Ferienland Schweiz

Prof. Dr. Reto Knutti (ETH Zürich), Berno Stoffel (Direktor Schweizer Seilbahnen) und Martin Nydegger (Direktor Schweiz Tourismus) haben sich bei einem Mediengespräch zur Herausforderung Klimawandel ausführlich geäussert. Bild: TN

Skifahren unter 1500 Metern wird schwierig

Auf steigende Temperaturen und kürzere Winter reagieren die Schweizer Skigebiete mit sechs Anpassungsstrategien. Mit dem Projekt «Kompass Schnee» will eine Allianz aus SBS, VSTM und ST offene Fragen zum Klimawandel vertiefen.

Schweizer Skigebiete stehen vor grossen Herausforderungen: die Temperaturen steigen, die Winter werden kürzer – auch der heutige Schneefall hinunter bis 900 Meter ändert daran mittelfristig nichts. An einem Mediengespräch am Montag haben sich Martin Nydegger (Direktor Schweiz Tourismus), Berno Stoffel (Direktor Schweizer Seilbahnen) und Prof. Dr. Reto Knutti (ETH Zürich) mit einem Dutzend Journalisten ausgetauscht und die kommenden Herausforderungen erörtert.

Dabei wurde Klartext gesprochen. «Bis 2050 wird die Nullgradgrenze um 300 Meter ansteigen», hielt Reto Knutti fest, «für Skigebiete unter 1500 Metern wird es schwierig». Das sind nicht wenige. Denn im Durchschnitt liegt die Bergstation der Schweizer Skigebiete bei 1660 Metern. Einem generellen Abgesang auf Skigebiete, die mit ihren Pisten tiefer als 1500 Meter liegen, wollte Berno Stoffel nicht einstimmen: «Bei jedem Skigebiet gilt es lokale Begebenheiten zu berücksichtigen, ob es sich etwa um einen Schatten- oder Sonnenhang handelt.»

Martin Nydegger unterstrich die Wichtigkeit der Wintermonate für die Bergbahnen, 50 Prozent des Umsatzes falle in den Wintermonaten an. Das Gespenst Klimawandel wirke aber teils bedrohlicher, als es wirklich ist, etwa beim Blick auf Bilder von beschneiten Talabfahrten. Alarmismus sei nicht angebracht, «wir wollen Fakten schaffen».

Eine Umfrage bei Schweizer Skigebieten hat zudem ergeben, dass die Branche weiterhin positiv, resilient und innovativ ist – und sich auf verschiedene Strategien konzentriert, um auch künftig im Wintertourismus zu bestehen.

Die sechs Anpassungsstrategien der Schweizer Skigebiete

1. Erweiterung der technischen Beschneiung: Da sich natürliche Schneefälle zunehmend reduzieren, setzen viele Skigebiete verstärkt auf künstliche Beschneiung, um die Skisaison zu verlängern. Dank technischer Fortschritte ist es mittlerweile möglich, Kunstschnee auch bei höheren Temperaturen zu erzeugen. Allerdings benötigt diese Methode stabile Minustemperaturen sowie eine verbesserte Infrastruktur mit grösserem Wasserbedarf.

2. Verlagerung in höhere Lagen: Investitionen in höhergelegene Bereiche ermöglichen Skigebieten die Nutzung schneesicherer Pisten. Sessellifte und Anlagen in tiefen Lagen, die sich zunehmend als unrentabel erweisen, werden voraussichtlich weniger erneuert. Stattdessen konzentrieren sich die Investitionen auf höher gelegene Abschnitte, um stabilere Schneebedingungen zu gewährleisten.

3. Diversifikation der Winterangebote: Um ein breiteres Publikum anzusprechen, setzen die Skigebiete auf alternative Winteraktivitäten wie Winterwanderungen, Snowkiting, Tubing und organisierte Events. Kooperationen mit höher gelegenen Skigebieten durch gemeinsame Skipässe sollen den Zugang zu schneesicheren Pisten erleichtern und für ein besseres Besucherlebnis sorgen.

4. Ausbau des Sommertourismus: Da die Einnahmen im Winter möglicherweise sinken, erweitern die Skigebiete ihr Sommerangebot. Aktivitäten wie Ziplines, Gleitschirmfliegen und Mountain Carts sollen die Besucherzahlen auch in den wärmeren Monaten steigern. Familienfreundliche Angebote, Open-Air-Events und Themenwanderungen stärken die Attraktivität der Gebiete im Sommer und helfen, eine ganzjährige Nutzung zu fördern.

5. Strategische Preisgestaltung: Höher gelegene, schneesichere Gebiete könnten künftig höhere Preise für Skipässe verlangen, da sie stabilere Schneebedingungen bieten. Die Preisgestaltung bleibt jedoch flexibel und orientiert sich an der Nachfrage der Gäste.

6. Förderung nachhaltiger Anreise: Da die Anreise der Touristen den grössten Teil der CO₂-Emissionen verursacht, werden neue Konzepte wie direkte «Schneezüge» entwickelt, die Gäste ohne Umsteigen in die Skigebiete bringen. Die Infrastruktur wird so angepasst, dass Skifahrer auf demselben Gleis in die weiterführenden Züge umsteigen können.

Projekt «Kompass Schnee»

Das Projekt «Kompass Schnee» fokussiert sich auf Anpassungsstrategien des Schweizer Wintertourismus in Zeiten des Klimawandels. Viele Bergregionen stehen vor grossen Herausforderungen, besonders in tieferen Lagen.

Das Projekt wird von einer Allianz aus Seilbahnen Schweiz (SBS), dem Verein Schweizer Tourismusmanager:innen (VSTM) und Schweiz Tourismus (ST) getragen. Es setzt wissenschaftlich fundierte Daten ein, um die künftige Schneesituation in verschiedenen Höhenlagen zu prognostizieren und zu bewerten, inwieweit Rückgänge durch Massnahmen wie Beschneiung oder Pistenoptimierung kompensiert werden können. Unterstützt wird das Projekt von der ETH Zürich und dem WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung.

Ziel ist es, die Abhängigkeit der Tourismusregionen vom Schneesport zu ermitteln und spezifische Anpassungsstrategien sowie neue Angebotskonzepte zu entwickeln. Die Ergebnisse sollen den Tourismusregionen helfen, ihre Strategien auf fundierter Basis zu steuern und die Rahmenbedingungen für eine zukunftssichere touristische Entwicklung anzupassen. Erste Ergebnisse des Projekts «Kompass Schnee» werden im Sommer 2025 veröffentlicht.

(GWA)