Ferienland Schweiz
Kommentar Keine Verbotsschilder für Touristen nötig
Gregor WaserIn der Südsee dürfen wir, die Reiseweltmeister, die Einheimischen also ungefragt aus wenigen Metern knipsen und zuhause dann Stolz die Bilder mit Baströcklis und Kopfschmuck als Trophäe herumzeigen. Umgekehrt verhält sich das ein wenig anders.
In diesen Tagen schwappt eine Welle der Empörung durchs Land – darüber, dass diese bösen Selfie-Touristen aus Asien mir nichts dir nichts plötzlich in Hauseingängen von Bergdörfern stehen und sich ablichten.
Also, ein typischer Fall von Doppelmoral oder zumindest divergierender Betrachtungsweise.
«Verbotsschilder gegen aufdringliche Touristen», titelt heute die Pendlerzeitung «20 Minuten» und berichtet aus dem Tourismus-Hotspot Lungern im Kanton Obwalden, wo versucht wird, den Touristen mit Verboten beizukommen. In den Leserkommentaren wird der Vermarktungsorganisation der Ball zugespielt: «Es wäre doch die Aufgabe für Schweiz Tourismus, die in der Schweiz geltenden Regeln in die erforderlichen Sprachen zu übersetzen und bekannt zu machen».
Gemach, gemach. Erst wollten wir eine grosse Nummer im Tourismus sein und haben ja auch nichts dagegen, fette Tagesumsätze von Weithergereisten einzustreichen, doch in unserem Garten stehen dürfen diese dann halt schon nicht.
Schweiz weit entfernt von Overtourism
Ja, Overtourism kann ein Problem sein. Im heutigen Travelnews-Interview sagt Tourismusexpertin Beatrix Morath sogar, dass der Overtourismus noch lange nicht am Höhepunkt angelangt ist.
Doch Verbotsschilder braucht es in der Schweiz nicht, wir haben kein Overtourism-Problem, zumindest kein breitflächiges. Punktuell womöglich ja, an einigen wenigen Orten, aber auch nicht rund um die Uhr. Eine schroffe Abwehrhaltung ist jedenfalls nicht angebracht. Es reicht auch mal mit einem Lächeln das Gespräch zu suchen, statt Touristen unwirsch anzuherrschen und zurechtzuweisen, wie Travelnews im Berner Oberland auch schon erleben musste («Stress am Bahnhof Eigergletscher»).
Der wahre Overtourism spielt sich im südlichen Europa ab, wo es ein zunehmendes Problem gibt, wenn die Wohnungspreise in die Höhe schiessen, der Lärm der Rollkoffer rund um die Uhr durch die Gassen hallt oder die Hotels und Golfplätze den Einheimischen das Wasser abzapfen. Davon ist die Schweiz noch weit entfernt – sie sollte sich auf charmante Gastfreundschaft besinnen und bei einem Fehlverhalten das freundliche Gespräch suchen.