Flug

Ein A330-300 von Virgin Atlantic am Flughafen London-Heathrow: Die zweitgrösste britische Airline will Platzhirsch British Airways künftig auf zahlreichen Monopolstrecken konkurrenzieren. Bild: JCR

Virgin Atlantic will nach Zürich, Genf und Basel fliegen

Jean-Claude Raemy

Im Sog der Eröffnung des 3. Runways in London-Heathrow hat Virgin Atlantic eine beispiellose Expansion angekündigt. Zu den geplanten neuen Flugzielen gehören gleich alle drei grossen Schweizer Flughäfen.

Der aktuell grösste europäische Flughafen London-Heathrow wird 2026 - sofern die Planung eingehalten wird - einen dritten Runway in Betrieb nehmen. Damit können dann 350 neue Start- und Landerechte (Slots) vergeben werden, um welche schon jetzt hart gekämpft wird.

British Airways verfügt aktuell über 55 Prozent aller Slots in London-Heathrow; keine andere Airline hält mehr als 5 Prozent der verbleibenden Slots. Die britische Konkurrentin Virgin Atlantic will indes 150 der neu vergebenen Slots für sich sichern, um gegen British Airways besser anzukommen. Insbesondere will sie British Airways auf deren Monopolstrecken attackieren können - ein Vorhaben, welches für Wettbewerb und damit bessere Preise sorgen soll.

Aus diesem Grund hat Virgin Atlantic genau detailliert, was mit den Slots vorgesehen wäre. Es wurden hierzu gleich zwei neue Flugdestinations-Übersichtskarten kreiert: Aus den aktuell gerade mal 19 angeflogenen Destinationen sollen neu 103 werden, also happige 84 Destinationen zum Flugplan addiert werden. Von den neuen Zielen wären 12 Domestic-Ziele in Grossbritannien, 37 europäische Routen und 35 neue interkontinentale Routen. Bislang ist Virgin Atlantic in Europa nur in Heathrow präsent, von wo aus 19 Interkontinental-Ziele angeboten werden. Sollten sich die Pläne also realisieren, würde Virgin Atlantic zu einem Player im innereuropäischen Flugmarkt werden.

Nachfolgend die von Virgin Atlantic vorgelegten Pläne:

Aus Schweizer Sicht interessant: Offenbar will Virgin Atlantic gleich alle drei grossen Flughäfen (Zürich, Basel und Genf) anfliegen. Insbesondere Basel wird dabei hervorgehoben: Auf der Route Heathrow-Basel könnte damit ein Monopol der IAG Group, dem Mutterkonzern von British Airways, durchbrochen werden. Insgesamt würden mit dem aktuellen Vorschlag auf 25 bisherigen Monopolstrecken der IAG Group neue Konkurrenz geschaffen.

Und genau das ist es, was Shai Weiss (CEO Virgin Atlantic) will: Mehr Auswahl für Konsumenten. In der Mitteilung zu den Expansionsplänen schreibt er wörtlich: «Noch nie war der Bedarf für Wettbewerb und freie Wahl am Flughafen Heathrow so deutlich wie in diesem von zahlreichen Flugausfällen gekennzeichneten Sommer, welcher für Zehntausende Flugpassagiere Probleme mit sich brachte. [...] Flugpassagiere müssen Alternativen haben und Virgin Atlantic ist bereit, in die Bresche zu springen. Heathrow wurde zu lange von einer einzigen Airline dominiert. Mit dem dritten Runway kann der Status Quo geändert werden und ein echter zweiter ‹Flag Carrier› in Grossbritannien entstehen.»

Wie stehen die Chancen für das Vorhaben von Virgin Atlantic?

Natürlich muss man sich nun fragen, wie ernst es Virgin Atlantic meint. Es geht um Slots, die frühestens ab 2026 verfügbar sind, und eine Vervierfachung des aktuellen Flugplans bringt zahlreiche logistische Probleme mit sich. Zum einen müsste Virgin Atlantic gleich mal die eigene Flotte massiv erweitern, um schon nur den geplanten Europaverkehr zu bewältigen. Immerhin: Virgin Atlantic hat in diesem Monat bereits den brandneuen Airbus A350 in Betrieb genommen und zuvor angekündigt, dass 14 A330-900neo bis 2024 erhalten werden.

Obwohl die Präsentation natürlich zu grossen Teilen «Lobby-Speak» ist, sind die Pläne von Virgin Atlantic doch ernst gemeint. Hier winkt die einmalige Chance, den Abstand zu British Airways zu verringern. Dazu muss diese auf diversen Strecken direkt angegriffen werden. Aktuell, mit den ganzen Problemen rund um Streiks, scheint British Airways auch besser angreifbar zu sein als früher. Allerdings ist vieles noch unklar: Wie würde beispielsweise nach Auckland geflogen? Mit welchen Flugzeugtypen würde zu Zielen wie Zürich oder Basel geflogen, und gäbe es dort überhaupt freie Slots? Und wie könnte man überhaupt die Slots in Heathrow bezahlen? Virgin Atlantic wird diese kaum gratis erhalten, selbst wenn sich Grossbritannien einen inländischen Konkurrenten zu British Airways wünschen sollte.

Das grösste Fragezeichen ist jedoch noch nicht einmal, ob Virgin Atlantic die Expansion, wie auch immer diese letztlich aussehen wird, schaffen kann. Die grösste Frage ist, ob der dritte Runway wirklich Tatsache wird. Unbestritten ist, dass Heathrow aktuell seine Kapazitätsgrenzen erreicht, weshalb der dritte Runway bereits seit 2016 gebilligt und geplant ist - und danach eine weitere schrittweise Expansion, bis zu einer Kapazität von 150 Millionen Passagieren im Jahr 2050. Allein der dritte Runway könnte 700 zusätzliche Flüge pro Tag nach London generieren. Aber genau da setzt auch die Kritik ein: Umweltschützer und Anwohner wollen den dritten Runway verhindern und verweisen unter anderem auf die Klimaziele 2050. Mit Rekursen wird der Bau hinausgezögert. Last but not least ist aber auch British Airways selber gegen den dritten Runway - natürlich, weil ihre aktuelle Dominanz in Heathrow auch weitgehende Preishoheit gewährt und der dritte Runway das Risiko zusätzlicher bzw. gestärkter Wettbewerber wie Virgin Atlantic deutlich erhöht. Letztere hat nun jedenfalls den Fehdehandschuh mit einem detaillierten Plan für die Behörden geworfen.