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Urs Ryf übernimmt die Leitung des Flughafens Bern und soll diesen zu einer modernen Mobilitätsplattform entwickeln. Bild: HO

Flughafen Bern mit neuer Strategie und neuem Chef

Gregor Waser

Die Zukunft des Flughafens Bern ist skizziert – als modernes Mobilitätszentrum. Neuer Direktor wird der bisherige Aviatik-Unternehmer Urs Ryf. Für das Jahr 2019 werden aber noch tiefrote Zahlen erwartet.

Seit dem Skywork-Grounding vom 29. August 2018 und damit dem Wegfall des Linienverkehrs stehen grosse Fragezeichen um die Zukunft des Flughafens Bern im Raum. Zahlreiche Arbeitsplätze mussten mittlerweile gestrichen werden. Im Februar verliess Direktor Matthias Gantenbein die Flughafen Bern AG (FBAG). Heute hat der Flughafen Bern nun bekanntgegeben, wie die aktuelle Situation aussieht und wie die Zukunft aussehen soll.

Bis ins Jahr 2020 gilt es für den Flughafen Bern noch eine Durststrecke zu überwinden. Nach einem Verlust in der Höhe von einer Million Franken im Jahr 2018 werden für das laufende Jahr nochmals tiefrote Zahlen erwartet. Dank strikter Kostenkontrolle, einer weiteren Personalrestrukturierung und flankierenden Massnahmen könne die Liquidität aber sichergestellt werden. Der verabschiedete Businessplan 2024 zeige, dass der reine Betrieb in allen Szenarien (best, realistic und worst) finanziert werden kann.

Bei der Skizzierung der Zukunftsszenarien hat der Verwaltungsrat der Flughafen Bern AG zwei Szenarien verworfen: jenes der Schliessung – weder Aktionäre noch die öffentliche Hand wünsche dies. Genausowenig ist der Ausbau eine Option: Die Flucht nach vorn mit der Akquisition von Billigairlines würde faktisch einen Pistenneubau bedingen – dies wäre unwirtschaftlich.

Strategieanpassung

Der Flughafen Bern will nun um die öffentliche Piste herum ein modernes Mobilitätszentrum aufbauen. Die neue Infrastrukturplattform sieht folgende Punkte vor:

  • Anbindung an Feriendestinationen durch Sommercharter
  • Anbindung an europäische Städte und mindestens eine Hub-Verbindung
  • Verkehr im öffentlichen Interesse: Regierungsflüge, diplomatischer Verkehr, Militärtransporte, BAZL-Prüfungsflüge
  • Allgemeine Luftfahrt: kommerzielle Geschäftsfliegerei und Leichtaviatik
  • Arbeitsplätze der Luftfahrtindustrie am Boden bei Touroperators, Wartungsbetrieben und flughafennahen Unternehmen
  • Digitale Mobilität: Test- und Zertifizierungsinfrastruktur für Drohnen, elektronische Flugtaxis und selbstfahrende Autos, um einen «Swiss Digital Traffic Hub» zu bilden

Öffentliche Hand

«Seit Jahren erbringen wir als Infrastrukturplattform öffentliche Leistungen, die der Region Arbeitsplätze und Steuersubstrat einbringen, rein kommerziell für den Flughafen aber zuwenig Erträge generieren», analysiert Beat Brechbühl, Verwaltungsratspräsident der FBAG. «Deshalb konnten wir in den letzten Jahren selbst in den guten Zeiten mit einem Homecarrier keine Dividende ausschütten. Mit der Aktienkapitalerhöhung im 2015 etwa haben die rund 90% privaten Aktionäre der FBAG die Renovation der öffentlichen Piste bezahlt – ohne Aussicht auf eine Verzinsung oder Rückerhalt des Kapitals, was bei Lichte besehen Mäzenatentum von Berner Unternehmerinnen für die Öffentlichkeit gewesen ist. Diese Zeiten sind vorbei – auch wenn man das bedauern mag».

Aus Sicht des Verwaltungsrats folge daraus nicht, dass zukünftig alles durch den Staat bezahlt werden soll. Der Verwaltungsrat setzt bei der Entwicklung zum Mobilitätszentrum auf ein partnerschaftliches Engagement von Privaten und der öffentlichen Hand – ein Private Public Partnership Projekt. Als rechtliches Gefäss ist die Flughafen BRN Infrastruktur AG dafür vorgesehen, eine Tochtergesellschaft der FBAG, die nun für Investoren der Immobilienentwicklung geöffnet werden soll.

«Wir kämpfen für die Zukunft des Flughafens Bern»

Auf mögliche Signale seitens der Stadt oder des Kantons angesprochen, sagt Beat Brechbühl zu travelnews.ch: «Wir stehen in intensiven Gesprächen». Ebenso beantwortet er die Frage nach der erhofften Hub-Anbindung: «Wir stehen in Kontakt mit verschiedenen Fluggesellschaften, es gibt aber noch keine Resultate – das braucht Zeit. Gespräche mit Airlines, die eine Defizitgarantie gefordert haben, haben wir wieder abgebrochen. Aber ich sehe Chancen, dass wir mit einer Lösung aufwarten können.»

Bei der Personalrestrukturierung halte sich der Abbau in Grenzen: «Dank verschiedenen sozialen und kreativen Massnahmen müssen wir nur noch 190 Stellenprozent abbauen. Künftig werden am Flughafen Bern noch rund 100 Personen arbeiten – oder 55 FTE».

An den künftigen Erfolg des Flughafen Bern glaubt Brechbühl: «Der Verwaltungsrat und das Team stehen in der Verpflichtung, den Flughafen mit allen Mitteln für die Zukunft nachhaltig zu positionieren, nicht mehr und nicht weniger – eine Garantie gibt es nicht. Dafür kämpfen wir und sind überzeugt, dass die neue Strategie erfolgreich sein kann.»

Und dass es sich beim geplanten «Swiss Digital Traffic Hub» um mehr als nur Gedankenspiele handelt, unterstreicht der Verwaltungsratspräsident der FBAG: «Hier haben wir uns Gedanken für übermorgen gemacht. Der digitale Verkehr, ob mit Elektro-Auto oder Drohne, benötigt Raum für Zertifizierungen, Tests und Maintenance. Da sehe ich gute Möglichkeiten, Bern zu positionieren.»

Urs Ryf neuer Direktor

Um die neue Strategie umzusetzen, hat der Verwaltungsrat der FBAG nun Urs Ryf per 1. Juli 2019 zum neuen Direktor der Flughafen Bern AG ernannt. Ryf ist derzeit als selbständiger Unternehmensberater in der Aviatik tätig und amtet seit 2017 als Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer von swiss aeropole. In dieser Funktion hat er den Flughafen Payerne positioniert.

Als ehemaliger COO der Skyguide, als ehemaliger Projektleiter im Auftrag des BAZL, der Skyguide und des Verbands Schweizer Flugplätze für die Finanzierung der Regionalflugplätze und als ehemaliger Staffelkommandant F/A-18 kennt Ryf sowohl die regionale Aviatik als auch die Verhältnisse in Bern-Belp gut. Bis um seinem Stellenantritt hat weiterhin  Finanzchef Martin Leibundgut die Interimsleitung inne.