintergrundgespräch gibt Michael Trestl, Head of Network Management, interessante Einblicke in die Langstrecken-Planung der Swiss.

Ab dem 1. März 2020 wird die Swiss neu Osaka und ab dem 29. März 2020 neu Washington anfliegen. Doch wie kam es zur Wahl dieser und nicht anderer Destinationen? In einem Gespräch mit Aviatikjournalisten hat Michael Trestl, Head of Network Management der Swiss, interessante Einblicke in die Netzwerkplanung gegeben.

Der gebürtige Österreicher, der zuvor schon bei der Austrian Airlines und Edelweiss gearbeitet hat, erläutert den komplexen Vorgang der Neuaufnahme einer Langstrecken-Destination und nennt die unterschiedlichen Überlegungen und Abwägungen.

Die Swiss habe ihre Investitionsfähigkeit bewiesen, schickt er voraus. Dies habe zum Entscheid geführt, weitere zwei Boeing-777 in die Flotte zu holen. Ab nächstem Frühling werden die beiden neuen Langstrecken-Flugzeuge zum Einsatz kommen und direkt über 300 neue Arbeitsplätze auslösen. Die Frage, ob denn bei der Beschaffung der Flugzeuge noch nicht klar war, wohin diese eines Tages fliegen würden, bejaht er.

«Wo gibt es neue Möglichkeiten? Wo sind wir noch nicht ideal positioniert?»

«Wo sehen wir Potenzial, welches sind die Entwicklungen der Zukunft?» seien Überlegungen bei einer Destinationswahl. Gleichzeitig unterstreicht er die Bedeutung der gesamten Lufthansa-Gruppe und der vier Hubs. Ob die Swiss zusammen mit Edelweiss und 35 Langstrecken-Maschinen gegen Mitbewerber antrete oder die gesamte LH-Gruppe mit bis zu 300 Maschinen, sei ein riesiger Unterschied. «Wenn wir nun ab Frankfurt, Zürich und München je einen Boston-Flug anbieten, versuchen wir diesen komplementär einzusetzen», skizziert Trestl hierzu ein Beispiel. Die Portfolio-Entwicklung sei Hub-übergreifend und werde sehr eng mit den Kollegen aus Frankfurt, München und Wien entwickelt.

«Wo können wir auf dem bestehenden Portfolio optimieren? Wo etwa ein anderes Fluggerät einsetzen?», schildert er weitere Punkte, «wo gibt es neue Möglichkeiten? Wo sind wir noch nicht ideal positioniert? Wo sind die Wachstumsmärkte, die wir noch nicht so angebunden haben, wie wir sie gerne anbinden würden?»

Die einzelnen Grossregionen, ob Nordamerika, Südamerika, Afrika oder Asien würden beurteilt, heruntergebrochen auf einzelne Destination. Gleichzeitig laufe eine Potenzialeinschätzung und am Ende des Tages resultiere eine Einschätzung zum wirtschaftlichen Risiko: welches sind die erwarteten Benefits, wie ist die Wettbewerbssituation, wie hoch sind die Kosten? Wie wettbewerbsfähig ist man gegenüber jenen Marktteilnehmern, denen man gegenübersteht? Gibt es allenfalls Partner, die einem unterstützen können, eventuell im Rahmen eines Joint-Ventures?

Wir gross ist das wirtschaftliche Risiko bei der Neuaufnahme einer Langstrecke? Passt die Hub-Struktur, gibt es Slots?

Es gehe auch um strategische Marktinvestitionen. Selbst wenn in einen ersten Schritt die Wirtschaftlichkeit noch nicht herausragend sein sollte, stehe die Frage im Raum: glauben wir an das Marktwachstum an der Destination, dass sich diese in zwei, drei oder fünf Jahren als erfolgreich erweisen könne? «In vielen emerging markets wachsen wir mit Edelweiss. Sie ist flexibler in ihrer Aufstellung. Wir haben einige Märkte in Zentral- und Südamerika oder Asien, die sich über die Jahre vielleicht dorthin entwickeln, dass man diese dann mit einem anderen Konzept zum Beispiel täglich, mit einem grösseren Premium-Angebot bedienen kann.»

«Wir haben auch einen regelmässigen Austausch mit Switzerland Global Enterprise. Die Wirtschaftsförderungs-Institution ortet das Wachstumspotenzial der Schweizer Wirtschaft in einzelnen Ländern.» So komme es zu einer Portfolio-Entwicklung. «Für Washington und Osaka wie auch andere Destinationen wurden diese Szenarien und Einschätzungen ausgearbeitet.»

Wieso kam die Neuaufnahme von Seoul nicht zustande?

Auch die Frage, von wo kommen die Umsteigeströme hinzu, würden ebenso betrachtet. Bei der Feinoptimierung der Operationalisierung gehe es dann darum, diese in die Hubstruktur einzubinden, so dass die Zubringer attraktiv seien und die operationelle Stabilität gewährleistet ist. Bei der konkreten Umsetzung – in der Phase von acht bis zwölf Monaten vor einem Start einer neuen Destination – gehe es dann auch noch darum, weitere, vielschichtige Herausforderungen zu meistern.

Auf die Zwischenfrage aus dem Publikum, ob es denn stimme, dass bei der Evaluation eines asiatischen Zieles auch Seoul zur Debatte gestanden sei, und wieso es denn nicht dazu gekommen sei, schildert Trestl diese vielschichtigen Herausforderungen, die es weiter zu berücksichtigen gelte und er nennt die Punkte Luftverkehrsabkommen, Verkehrsrechte, Slots, unternehmensrechtliche Anforderungen, Personalanforderungen Crew, Training, Sprache und Dokumentation. Welcher Punkt im Fall von Seoul nicht gepasst hat, gibt Trestl nicht preis.

Die neuen 777 (340 Plätze) werden für Zürich-Miami und Zürich-Tokio eingesetzt, die freigewordenen A330 (236 Plätze) für die neuen Strecken nach Washington und Osaka.

Als ausschlaggebende Faktoren bei der Neuaufnahme von Washington habe die grosse Nachfrage im Premiumsegment gesprochen, die Anschlussmöglichkeiten an den gesamten nordamerikanischen Markt wie auch der Hub des Joint-Venture-Partners United Airlines. Im Fall von Osaka verweist Trestl auf die wachsende wirtschaftliche Beziehung zwischen der Schweiz und Japan, die premiumorientierte Passagierstruktur wie auch die Ergänzung des täglichen Tokio/Narita-Services und mögliche Kombinationen der Reiseroute.

Treffend konnte Michael Trestl jedenfalls die Herausforderungen den Aviatikexperten gegenüber ausführen, wie viele komplexe Schritte für die Swiss notwendig sind, um eine Langstrecken-Destination zu etablieren.