Ferienland Schweiz
Eine Stadt geht in die grüne Offensive
Silvia Schaub«Ça bouge!», meint Olivier Mathieu strahlend. Zürich und Basel seien zwar stark in Sachen Nachhaltigkeit, «aber wir wollen ganz vorne dabei sein», sagt der Manager für Nachhaltigkeit bei Lausanne Tourisme. Dafür steckt sich die jüngste und lebendigste Stadt im Kanton Waadt hohe Ziele – nicht erst seit gestern. Zum Beispiel bis 2030 kein CO₂ mehr auszustossen. Weitere rund 150 Massnahmen stehen auf der Agenda.
Erste Resultate kann die Stadt mit 145'000 Einwohnern bereits vorweisen – und auch Auszeichnungen. So wurde sie 2018 mit dem European Energy Award Gold zertifiziert. Im vergangenen Jahr zog Lausanne im Rahmen der «One Planet City Challenge» von WWF innerhalb der Schweiz als Sieger ins internationale Finale ein (dort allerdings gewannen Lund, Schweden, und Bogotà, Columbien). Die Städte mussten dazu detailliert zu verschiedenen Bereichen rapportieren, wie etwa ihre Ziele für die CO₂-Reduktion, Anpassungen an die Klimaerhitzung oder Evaluationen der Klimarisiken.
Viele Ideen für nachhaltige Aktivitäten
«Natürlich möchten wir auch unsere Gäste dazu bewegen, möglichst nachhaltig zu reisen», erklärt Olivier Mathieu. Denn nicht nur die im letzten Jahr eröffneten Museen im neuen Kunstquartier direkt beim Bahnhof sollen mehr Gäste in die Capitale olympique locken.
So lancierte Lausanne Tourisme im letzten Jahr einen Online-Führer für verantwortungsbewusste Reisende. Neben Adressen um die lokale Gastronomie und Hotels, die das Label «Swisstainable» von Schweiz Tourismus tragen, findet man auch Secondhand-Läden oder Wander- und Fahrradvorschläge – eine wahre Fundgrube an Ideen für nachhaltige Aktivitäten in der Stadt. Nichts wie los also in die vielleicht grünste Stadt der Welt.
Wir treffen Alix Besson, eine der «The Lausanner»-Botschafterinnen, die auf einer Platform ihre persönlichen Highlights der Stadt verraten. Die Französin ist zwar nicht hier geboren, kennt die Stadt aber aus dem Effeff, fotografiert leidenschaftlich gerne und flaniert am liebsten durch die Parks. Und davon gibt es einige. Insgesamt bietet Lausanne rund 350 Hektaren an Grünflächen – ein Paradies für Gartenliebhaber und Sportler. Diesen begegnet man zuweilen auch mitten in der Stadt beim Joggen den Berg hinauf und hinunter.
Wie auf dem Land
Wer etwas weiter hinaus will, nimmt wie wir den Bus nach Sauvabelin, oberhalb der Stadt. Ab der ersten Hotelübernachtung (bis maximal 15 Nächte) bekommt man die Lausanne Transport Card für Zug, Bus, S-Bahn und die längste Metro der Schweiz mit zwei Linien quer durch die Stadt gratis. Bei Sauvabelin sind wir uns zwar noch in der Stadt, fühlen uns aber wie auf dem Land.
Am künstlich angelegten See befindet sich ein Tierpark von Pro SpecieRara mit Ziegen, Wollschweinen und weiteren Tieren. Im Nu sind wir beim Tour de Sauvabelin. Wer es hinauf wagt, geniesst einen tollen Rundblick über die Stadt und den Genfersee. Aber auch ein paar Hundert Meter weiter unten ist das Panorama noch bezaubernd. Vor allem im Parc de l’Hermitage, wo uns Alix viel über die alten Bäume zu erzählen weiss. Etwa über die Hêtre pleureur (Trauerbuche), die vor zwei Jahren einem Sturm zum Opfer fiel. Doch aus ihren Wurzeln wachsen nun neue Bäumchen. Hier hilft sich die Natur selbst, während andernorts in der Stadt etwas nachgeholfen wird. So sollen zur Anpassung an die Klimaerhitzung bis 2040 so viele Bäume gepflanzt werden, dass sich die Blattfläche verdoppelt.
