Ferienland Schweiz

San Bernardino auf dem Weg zurück zum Ski-Hotspot – zwischen Nostalgie und neuer Vision. Bild: TN

Tested Die Rückkehr eines vergessenen Skiorts

Reto Suter

San Bernardino erwacht aus dem Dornröschenschlaf – mit grossen Plänen und einer gewaltigen Investition. Doch ist das ehemalige Wintersportjuwel bereits ein Geheimtipp oder noch eine Baustelle mit Potenzial? Travelnews hat das neu belebte Skigebiet drei Tage lang getestet.

Es gibt Orte, die schlafen – und dann gibt es Orte, die nach Jahren des Stillstands plötzlich wieder erwachen. San Bernardino, einst ein beliebtes Wintersportziel, versank nach seinen Glanzzeiten in den 70er-Jahren langsam in der Vergessenheit.

Marode Betonbauten, geschlossene Hotels und stillgelegte Bergbahnen prägten über Jahre das Bild des Dorfes an der A13. Für viele war der Ort nur noch eine blasse Erinnerung oder eine unscheinbare Durchgangsstation auf dem Weg ins Tessin.

Doch jetzt soll sich das Blatt wenden: Stefano Artioli, ein Tessiner Unternehmer mit einem Faible für grosse Visionen, will dem Ort mit einer gewaltigen Investition von 300 Millionen Franken neues Leben einhauchen. Hotels, Restaurants, ein modernes Skigebiet – all das soll San Bernardino zu alter (und vielleicht sogar neuer) Grösse verhelfen.

Ob das gelingt? Um das selbst herauszufinden, haben meine Frau, meine Kinder und ich die Ski eingepackt und das aufstrebende Wintersportgebiet drei Tage lang erkundet. So haben wir den Abstecher ins Misox erlebt.

Anreise

Die Anreise nach San Bernardino könnte kaum entspannter sein – zumindest, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Von Zürich aus erreicht man das Bergdorf in gut zwei Stunden, und das Beste: Die gesamte Strecke führt über komfortable Autobahnen und Autostrassen. Kein mühsames Kurvenfahren, keine endlosen Kehren – einfach aussteigen und loslegen. Selbst die letzten Meter nach San Bernardino sind ein Kinderspiel: Drei Kurven, und schon ist man mitten im Dorfkern. Etwas mehr Geduld braucht, wer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist. Je nach Verbindung dauert die Fahrt zwischen zweieinhalb und drei Stunden.

Tipp: Wer mit der Bahn anreist, sollte die Verbindungen im Voraus genau prüfen. Optimalerweise führt die Route mit nur einem Umstieg über Bellinzona oder Chur – doch je nach Verbindung können es auch bis zu drei Umstiege sein. Wer sich das Schleppen von Skiausrüstung und Gepäck ersparen möchte, könnte zudem den SBB-Gepäcktransport in Betracht ziehen.

San Bernardino begeistert mit unberührter Natur, majestätischen Gipfeln und traumhaften Winterlandschaften. Bild: TN

Hotel-Ausstattung

Wir quartieren uns im frisch renovierten Drei-Sterne-Hotel Brocco & Posta ein – mitten im Dorfkern und mit viel Charme. Man spürt sofort, dass hier nicht einfach erneuert, sondern mit Liebe zum Detail gestaltet wurde. Viel Naturholz, warme Farbtöne und ein Hauch Alpen-Chic, wie man ihn aus anderen modernisierten Berg-Lodges kennt, prägen das Ambiente – von den Zimmern über die Lobby bis zur Bar. Die Mitarbeitenden sprechen – abgesehen vom Personal an der Rezeption – grösstenteils nur Italienisch, was das Feriengefühl noch verstärkt.

Tipp: Nach einem langen Tag auf der Piste gibt es kaum einen besseren Ort zum Entspannen als die gemütliche Hotelbar. Am knisternden Cheminée-Feuer lässt es sich herrlich abschalten – sei es mit einem duftenden Verveine-Tee und einem guten Buch oder einem stilvollen Apéro vor dem Abendessen.

Gemütliche Atmosphäre in der Hotelbar – die perfekte Kulisse für einen entspannten Apéro nach einem Tag auf der Piste. Bild: Brocco & Posta

Zimmer

Wir logierten in einem Deluxe-Familienzimmer, einer durchdachten Kombination aus Komfort, Gemütlichkeit und genügend Platz für alle. Zwei verbundene Zimmer, eingerichtet mit natürlichen Materialien und warmen Farben, schaffen eine behagliche Atmosphäre, in der man sich sofort wohlfühlt. Besonders praktisch: Das grosszügige Badezimmer mit Dusche und das separate WC im Kinderzimmer – ein echtes Plus, wenn sich morgens alle gleichzeitig für den Skitag fertig machen. Auf Wunsch gibt es ein Kinder- oder Babybett dazu. Ebenfalls ein Mehrwert ist die Nespresso-Kaffeemaschine.

