Ferienland Schweiz

Das «Top Taste of Grindelwald Alpine Excellence Food Festival» soll das berühmte Bergdorf auch kulinarisch fest auf der Landkarte verankern. Bilder: Anja Zurbrügg

Kulinarische Offensive in Grindelwald

Im Feriendorf unter der Eigernordwand haben mehrere innovative Hoteliers neue Häuser eröffnet oder ältere neu interpretiert. Aber nicht nur für die Berge, auch für die Küche soll Grindelwald bekannt werden. Dazu gehört ein Food Festival.

«Seit 2017 beschäftigt sich Grindelwald mit der Entwicklung des Gästesegmentes der kulinarisch interessierten Gäste», sagt Tanja Münker. Sie ist nicht nur Gastgeberin im noch jungen, stylischen Viersterne-superior-Haus «Bergwelt», sondern auch Präsidentin eines im Dezember 2023 gegründeten Vereins mit dem etwas sperrigen Namen «Top Taste of Grindelwald Alpine Excellence Food Festival». Er soll das berühmte Bergdorf vor der grandiosen Kulisse der Berner Oberländer Dreitausender auch kulinarisch fest auf der Landkarte verankern.

Schon zuvor hatte es einen Probelauf gegeben: Tanja Münker, eine begeisterte Bergsteigerin, die aus Frankfurt stammt, organisierte das Festival «Mountain Flavors». Es lockte am letzten Oktoberwochenende 2023 in der «Bergwelt» und am Food Truck vor der «Pinte», der ältesten Beiz am Ort, die ebenfalls von der «Bergwelt» betrieben wird, zahlreiche Gäste an. Urs Gschwend, vom Basler «Trois Rois» herkommend, hatte im Februar 2023 das Kommando über die «Bergwelt»-Küche übernommen. Der Spitzenkoch und sein Team stellten an jenen Abenden ihre Kochkünste quasi ins Schaufenster.

Fine Dining statt Bratwurst

Am Freitagabend, 10. Mai, fand nun der erste, grosse Event des «Top Taste of Grindelwald Alpine Excellence Food Festival» statt. Im besten Haus am Platz, dem «Romantik Hotel Schweizerhof», präsentierten Küchenchefs aus fünf Betrieben, die insgesamt 74 Punkte Gault-Millau und einen Michelin-Stern auf sich vereinen, ihre Künste. Unterstützt wurden sie vom Altmeister aus der Küche des «Gstaad Palace», Franz Faeh.

Neben Urs Gschwend und seiner Equipe aus der «Bergwelt» trat David Rosza auf, der im «Belvedere» für das Restaurant «1910 Gourmet by Hausers» einen Michelin-Stern und 15 Gault-Millau-Punkte erkocht. Das «Belvedere», das seit 1907 von der Familie Hauser betrieben wird, ist eines jener Häuser, die für die Aufbruchstimmung in Grindelwald verantwortlich sind. Mit den Geschwistern Philip und Carole Hauser hat jetzt die vierte Generation die Verantwortung für die Weiterentwicklung des Traditionshotels übernommen. Zu deren Strategie gehört das neue Angebot einer Küche für Gourmets.

Am Freitagabend kamen Foodies in Grindelwald voll auf die Rechnung.

Mit von der Partie im «Schweizerhof» war auch der junge Berner Koch Aurélien Mettler vom «Hotel Fiescherblick». Der «Fiescherblick» ist, wie die «Bergwelt» (eröffnet im Sommer 2021) oder das «Glacier», ein gelungene Beispiel für die junge Hotellerie, die sich im Bergdorf etabliert. Die zwei enthusiastischen Gastgeber, die Brüder Matthias und Lars Michel, entstammen einer Familie, die seit fünf Generationen im Grindelwalder Gastgewerbe wirkt.

Gegenüber dem Familienbetrieb «Gletschergarten» übernahmen die Brüder ein leerstehendes Haus und verwirklichten mit dem Hotel mit 19 Zimmern ihre Vision von moderner Gastlichkeit. Das Haus ist eine gelungene Mischung von Berner Oberländer Alpenschick und nüchternem skandinavischem Stil, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass die Mutter der beiden Gastgeber zur Hälfte Dänin ist.

