Ferienland Schweiz

Von Graffiti über Murals bis Street Art
Silvia SchaubLängst gehören sie ins Stadtbild: die Graffiti, Murals, Street Art oder wie auch immer man die Kunst an Fassaden, Mauern oder auf Gullys nennen will. Drohen sie wieder zu verschwinden, wie es gerade dem Mural zu Ehren des Schweizer Fussballers Köbi Kuhn in Zürich blüht, ist der Aufruhr gross. Diese Vergänglichkeit ist aber vielleicht gerade der Reiz dieser Kunst. Manche hingegen bleiben über Generationen. Mittlerweile weiss man die Kunst, die ganz kostenlos unter freiem Himmel zu sehen ist, mit ihren oft versteckten Botschaften zu schätzen. Viele Schweizer Städte bieten Führungen an, fördern Street Art aktiv mit offenen Wandflächen oder organisieren Street Art-Festivals.
Wer allerdings Werke vom weltweit wohl bekanntesten Street Art Künstler sehen will, muss ins Wallis reisen. Im Casino von Saxon werden über 120 rekonstruierte Werke von Banksy gezeigt, darunter 65 lebensgrosse Wandarbeiten des in Bristol ansässigen Street Artists. Banksyexperience.ch
Biel – Pioniere in Sachen Urban Art
Vor genau 40 Jahren organisierte die Gruppe «Jetzt Kunst» die erste Urban Art-Ausstellung der Schweiz – was damals landesweit für Aufsehen sorgte. Dieser Anlass, an dem junge Kunstschaffende freie Fassaden gestalteten, machte die Stadt zum kreativen Experimentierfeld. Noch heute ist die zweisprachige Stadt ein Hotspot für alle Kunstformen aus der Hip-Hop-Szene, allen voran den Murals. Und weil die Uhrenkrise zahlreiche leerstehende Fabrikgebäude hinterlassen hat, gibt es auch genug Orte, wo diese entstehen können. Führungen unter j3l.ch oder individuell gemäss den drei Touren von Streetarttour.ch.
Chur – wo Wände sprechen
Sprayen im öffentlichen Raum ist eigentlich immer noch nicht erlaubt – es sei denn auf eigens dafür vorgesehenen Flächen. Die Stadt Chur hat vor zehn Jahren damit begonnen, die ersten Wandfläche für die legale Graffitikunst freizugeben. Weitere grossflächige Wandbilder entstehen jeweils am Street Art Festival, das seit 2018 alle paar Jahre durchgeführt wird. Mittlerweile schmücken rund 25 Murals die Churer Fassaden. Dass die Stadt in Sachen Street Art so populär wurde, hat wohl auch mit dem lokalen Künstler Fabian Florin alias BANE zu tun. Seine Arbeiten zieren nicht nur in Chur einige Gebäude (z.B. Mühleturm, VIVA Club), sondern auch in verschiedenen Städten in aller Welt. Führungen unter chur.graubuenden.ch

Genf – das pulsierende Epizentrum in La Jonction
Das Genfer Viertel La Jonction hat sich in den letzten Jahren zum pulsierenden Epizentrum der Street Art entwickelt. Dort, wo Rhône und Arve zusammenfliessen, entstand auf dem ehemaligen Industriegebiet eine Openair-Galerie. Das Projekt «Quartier des Bains» war ein wichtiger Katalysator, der Immobilienbesitzer dazu ermutigte, ihre Wände als Leinwand zur Verfügung zu stellen. Heute kann man hier eine beeindruckende Sammlung von Wandmalereien und Graffiti entdecken, die das breite Spektrum von fotorealistischen Porträts bis zu abstrakten Designs zeigen. Urban Art Tours bei welo.swiss

