Flug

Am 1. April 1944 fielen Bomben auf Schaffhausen – ein Irrtum der US-Luftwaffe. Bilder: HO

Vom Kurs abgekommen – die Bombardierung von Schaffhausen

Der Historiker und regelmässige Travelnews-Autor Matthias Wipf hat ein Buch zum heutigen, 75sten Jahrestag der Bombardierung von Schaffhausen herausgegeben – und vertiefte Einblicke in die damalige Aviatik erhalten.

Am 1. April 1944 warfen US-Bomber Brand- und Sprengbomben aufs Stadtzentrum von Schaffhausen, im Glauben, sich über deutschem Gebiet zu befinden. 40 Menschen starben. Der Historiker und regelmässige Travelnews-Autor Matthias Wipf hat den tragischen Irrtum in einem Buch, das heute vorgestellt wird, aufgerollt. Wir haben bei Matthias Wipf nachgefragt.

Herr Wipf, wie kamen Sie darauf, sich diesem Thema zu widmen?

Matthias Wipf: Schon seit vielen Jahren befasse ich mich mit dem Thema Zweiter Weltkrieg in den verschiedensten Facetten. Dabei habe ich natürlich immer wieder auch Akten zur Bombardierung von Schaffhausen am 1. April 1944 gefunden, die in den Köpfen noch immer sehr präsent ist. Ich hatte auch die Möglichkeit, noch mit rund 160 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sprechen zu können, die mir ihre ganz persönlichen Erinnerungen geschildert haben. Der 75. Jahrestag ist nun der ideale Zeitpunkt, die aktuellsten Forschungsergebnisse nochmals in einem Buch zusammenzufassen, mit einigen überraschenden Fakten und noch nie gesehenen Bildern sowie mit berührenden Schilderungen von Augenzeugen.

Der Historiker Matthias Wipf hat die Geschehnisse des 1. Aprils 1944 aufgerollt – und stand dabei auch im Kontakt mit George Insley (96) dem letzten lebenden Bomberpilot der damaligen US-Streitkräfte.

Welche Erkenntnisse haben Sie über die damalige Fliegerei gewonnen?

In den amerikanischen und englischen Archiven habe ich noch zahlreiche Rechenschafts- und Untersuchungsberichte sowie einzelne Logbücher (Flight records) der damaligen Bomberstaffeln gefunden, die dann Schaffhausen irrtümlich bombardiert haben – obwohl sie eigentlich Ludwigshafen am Rhein mit den dortigen Chemieanlagen der IG Farben (BASF) treffen wollten. Daraus lässt sich der Ablauf dieses tragischen 1. April 1944 ziemlich genau rekonstruieren. Zudem habe ich mit Vertretern von Veteranenorganisationen und Privatgelehrten gesprochen, die sich mit Haut und Haar der Fliegerei verschrieben haben. So wurde ich zwangsläufig vom Historiker und Publizisten ein bisschen zum Aviatiker (lacht). Im Ernst: vieles musste ich mir natürlich auch erklären oder von befreundeten Piloten quasi übersetzen lassen. Nationalrat Thomas Hurter, der ja auch Pilot ist, wird an der heutigen Vernissage übrigens die Laudatio halten, auf die ich mich sehr freue.

Sie haben auch die Luftwaffenbasen in Ostengland besucht – mit welchen Eindrücken?

Nachdem ich so viel zum Thema Bombardierung geforscht hatte, wollte ich mir auch mal persönlich anschauen, wie die verschiedenen Luftwaffenbasen in der Grafschaft Norfolk aussehen. Insgesamt gab es 68 Luftwaffenbasen der 8. US-Luftflotte in Ostengland, die ab Frühsommer 1942 betrieben wurden. Die Fliegerstaffeln, die am 1. April 1944 Schaffhausen bombardierten, sind von den Flugplätzen Shipdham, Wendling und Hethel in der Nähe von Norwich gestartet. Viele dieser Luftwaffenbasen sind heute Museen oder Informationszentren, meist sehr informativ gemacht und liebevoll betreut, und einige werden noch als Privatflugplätze genutzt.

(GWA)