Ferienland Schweiz
Ferien im mobilen Maiensäss mitten in der Natur
Artur K. VogelDass «mySaess» phonetisch an «Maiensäss» anklingt, ist Programm: Viele Maiensässe oder Vorsässe, das heisst gerodete Alpen unterhalb der Baumgrenze, sind in den letzten Jahrzehnten in Ferienhäuser und Zweitwohnungen umgewandelt worden.
Und darauf fusst die Idee des Berner Designers Jerôme Rütsche: «Wir möchten Menschen, die sich kein Ferienhaus leisten können, die Möglichkeit bieten, trotzdem abseits des Rummels Ferien machen zu können.» Zu diesem Zweck hat Rütsche den ersten Prototypen eines Häuschens entworfen und hergestellt, das auf einem fahrbaren Untersatz steht. Das knapp zehn Quadratmeter grosse mySaess, ganz aus Holz gebaut, bietet auf kleinstem Raum Schlafplätze für bis zu vier Personen. Ausserdem gibt es eine kleine Küche, eine Toilette, Strom und Wasser sowie eine Fussbodenheizung. Der elektrische Strom und die Energie für die Heizung werden von einer Fotovoltaikanlage produziert; für die Küche und das Heisswasser kommt Gas zum Einsatz.
Auf kleinstem Raum
«Wir wollten auf kleinstem Raum ein gutes Raumgefühl erzeugen», sagt Rütsche dazu. Natürliche Materialien wie Wolle, Holz und Linoleum schaffen eine gemütliche Atmosphäre. Eine Terrasse unter einem grossen Vorzelt, das an ein Nomadenzelt oder eine Jurte erinnert, erweitert den Wohnraum nach draussen. Dort schafft eine Feuerschale eine romantische Abendstimmung und lädt zum Bräteln ein. «Das Zelt unterstreicht den nomadischen Charakter des mySaess», ergänzt er.
Das mobile Ferienhäuschen kommt wie eine Mischung zwischen einem Hotelzimmer im trendigen Alpenschick und einer puristischen Alphütte daher. Bei der Konzeption des mySaess haben die Initianten grössten Wert auf Stil und Handwerk gelegt. MySaess wird in der Region Bern von regionalen Schreinern, Wagenbauern und Zeltnähern hergestellt und könnte seriell gebaut werden. Bettwäsche und Matratzen stammen aus Schweizer Kleinbetrieben; das Geschirr von der jungen Keramikerin Zoé Vaistij.
Der erste Prototyp ist seit September 2020 im Einsatz und hat schon mehrere hundert Gäste beherbergt. Das mySaess kann überall aufgestellt werden; eine Baubewilligung ist nicht nötig, weil es sich nicht um eine feste Installation handelt. Bisher stand es unter anderem auf einem Bauernhof im Naturpark Gantrisch. Bis Ende Juni findet es sich nun in der sanften Hügellandschaft von Oberbalm zwischen Bern und Schwarzenburg. Die Betreiber übernehmen den Auf- und Abbau und kümmern sich um die Buchungen. Die Partner, welche das Land für das mySaess zur Verfügung stellen, erhalten dafür eine Entschädigung und verpflichten sich, die Trinkwassertanks nachzufüllen.
Finanzierung per Crowdfunding
Bisher haben Landwirtschaftsbetriebe mit mySaess zusammengearbeitet. «Wir wollen unseren Gästen die Möglichkeit bieten, in schöner ländlicher Umgebung zu übernachten», sagt Rütsche dazu. Es kämen aber auch Tourismusorganisationen, Gemeinden oder Hotels in Frage, die ihrer Klientel mit dem mySaess eine zusätzliche Option für eine ungewöhnliche Übernachtung bieten möchten, sagt der Designer. Man kann ein mySaess auch kaufen; der Preis startet je nach Ausstattung bei 58'000 Franken.
Um weitere Einheiten zu finanzieren und ihr Start-up weiterzuentwickeln, haben die Initianten auf crowdify.net ein Crowdfunding gestartet, das noch bis Ende April läuft und bis zu 250‘000 Franken erbringen soll. Vorerst sind fünf mySaess geplant, längerfristig auch mehr. Im Idealfall sollte sich deren Verbreitung über die Region Bern hinaus in die ganze Schweiz erstrecken. «Unser Ziel ist die sanfte Tourismusförderung und das Bereitstellen eines nachhaltigen Ökosystems – so machen wir beispielsweise auch regionale Produkte und Dienstleistungen über unsere Website buchbar», sagt Jérôme Rütsche dazu.
Weitere Infos: https://mysaess.ch