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Wann dürfen die Boeing B737MAX wieder in die Lüfte? Bild: Boeing Corporation

Die Rückkehr der B737MAX in den Himmel könnte noch dauern

Die europäischen Luftfahrtbehörden wollen das Software-Upgrade von Boeing für die zurzeit gegroundete B737MAX selber zertifizieren. Das ist neu: Bisher vertraute man auf die amerikanische Zertifizierung.

Für viele Airlines eine bange Frage: Wann kann die B737MAX wieder eingesetzt werden? Boeing hat zwar versprochen, dass die neuen Software-Patches rund um die umstrittene Steuerungssoftware MCAS («manoeuvring characteristics augmentation system») - die laut Unfallermittlern eine entscheidende Rolle beim Absturz einer 737 Max 8 Ende Oktober in Indonesien spielte und auch beim jüngsten Crash einer solchen Maschine in Äthiopien als mögliche Ursache in Betracht kommt - per Ende März bereitstehen soll. Allerdings dürfte die Zertifizierung durch die US-Luftfahrtbehörde FAA noch etwas länger dauern.

Und genau an diesem Punkt wird es nun haarig. Es existiert zwar ein bilaterales Abkommen zwischen Europa und den USA namens «BASA», wonach die Europäische Sicherheitsagentur für Luftfahrt (EASA) und die FAA luftfahrtrelevante Zertifizierungen der jeweils anderen Agentur ohne grosse Zusatzarbeit durchwinken. In der Regel wird einfach die Beurteilung gelesen und vielleicht ein Testflug durchgeführt, und basta. So war es auch bei der B737MAX und jeweiliger Modernisierungen dazu, wie etwa die MCAS-Software.

In diesem Fall wird dies aber nicht geschehen: Im EU-Parlament liess EASA-Chef Patrick Ky durchblicken, dass man bei der Software-Zertifizierung sich nicht alleine auf das Urteil der FAA stützen, sondern eigene Zertifizierungsprozesse anstrengen werde. Insbesondere will die EASA auch sicherstellen, dass allfällige Probleme mit dem MCAS sauber analysiert und sämtliche Piloten auf diesem System sauber geschult sind, bevor es freigegeben wird.

Das FBI schaltet sich ein

Unter dem Strich heisst das zunächst einmal, dass es noch lange, möglicherweise mehrere Monate, dauern wird, bis die B737MAX wieder in die Luft dürfen. Andererseits zeigt es auch, dass die «freundschaftliche Verbundenheit» zwischen den Luftfahrtagenturen einerseits sowie inbesondere zwischen der FAA und Boeing andererseits auf eine harte Probe gestellt wird.

Letztere ist inzwischen gar Gegenstand einer Kriminal-Untersuchung: Das FBI hat sich eingeschaltet und untersucht nun in den USA, ob es bei Zertifizierungsprozessen zwischen FAA und Boeing zu illegal hohem «Schmus» gekommen ist. Boeing ist für intensive Lobbyarbeit in Washington bekannt - sowohl in Sachen Zivilluftfahrt als auch militärischer Luftfahrt. In letzterem Zusammenhang leitet am Mittwoch (20. März) der Generalinspekteur des US-Verteidigungsministeriums eine Untersuchung gegen den amtierenden Verteidigungsminister Patrick Shanahan ein: Der langjährige Boeing-Manager wird verdächtigt, sein Amt genutzt zu haben, um seinem früheren Arbeitgeber Vorteile zu verschaffen.

Doch zurück zur Luftfahrt: Der eigentliche Skandal wurde ausgelöst, als vor wenigen Tagen einige unschöne Details ans Licht kamen. Mal abgesehen davon, dass die FAA als allerletzte Behörde weltweit die B737MAX groundete und Boeing davor wie üblich zunächst die Schuld auf «Pilotenfehler» lenken wollte, wurde bald deutlich, dass viele Piloten mit dem MCAS gar nicht vertraut waren. Noch übler wurde es, als bekannt wurde, dass Boeing seine Flugzeuge teils praktisch selber zertifiziert habe. Laut einem lesenswerten Artikel der «Bangkok Post» führten Boeing-Ingenieure Zertifizierungstests selber durch, unter Aufsicht von Boeing-Personal, welches eine Erlaubnis der FAA hatte, diese zu vertreten... Solche Vorgehensweisen bei der Zertifizierung habe die FAA insgesamt 80 Firmen gewährt, weshalb die Behörde selber nun ins Visier des FBI geraten ist.

Wem schadet das Chaos am meisten?

Die Untersuchungen werden sich also aller Voraussicht nach in die Länge ziehen. Das zwingt viele Airlines, entweder temporär auf andere Flugzeugtypen umzusteigen oder Routen zu streichen.

Norwegian beispielsweise, ohnehin schon unter Druck, hat 18 B737MAX in der Flotte. Sie hat nun einige ihrer B787 Dreamliner auf den bisherigen Routen der B737MAX eingesetzt - keine sonderlich günstige Alternative, zumal der Dreamliner eine doppelt so hohe Sitzplatzkapazität hat. Ryanair ihrerseits sollte im kommenden Jahr 40 B737MAX erhalten und hat weitere 135 Stück davon auf Bestellung. Voraussichtlich wird Ryanair die Bestellungen nun verzögern und die B737-800 etwas länger in der Flotte behalten, was keinen Beinbruch bedeutet. Zu den weiteren Airlines, die bereits jetzt mit B737MAX operieren, gehören unter anderem Air Canada, Air China, Air Europa, American Airlines, FlyDubai, Garuda (welche ihre Bestellung für 49 B737MAX bereits widerrufen hat), Hainan Airlines, Icelandair, LOT, Oman Air, TUIfly und andere TUI-Airlines sowie auch Turkish Airlines, für welche die Krise just zu dem Zeitpunkt kommt, wo die Airline in den neuen Hub in Istanbul umziehen muss.

(JCR)