Ferienland Schweiz
Einwurf Stress am Bahnhof Eigergletscher
Gregor WaserIm Dezember 2020 eröffnete der imposante Bahnhof Eigergletscher auf 2320 Metern, ab Grindelwald geht’s mit dem Eiger Express in nur 15 Minuten rasant hoch. Hier steigen die Touristen dann um auf die Jungfraubahn, um nach ganz oben auf das Jungfraujoch zu gelangen, auf 3466 Meter, Top of Europe. Die Route mit dem Eiger Express ist beliebt und eigentlich 45 Minuten schneller als die reine Bahnfahrt ab Interlaken via Lauterbrunnen und Wengen.
Fehlten den Jungfraubahnen in den Pandemiejahren 2020 und 2021 rund zwei Drittel der Gäste, belief sich das Minus 2022 noch auf 40 Prozent. Schliesslich stammen über 70 Prozent der Gäste aus Asien.
In diesem Jahr sind die internationalen Gäste nun mit voller Wucht zurück, wie Travelnews am Montagmorgen feststellen konnte. Die 44 Gondeln mit je 26 Sitzplätzen des Eiger Express sind mit Gästen aus Indien, Korea, Indonesien oder den Emiraten gut gefüllt. Die Vorfreude auf das Bergerlebnis ist in der Gondel spürbar, das Staunen über die Eigernordwand gross, die Smartphones sind durchs Band gezückt.
Schroffer, irritierender Ton
Am Bahnhof Eigergletscher fällt die Euphorie aber dann schlagartig in sich zusammen. Beim Umstieg an den Drehkreuzen zur Jungfraubahn geht nichts mehr. Warten ist angesagt.
In einem grünen Bereich sollen jene Leute warten mit einer Sitzplatzreservation, in einem gelben Sektor solche ohne. Voraussichtliche Wartezeit: 40 Minuten. Wobei es für die Gäste im gelben Sektor ohne Reservation ungewiss ist, ob es dann auch wirklich Platz für sie in der Jungfraubahn geben wird, wie vom Personal auf Nachfrage zu hören ist.
Wer weder Deutsch noch Englisch versteht, versteht gar nichts. Neben uns schlüpfen drei asiatische Gäste unter der Absperr-Kordel hindurch, um in den grünen Bereich zu anderen Mitgliedern ihrer Gruppe zu gelangen. Jetzt schreiten aber Bahn-Mitarbeitende in ihren orangen und gelben Westen ein. Und vergreifen sich im Ton: «Do you have reservation? No? So go back to the yellow area», herrschen sie die asiatischen Touristen in einem schroffen Ton an. Die bedröppelten Touristen fügen sich und schauen verloren umher.
Dann endlich werden aus dem grünen Sektor erste Gäste durchs Drehkreuz gelassen. Das Bangen im gelben Bereich, ob wohl noch freie Plätze übrig bleiben, ist gross. Wir stehen in der zweiten Reihe und schaffen den Cut gerade noch.
Endlich sitzen wir im Zug hoch aufs Joch, teilen mit einem chinesischen Vater und seiner Tochter die vier Sitze mit eingezogenen Knien. Ein junger asiatischer Gast erkundet sich bei der Zugbegleiterin, wo er sich denn hinsetzen könne. «Here, don’t you see?» sagt diese knapp und klappt unwirsch einen Sitz vor der Türe runter. Der junge Tourist, wohl ein Koreaner, scheint von der Tonlage irritiert und starrt in sein Handy.
Wir schämen uns fremd und versuchen uns in Smalltalk, um die peinliche Stimmung zu biegen. Unsere Sitznachbarn verstehen aber davon kaum ein Wort.
Schweizer Bergbahnen mit gleichen Problemen wie die Flughäfen
Endlich sind sie also zurück, die internationalen, gut zahlenden Touristen. Doch vorbereitet auf den Ansturm scheinen noch nicht alle zu sein. Und wie schon am Flughafen Zürich, wo sich seit Wochen lange Schlangen bilden und es zu wenig Personal an den Sicherheitskontrollen hat, scheint auch bei den Jungfraubahnen nach drei überaus ruhigen Jahren, das System auf den grossen Ansturm noch nicht eingeölt und eingespielt.
Ja, es ist richtig, beim Kauf des Tickets ist auf der Webseite klar nachzulesen: «Für die Reise auf das Jungfraujoch empfehlen wir dringend eine kostenpflichtige Sitzplatzreservation». Wer also keine Reservation für 10 Franken erworben hat, begibt sich in eine Lotterie, ob er oder sie wirklich mit dem nächsten Bähnli hochkommt. Bei einem Preis von 218 Franken – Halbtax- und GA-Besitzer und wohl auch internationale Gäste, die via Touroperators gebucht sind, zahlen rund die Hälfte – ist das System aber schon sehr fraglich und sorgt für unnötigen Stress am Bahnhof Eigergletscher, bei den Gästen und den Mitarbeitenden.
Ja, eine Absperr-Kordel ist da, um dahinter zu stehen und zu warten. Wer unten durchschlüpft, muss mit Ärger rechnen, das ist auch in Seoul und Jakarta bekannt.
Doch offensichtlich liegen die Nerven bei den Bahnangestellten blank, sie scheinen sich ob der vielen Gäste der letzten Tage und Wochen zunehmend zu nerven. Ob an diesem Montagmorgen zu wenige Leute im Dienst stehen? Scheint so, dass auch die Schweizer Bergbahnen ähnliche Probleme haben wie der Flughafen Zürich. Einige helfende Mitarbeitende mehr wären nötig, auch solche mit Sprachkenntnissen über Deutsch und Englisch hinaus. Denn ein Grossteil der Gäste, die in die grünen und gelben Zonen gedrängt werden, haben keinen blassen Schimmer, was hier abgeht.
Unser Wunsch an die Jungfraubahnen: Führen Sie gleich eine zwingende Sitzplatzreservation ein, vergessen Sie diese Einteilung in Wartezonen, erlassen Sie die Reservationsgebühr, der Preis ist ja jetzt schon hoch. Und bitte verzichten Sie auf den schroffen Ton. Die asiatischen Gäste sind von weither hierher gereist, lassen viel Geld liegen und sind sich eine solche Tonalität meist auch nicht gewohnt. Ansonsten endet das touristische Sommermärchen nach dreijähriger Flaute wieder abrupt.