Wenig älter als der «Fiescherblick» ist das Neukonzept des «Boutiquehotel Glacier». Justine und Jan Pyott übernahmen das traditionelle Chalet-Hotel «Glacier» mit direktem Blick auf die Eigernordwand 2017 und bauten es mit viel Aufwand und Sorgfalt komplett um. Die beiden, die inzwischen zwei Kinder haben, sind sportliche Quereinsteiger: Sie ist Basejumperin, er gehörte einst zur Triathlon-Weltelite. Dass man im «Glacier» ausgezeichnet tafeln sollte, gehörte von Anfang an zum Konzept der Pyotts. Damals, erzählt Justine Pyott, war es noch schwierig, in Grindelwald wirklich gut zu essen; Rösti, Cordon Bleu und Bratwurst dominierten die Szene.

Im Romantik Hotel Schweizerhof» präsentierten Küchenchefs aus fünf Betrieben ihre Künste.

Zuerst wirkte der Einheimische Jonas Messer in der «Glacier»-Küche und erreichte bereits 13 Gault-Millau-Punkte. Dann kam Robert Steuri und erkochte 15 Punkte. Der überaus talentierte französische Chef Paul Cabayé und seine Schweizer Sous-Cheffe und Lebenspartnerin Stephanie Zosso, die schon eine ganze Reihe von Wettbewerben und Auszeichnungen gewonnen haben, legten schliesslich nochmals zu, so dass das «Glacier» mit 16 Gault-Millau-Punkten heute Grindelwalds inoffizielle Spitzenküche anbietet.

Mit von der Partie am Gourmet-Abend im «Schweizerhof» war schliesslich dessen neuer Küchenchef Adrian Bolsmann, der die 14 Gault-Millau-Punkte seines Vorgängers Markus Handau noch übertreffen möchte. In einem Hotel, das zwar fünf Sterne besitzt, aber auch von asiatischen Reisegruppen und von arabischen Grossfamilien lebt, die punkto Kulinarik andere Vorstellungen haben als individuelle Gäste, sei es nicht ganz einfach, ein Gourmetrestaurant zu betreiben, räumte «Schweizerhof»-VR-Präsident Rolf Portmann ein.

Ausgelassene Stimmung

Am Freitagabend kamen Foodies allerdings voll auf die Rechnung: Kaviar und Felchenfilets aus dem Tropenhaus Frutigen, Pilzbällchen, Tatarkügelchen auf Wasbai-Schaum und andere kleine Köstlichkeiten, dazu ein Käse- und ein Dessertbuffett liessen wenige Wünsche offen. Und da es zum ersten Mal seit langem wieder ein angenehm milder, trockener Abend war und man sich im weitläufigen «Schweizerhof»-Park unter dem Sternenhimmel verlustieren konnte, war die Stimmung ausgelassen und optimistisch. Auch die auf einer Mauer aufgereihte Parade leerer Champagnerflaschen zeugte von einem sympathischen Abend.

An dessen Ende jedenfalls war Güler Bozkiraç überaus zufrieden. Die Baslerin leitet den «Schweizerhof» und die dazugehörigen Chalets und Ferienwohnungen zusammen mit Mario Resch. («Er ist der Aussenminister und für den Verkauf zuständig, ich bin die Innenministerin. Und wir sind kein Paar, was die Arbeit erleichtert», sagt sie.) Auch wenn einige Veranstaltungen am Samstagabend, 11. Mai, wegen mangelndem Interesse abgesagt werden mussten, sei der Auftakt gelungen, findet sie. Für das nächste Food Festival 2025 stehen die Daten bereits fest.

Tanja Münker (Bergwelt, links) und Güler Bozkiraç (Schweizerhof).

Trotzdem herrscht unter Grindelwalds Hôteliers und Hôtelières nicht eitel Sonnenschein. Mehrere Projekte, zum Beispiel eines des Ehepaars Pyott und ein Erweiterungsbau des «Schweizerhof», drohen an den Lokalbehörden zu scheitern, die sich wenig kooperativ zeigen. Und das ehemalige Luxushotel «Regina» steht nach wie vor als riesige Bauruine beim Bahnhof. Zwar gibt es konkrete Umbaupläne; mit dem Bau wurde allerdings noch nicht begonnen.

Trotzdem war Tanja Münker, in deren «Bergwelt» am Samstagabend ein weiterer Festival-Anlass stattfinden sollte und am Sonntagvormittag ein Jazz-Brunch, am späten Abend zwar ziemlich müde, aber überglücklich: «Wir sind dem Ziel, Grindelwald als Gourmet-Destination zu etablieren, ein gutes Stück nähergekommen», freute sie sich.

(-GEL)