Flug

Nicht MTV, sondern das Bordvideo von Air New Zealand... Bild: Air New Zealand

Kommentar Lasst mich in Ruhe mit Eurem Sauglattismus

Jean-Claude Raemy

Sicherheitsvideos sind das neuste Marketingtool der Airlines. Aber jetzt ist genug. Die immer «lustigeren» Sicherheitsvideos nerven - und lenken vom eigentlichen Zweck dieser Videos ab.

Letzte Woche hat es Air New Zealand wieder getan: Die Fluggesellschaft hat ihr insgesamt 18. «Safety Video» publiziert, was von Medien und Menschen weltweit registriert wurde. Dieses Mal war es als Rap-Video inszeniert, mit insgesamt 400 Statisten. Lustig! Unser Beitrag dazu gehörte zu den meistgelesenen letzte Woche. Air New Zealand trifft damit einen Nerv.

Klar, dass da andere Airlines nicht zurückbleiben wollen. Bei Turkish Airlines werden Legos bemüht, British Airways holte Komiker und verband das Video mit Wohltätigkeitszwecken, und dann gab es ja noch das fünfminütige, total durch-choreografierte Video von Virgin America. Und haben Sie schon die Tanzversion von Eva Air gesehen?

Ist schon klar, Sicherheitsvideos sind nicht das Spannendste, was man präsentieren kann, und seit Jahren versuchen die Airlines angestrengt, die Aufmerksamkeit ihrer Passagiere für diese Präsentationen wenigstens vorübergehend zu erhaschen. Dabei haben Airlines kaum eine Chance gegen Handy, Laptop oder Zeitung, und manch ein Passagier zeigt demonstrativ mit gelangweiltem Blick, wie wenig er doch mit Sicherheit am Hut hat und im Notfall doch ach so cool alles mit links könnte. Da sind Videos, die etwas «peppig» sind, möglicherweise ein probates Mittel.

Nur: Was jetzt in Sachen Sicherheitsvideos läuft, ist nichts weniger als eine Art Wettrüsten, ein Penisvergleich, bei dem Airlines einander offenbar stets wieder übertrumpfen müssen mit Videos, die mit noch mehr Tanzkunst, noch mehr Klamauk oder noch mehr Promis bieten. Sicherheitshinweise mit cooler Musik, Promis und Farbexplosionen zu hinterlegen, generiert möglicherweise Publicity und Likes in den Sozialen Medien (manchmal aber auch negative Publicity) und es entbindet die Flight Attendants davon, eine Show vor gähnenden und unaufmerksamen Passagieren abziehen zu müssen. Doch wird damit der eigentliche Zweck dieser Videos unterwandert. Wenn es um Sicherheit geht, sollte man das Ganze ernst nehmen. So wird suggeriert, dass das Sicherheitsvideo einfach Unterhaltungszwecken dient, es ist vielleicht «so lässig», «voll cool» oder «avantgardistisch», aber keiner denkt mehr dran, dass hier Info vermittelt wird, welche das eigene Leben retten könnte. Die eigentliche Information geht im ganzen Spass unter.

Kurz, konzis - und doch kreativ

Selber sehe ich bei den ersten Ballettänzerinnen oder dem x-ten Komiker bei einem Safety-Video gleich weg. Noch dazu sind einige dieser Safety-Videos mehrere Minuten lang, und müssen dann noch in mehreren Sprachen wiederholt werden. Als ob der Flug an sich nicht schon Tortur genug wäre!

Vielleicht sollten Sicherheitsvideos wieder weniger als sauglattes Marketingtool verstanden werden, und wieder mehr als wichtige und nützliche Informationsvermittlung. Passagiere sollten in kurzer Zeit das Wichtigste klar und konzis vermittelt bekommen. 90 Sekunden müssten reichen. Ein paar wesentliche Punkte müssen eingehämmert und das Unnütze weggelassen werden. Wie man den Sitzgurt zusammenschnallt, schnallt schon meine dreijährige Tochter, also bitte. Umgekehrt ist eine ellenlange Erklärung dazu, wie ich eine Sicherheitsweste anzuziehen habe, beim letzten Satz schon wieder vergessen. Dass man aber nicht sein ganzes Handgepäck mitnehmen soll bei einer Evakuierung, geht oft im ganzen Getanze und Getöse unter. Wie hat eine Evakuierung genau vorzugehen?

Es muss doch möglich sein, dass Sicherheitsvideos produziert werden, die uns nicht mit Artisten, Getanze und Getue quälen, sondern kurz und knapp für Sicherheit (statt für Gelächter) sorgen. Das müssten die vielen kreativen Köpfe in den Unterhaltungs-, pardon Sicherheits-Abteilungen der Airlines doch hinkriegen, nicht?