Le Locle – das lokale Erbe auf den Fassaden
Die Uhrenstadt im Neuenburger Jura hat man nicht unbedingt auf dem Radar in Sachen Street Art. Sollte man aber! Hier hat sich weitab der grossen Städte eine spannende Street Art-Kultur entwickelt. 2019 lancierte die Lokaljournalistin Sylvie Balmer und ihr Mann François das Projekt «Exomusée». Seither werden in der Stadt Le Locle die Mauern von international renommierten Künstlern zu neuem Leben erweckt. Und man bestaunt die riesigen Murals wie «Grande Gentiane», «Jouer avec des bouts de ficelles» oder «Les gardiens du temps». 42 Gemälde sind es aktuell, die auf einer sich ständig verändernden Route durch Le Locle entdeckt werden können. Erstaunliche Werke, die auch auf das lokale Erbe wie die Uhrmacherei oder Spitzenklöppelei eingehen. Infos und eine interaktive Karte unter exomusée.ch

Basel – das grösste Street Art-Werk der Schweiz auf dem Bell-Areal
Es sind jetzt nicht gerade die Orte, die man als Gast in Basel zuerst aufsucht. Aber es lohnt sich dennoch, mal entlang der Gleise zwischen dem Bahnhof SBB und der Schwarzwaldbrücke, ins Gebiet rund ums Schänzli, an den Hafen oder auf das Bell-Areal zu gehen. Denn dort findet man zahlreiche und schöne Graffiti und Murals. Insbesondere auf dem Bell-Areal, wo sich seit 2020 das grösste Street-Art-Werk in Basel befindet. Dort haben über 30 Kunstschaffende aus aller Welt eine Wand von 1700 Quadratmetern gestaltet. Das Artstübli organisiert Führungen durch diese Freiluftgalerie und erklärt die vielschichtigen Techniken und Stile. artstuebli.ch/tours

Zürich – die Hochburg
Fährt man mit dem Zug in Zürich ein, wird man auf dem Hardfeld-Areal bereits vom ersten, noch dazu grössten Wandgemälde der Stadt begrüsst: «Flower Power» heisst das Mural von REDL und BANE am Gebäude der Recyclingfirma Spross. Es erstreckt sich über zwei Gebäude, vier Wände und ist über 1000 Quadratmeter gross. Aber da ist noch viel mehr zu entdecken in der Limmatstadt, zum Beispiel die Kunst von Harald Naegeli, dem einst gejagten Sprayer und inzwischen gefeierten Graffiti-Künstler von Zürich. Längst sind seine Strichfiguren Kult – und zum Glück sind sie noch nicht alle verschwunden. Als Audio-Tour oder Führungen unter freewalk.ch
Lugano – Street Art abseits der üblichen Touristenpfade
Kennen Sie Gio Pistone, Nevercrew oder MP5? Wenn nicht, sollten Sie mal nach Lugano fahren und eine Street Art-Tour unternehmen. Diese Künstlerinnen und Künstler, aber auch noch viele andere, haben an den Fassaden der Tessiner Stadt einige Werke hinterlassen. Die Tour führt nicht nur ins Stadtzentrum, auch abseits der üblichen Touristenpfade gibt es zahlreiche Kunstwerke zu entdecken. Zum Beispiel im Dörfchen Bré auf dem Monte Bré, in Viganello oder im Vorort Sorengo mit seinen futuristischen Neubauten. Führungen unter ticino.ch

Frauenfeld – wie eine Stadt zum Freiluftmuseum wird
Wie Kunst eine Stadt beleben kann, zeigt sich in Frauenfeld sehr eindrücklich. Als das Designerpaar Monika und Marco Niedermann vor einigen Jahren die Idee für ein Street Art-Festival hatte, mussten die beiden einige Hürden überwinden, bis ihr Projekt zustande kam. Fast 700 Künstlerinnen und Künstler wollten daran teilnehmen, 67 wurden schliesslich eingeladen – und schufen 79 Werke, die teilweise noch immer zu sehen sind. Nun geht das Festival in die nächste Runde: Vom 13. bis 15. Juni findet das Eröffnungswochenende statt, die Werke werden bis in den September zu besichtigen sein. Infos unter isaff.ch, Führungen unter thurgau-bodensee.ch