Tipp: Das Familien-Komfort-Zimmer ist ideal für Familien mit kleineren Kindern bis etwa sieben Jahre. Mit älteren Kindern kann der Platz jedoch schnell knapp werden. Wer mehr Raum und Privatsphäre benötigt, ist mit einem Superior- oder Deluxe-Familienzimmer besser beraten. Sollte keines davon verfügbar sein, empfiehlt es sich, stattdessen zwei separate Doppelzimmer zu buchen.

Das Deluxe-Familienzimmer überzeugt mit warmen Farben und natürlichen Materialien und durchdachtem Komfort. Bild: Brocco & Posta

Essen und Trinken

Der Tag beginnt im Hotel Brocco & Posta mit einem reichhaltigen Frühstück – genau das Richtige, um sich für einen langen Skitag zu stärken. Käse, Aufschnitt, Birchermüesli, knuspriges Brot in heller und dunkler Variante, Würstchen, Rührei, Säfte, Kaffee und Tee – hier ist für jeden Geschmack etwas dabei. Mittags und abends lockt das hoteleigene Restaurant Brocco & Posta mit einer Mischung aus italienischen und schweizerischen Spezialitäten. Der Star auf der Karte? Die Pizza aus dem Steinofen – mit dünnem Boden, luftiger, aber knuspriger Kruste und grosszügigem Belag. Auch die restlichen Gerichte überzeugen, nicht zuletzt durch die üppigen Portionen. Zudem gibt es eine ansehnliche Weinauswahl. Doch auch ausserhalb des Hotels können Gäste kulinarisch einiges entdecken: unter anderem das Chesa Veglia und das Bistrot Central. Wer sich auf der Piste stärken möchte, kehrt im Capanna Confin ein – einem Selbstbedienungsrestaurant am Berg, das sowohl klassische Pasta und Bratwurst mit Pommes als auch herzhafte Spezialitäten wie Ossobucco anbietet.

Tipp: Bei grossem Andrang im Restaurant Brocco & Posta lohnt es sich, etwas Geduld mitzubringen – denn zwischen Bestellung und Servieren kann es gelegentlich länger dauern. Wobei das in den Ferien kein Grund zum Ärger sein muss: Statt Hektik gibt es Entschleunigung.

Im Restaurant Brocco & Posta gibt es italienisch-schweizerische Küche vom Feinsten. Bild: Brocco & Posta

Outdoor-Aktivitäten

Wo gibt es das sonst? Sportferien, strahlender Sonnenschein – und eine menschenleere Piste. Genau das haben wir in San Bernardino erlebt. Oben am Hang stehen, den Blick nach unten schweifen lassen – und kein Mensch weit und breit. Einfach losfahren, ohne Drängeln, ohne Wartezeiten am Lift. Zudem sind die Pisten top präpariert und herrlich abwechslungsreich. Von sanften Abfahrten für Einsteiger bis zu steilen Passagen für Könner – es ist für alle etwas dabei. 35 Pistenkilometer warten darauf, erkundet zu werden, und dank der Höhenlage zwischen 1600 und über 2500 Metern gilt San Bernardino als ziemlich schneesicher. Für gemütlichere Fahrer und Familien bietet sich das Gebiet Pian Cales an, das direkt im Dorf startet. Wer höher hinaus will, nimmt die Lifte im Gebiet Confin. Doch das Skifahren ist längst nicht alles: Eine wunderschön gelegene Langlaufloipe, eine kleine, aber feine Schlittelpiste sowie eine Eisbahn sorgen für noch mehr Wintervergnügen.

Tipp: Der Skilift Tre Omen zählt wohl zu den längsten und steilsten der Schweiz – eine echte Herausforderung, die mit der Zeit spürbar in die Oberschenkel geht. Wer es komfortabler mag, insbesondere mit Kindern, wählt eine sanftere Route: Zunächst mit dem Sessellift Pan de Zucher, dann weiter mit dem Skilift Lares. In zwei Etappen schafft man es so ebenfalls ganz nach oben am Berg.

Travelnews-Chefredaktor Reto Suter mit seinen beiden Kindern auf der Piste in San Bernardino. Bild: TN

Fazit

Wer bei jeder Abfahrt eine neue Piste entdecken, beim Après-Ski laute Partys feiern und nachts bis in die frühen Morgenstunden durch Bars ziehen will, ist in San Bernardino definitiv am falschen Ort. Doch für alle, die es entspannter mögen – insbesondere Familien – ist das kleine Dorf im Misox ein echter Geheimtipp. Hier locken halbleere Pisten, exzellentes Essen und eine herzliche Atmosphäre. Die Anfahrt mag länger sein, doch dank der perfekten Autobahnanbindung ist sie komfortabler als viele kurvenreiche Strecken in andere Skigebiete. Ob San Bernardino tatsächlich zum neuen Ski-Hotspot der Schweizer Alpen wird, bleibt abzuwarten – doch der Anfang ist gemacht. Und er macht definitiv Lust auf mehr.

Charmantes Alpenflair mitten im Dorfkern – das Brocco & Posta verbindet Tradition mit modernem Komfort. Bild: TN