Ferienland Schweiz

Gehört zu den eher unbekannten Sehenswürdigkeiten der Schweiz: Das Wasserkraftwerk in Birsfelden bei Basel ist ein erstaunlicher Bau mit einem Schmetterlingsdach und einer verglasten Maschinenhalle. Bild: Schweiz Tourismus

Wundersame Schweizer Orte mit ungewöhnlichen Bauwerken

Silvia Schaub

Sie stehen nicht zuvorderst auf der Top Ten der Schweizer Sehenswürdigkeiten, lohnen sich aber auf alle Fälle für einen Umweg: vom längsten Wohnhaus über die höchste Staumauer bis zum letzten Gaswerk der Schweiz.

Was haben Schlieren, Le Lignon und Birsfelden gemeinsam? Sie liegen abseits der bekannten touristischen Pfade, bieten aber ein besonderes baukulturelles Erbe und wurden deshalb ins ISOS, das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung aufgenommen. 30 davon wurden als «wundersame Orte» ausgewählt. Es gibt freilich noch viel mehr solche Orte, die sich für einen inspirierenden Ausflug eignen.

Die Kosthäuser an der Lorze

Wer von Hagendorn bei Cham her dem Flüsschen Lorze entlang wandert, stechen einem schon nach einigen Minuten die herausgeputzten Arbeiterhäuser, die sogenannten Kosthäuser der ehemaligen Spinnerei, das Turbinenhäuschen und die Fabrikantenvilla ins Auge. Die Lorzenweid, wie das Industrieareal heisst, ist ein bedeutender Zeuge der Zuger Industrialisierung und das ganze Fabrikensemble bestens erhalten.

Stammen aus dem 19. Jahrhundert: die Kosthäuser an der Lorze in Hagendorn bei Cham. Bild: Schweiz Tourismus

Wandert man weiter, kommt man an der Papierfabrik vorbei und gelangt schliesslich zum Hirsgarten direkt am Zugersee, wo man ein erfrischendes Bad im See nehmen kann.

Von einer Brücke zur andern wandern

Meist überquert man die Brücken beim St. Galler Quartier Bruggen entweder mit dem Zug oder dem Auto. Steht man einmal unten im Sittertal, staunt man nur noch über die fast 20 Bauwerke aus Holz, Stahl oder Beton.

Die Haggenbrücke ist einer der höchsten Fussgängerstege Europas. Bild: Silvia Schaub

Auf einem rund zweistündigen Rundweg lassen sich die Brücken aus dem 18. bis 20. Jahrhundert erwandern – von der heute höchsten Eisenbahnbrücke, dem Sitterviadukt der Südostbahn mit seinem Fischbauchträger, bis zur Ganggelibrogg, einem der höchsten Fussgängerstege Europas.

Ein Stück Industriegeschichte

Einst war es das grösste Gaswerk der Schweiz. Seit 1972 wird in Schlieren jedoch kein Gas mehr produziert. Geblieben aber sind die Wahrzeichen des Ensembles: der imposante Wasserturm mit farbig glasierten Ziegeln und der 35 Meter hohe Gasometer. Auch die einfachen Arbeiterhäuser sind immer noch da, wie auch die Direktorenvilla.

In Schlieren befand sich einst das grösste Gaswerk der Schweiz, nun ist darin das «Gasi-Museum» zu finden. Bild: Schweiz Tourismus

Wer sich für die Industriegeschichte des Gaswerks interessiert, kann das «Gasi-Museum» in der «Kraftcentrale» besuchen. An den öffentlichen Betriebstagen, die viermal im Jahr stattfinden, ist auch die Dampfmaschine aus dem Jahr 1904 in Betrieb. Mehr dazu finden Sie hier.

Eine Kleinstadt im Zickzack

Knapp einen Kilometer lang ist dieses Wohnhaus und wirklich nicht zu übersehen, wenn man vom Weiler Loëx aus über die Rhone schaut. Cité du Lignon heisst diese monumentale Wohnsiedlung bei Genf, die in den 12- bis 16-stöckigen Scheibenhochhäusern für rund 6500 Menschen ein Zuhause bietet.

Als in den 60er-Jahren Wohnungsknappheit in Genf herrschte, wurden die Blöcke für 6500 Personen gebaut. Bild: Schweiz Tourismus

Die im Zickzack angeordneten Häuser wurden zwischen 1963 und 1971 errichtet, als in und um Genf grosse Wohnungsnot herrschte. Die Wanderung auf dem Sentier du Rhône führt von Loëx via die Cité du Lignon in gut zwei Stunden bis nach Genf zur Jonction.

Stromerzeugung und Auenlandschaft

Der Hagneckkanal ist den meisten ein Begriff aus der Geografiestunde in der Schule. Gesehen haben ihn wohl die wenigsten. Die acht Kilometer lange Verbindung zwischen der Aare bei Aarberg und dem Bielersee wurde als Teil der ersten Juragewässerkorrektion zwischen 1875 und 1878 gebaut.