Gefühlte alle paar Meter treffen wir wieder auf eine öffentliche Grünfläche. Inzwischen ist es schon fast dunkel und wir stehen im Parc de Mont Repos im Zentrum der Stadt unter dem mächtigen Ginkgo-Baum. Über 160 Jahre alt ist er und 25 Meter hoch. Seine Blätter leuchten märchenhaft golden bei unserem Besuch.
Die Stadt hat aber neben ihren Parks und Gärten noch viel mehr zu bieten, wie wir auf der Website entdecken. Und falls man eines der ausgewählten touristischen Produkte des nachhaltigen Reiseführers bucht, kann man gleichzeitig Gutes tun. Lausanne Tourismus ist dem Programm von myclimate «Cause We Care» beigetreten. Der über dieses Programm erwirtschaftete Beitrag wird vom Tourismusbüro verdoppelt und in Nachhaltigkeitsprojekte investiert, um die betreffenden Aktivitäten klimaneutral zu machen.
Man muss auch nicht unbedingt ins Flugzeug steigen, um die Welt zu erleben. Wer das Quartier du Rôtillon mit seinen kleinen farbigen Häusern aufsucht, wird sich wie in der Cinque Terre fühlen, am Strand von Vidy wie auf der Insel Elba oder an der Promenade de la Ficelle wie auf der Highline in New York. Und im Café de l’Hôtel de Ville wähnen wir uns fast in Paris. Das Publikum ist jung, die Gerichte köstlich und die Stimmung anregend.
International und jung
Ohnehin fällt beim Flanieren durch die Stadt auf, wie international sie ist und wie viele junge Menschen hier leben. Nicht überraschend für Olivier Mathieu, schliesslich gibt es in Lausanne über 200 Schulen. Allen voran die École hôtelière de Lausanne, die Kunsthochschule ECAL sowie die UNIL. Letztere wurde gerade als zweitnachhaltigste Universität der Schweiz ausgezeichnet.
«Die jungen Leute sind es auch, die Schwung in das Klima-Thema bringen. » Dazu kommt, dass die Stadt schon seit rund 30 Jahren eine grüne Politik fährt. Auch der Tourismus trägt seinen Teil dazu bei. Als Instrument dient das Projekt LMCare (ein schönes Wortspiel: Elle aime Care), eine Zusammenarbeit mit dem nahen Montreux, das sich ebenfalls aktiv für die Nachhaltigkeit der Destination einsetzt und wie ein Thinktank funktioniert. Olivier Mathieu ist überzeugt: «Auch eine kleine Region wie jene von Lausanne und Montreux kann die Ambition haben, eine grosse Destination zu sein. » Dabei wolle man mit möglichst vielen Partnern auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Dass man sich in dieser Stadt wohlfühlt, ist nicht nur ein subjektiver Eindruck. Auf dem Smart City Index (SCI), der jährlich ein Ranking der besten Städte herausgibt, platzierte sich Lausanne im vergangenen Jahr auf Rang 5. Dabei werden Kategorien wie Sicherheit und Stadtmanagement, Schul- und Weiterbildung, aber auch Grünflächen und Gesundheits- und Recycling-Einrichtungen sowie kulturelle Aktivitäten bewertet.
Manchmal spürt man das nachhaltige Handeln auch an ganz kleinen Details, wie zum Beispiel in der Brasserie de Montbenon, als der nette Kellner höflich fragt, ob man Brot zum Salat möchte. «Um Abfälle zu vermeiden, schneiden wir nur auf, wenn es auch gewünscht wird.» Kein Wunder, bezeichnet das kultige Lifestyle- und Reisemagazin Monocle Lausanne als die «beste kleinere Stadt der Welt».