Das Wasserkraftwerk Hagneck am Bielersee erzeugt mit seinem Höhenunterschied Strom. Bild: Silvia Schaub

Bei der Mündung in den Bielersee errichtete man 1900 das Wasserkraftwerk Hagneck, welches die neun Meter Höhenunterschied zur Stromerzeugung nutzt. Seit 2015 steht dort ein neues Kraftwerk. Mit dem Neubau hat man das ganze Mündungsgebiet renaturiert. Der neu entstandene Auenwald ist ein Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung. Mehr dazu finden Sie hier.

Ein Wasserkraftwerk mit Schmetterlingsdach

Als Hans Hofmann Anfang der 1950er-Jahre diese filigrane und luftige Anlage bei Birsfelden baute, hätte er wohl nicht gedacht, dass man heute noch über diesen Bau staunen würde. Das Kraftwerk mit der 120 Meter langen, verglasten Maschinenhalle und dem welligen Schmetterlingsdach steht harmonisch in der Landschaft, ein wahres Meisterwerk.

Dieses Bauwerk bei Birsfelden besteht bereits seit 75 Jahren. Bild: Schweiz Tourismus

Am besten besucht man den Bau bei einer Wanderung dem Rhein entlang und informiert sich an den Thementafeln oder bucht als Gruppe (mind. 8 Personen) eine Führung. Im Sommer verpflegt man sich auf der wilden Kraftwerksinsel bei der Café-Bar La Strada. Mehr dazu finden Sie hier.

Die urbane Siedlung im Wald

Wer sich für Siedlungsarchitektur interessiert, sollte sich unbedingt Halen in Kirchlindach im Norden von Bern anschauen. Die Siedlung mit fast 80 Betonreihenhäusern liegt mitten in einer Waldlichtung und bildet wie ein eigenes kleines Dorf.

Entworfen vom Architekturbüro Atelier 5 liegt die Siedlung Halen mitten im Wald in Kirchlindach. Bild: Schweiz Tourismus

Sie wurde in den 1950er-Jahren vom Architekturbüro Atelier 5 gebaut als Antwort auf die strukturlosen Ortserweiterungen jener Zeit und soll sich von Le Corbusier und der Berner Altstadt inspiriert haben. Mittlerweile ist die Überbauung ein Kulturgut von nationaler Bedeutung. Vom Beton ist nicht mehr allzu viel zu sehen dank den üppig wuchernden Gärten.

Mit der Seilbahn auf die Mauer

Sie gilt als die Königin der Schweizer Staudämme: die Grande Dixence auf 2364 Metern Höhe im Wallis. Schliesslich ist sie mit 285 Metern Höhe auch die höchste Gewichtsstaumauer der Welt, produziert jährlich rund 2 Mrd. kWh und trägt 20 % zur Speicherenergie der Schweiz bei. Schon sehr eindrücklich, wenn man davor steht. Dank einer Seilbahn kann man aber auch auf dieses Bauwerk hinauffahren.

Die höchste Gewichtsstaumauer der Welt befindet sich im Wallis: Die Grande Dixence ist 285 Meter hoch. Bild: Grande Dixence

Und dann beginnt der Nervenkitzel erst recht – dann nämlich, wenn man über die Staumauer läuft. Für Interessierte gibt es auch Führungen ins Innere der Staumauer, und wer gleich etwas länger bleiben will, checkt im Hotel du Barrage am Fuss der Mauer ein (nur im Sommer geöffnet). Mehr dazu finden Sie hier.

Kirche, Festung oder Amphitheater?

Wer auf den Monte Tamaro bei Rivera wandert (oder fährt), wird dies in erster Linie der Aussicht wegen tun. Dabei gibt es ganz nebenbei auch noch ein architektonisches Meisterwerk zu entdecken: Die Kirche Santa Maria degli Angeli. Doch das Gotteshaus sieht auf den ersten Blick eher aus wie eine Festung, oder ein Amphitheater, oder gar eine Startrampe.

Die Kirche Santa Maria degli Angeli auf dem Monte Tamaro bietet einen ganz neuen Blick auf die Landschaft. Bild: Monte Tamaro

Man muss sich dem Bau von Mario Botta unterhalb der Alp Foppa aus rötlichem Prophyr und Beton sachte nähern. Und schon bald merkt man, dass die mächtige Steinfestung auf dem Bergsporn mehr als ein Meditationsraum ist und die Möglichkeit bietet, die umgebende Landschaft ganz neu zu interpretieren. Mehr dazu findet Sie hier.

Dreissig wundersame Orte der Schweiz gibt es als Broschüre im Buchhandel zu kaufen für 12 Franken.