Ferienland Schweiz

Autor Michael Bötschi (l.) und Robin Engel im Val Madris, beim Abzweiger aus dem Val Ferrera kurz vor Juf. Alle Bilder: REN

Kantons-Challenge mit Robin & Michael, Teil 11: Graubünden

Michael Bötschi

Zwei Reiseprofis haben während der Pandemie aus einer Schnapsidee eine spannende Tour durch alle Schweizer Kantone gestartet. Für die Travelnews-Leserschaft teilen sie ihre Erfahrungen und Eindrücke.

Für die neuste Tour war einmal mehr Spontanität gefragt. Wie schon oft in diesem Sommer, lag die Wahl der Destination nicht ganz allein in unseren Händen. Der wankelmütige Petrus schien sich auch diese Woche nur schwer entscheiden zu können, was er wettertechnisch so alles anstellen möchte. Für den Norden war einmal mehr «Menu Surprise»-Wetter angesagt, weshalb wir uns für einen Kanton im Süden entschieden. Nicht, dass wir das so geplant hätten, aber schon Wilhelm Tell wusste: Es ist immer wichtig, noch einen zweiten Pfeil im Köcher zu haben.

Robin, der «Tätschmeister» des heutigen Tages, griff also nach seinem Reservepfeil und hat uns kurzerhand eine Tour durch den Kanton Graubünden mit Fokus auf die beiden Regionen Viamala und Surselva im Nordosten des Kantons zusammengestellt. Auf ins Bündnerland!

Val Ferrera

Vorbei an der spektakulären Viamala-Schlucht fuhren wir von Thusis aus in Richtung Splügen/San Bernardino. Natürlich wie es sich auf der Kantons-Challenge gehört, also auf der kurvigen, alten Kantonstrasse und nicht auf der schnelleren Umfahrungsstrasse. Kurz nach der Rofflaschlucht ging es links weg ins Val Ferrera, unserem ersten Tagesziel.

Etwa in der Talhälfte, kurz nach Innerferrera, bogen wir dann rechts zum Val di Lei und seinem Stausee ab. Die letzten Meter führten durch einen schmalen, einspurigen Tunnel, welcher in der Nacht durch eine Art Garagentor geschlossen werden kann. Auf der anderen Seite wartet ein beeindruckender Staudamm, der das Wasser des schlauchförmigen Lago di Lei zurückhält. Wir spazierten ein paar Meter über den Damm und überquerten auf der gegenüberliegenden Seite die grüne Grenze nach Italien. Es lohnt sich diese Ecke mal auf einer Karte zu betrachten. Tatsächlich ist der Lago di Lei nämlich grösstenteils italienisch. Der Damm aber ist zu 100% in Schweizer Hand – nicht das die Italiener noch unsere Täler fluten.

Am Ende des Stausees befindet sich dann allerdings auch noch ein Stück Schweizer Geschichte auf italienischem Boden. Genauer gesagt die ehemalige Radio-Antenne des ältesten Schweizer Privatradiosenders «Radio 24» auf dem Pizzo Groppera, von welchem aus in den Jahren 1979 bis 1983 als «Piratensender» bis in die Schweiz gesendet wurde.

Der Stausee Lago di Lei im Val di Lei - von der italienischen Seite aus gesehen.

Avers-Juf

Wieder zurück auf der Hauptverkehrsachse ging es weiter in die Gemeinde Avers. Das Ende der Strasse im Val Ferrera bildet das kleine 30-Seelendorf Avers-Juf. Übrigens die höchstgelegene, ganzjährig bewohnte Siedlung Europas! Wir stärkten uns im kleinen Gasthaus Alpenrose mit einem Cordon-Bleu und genossen das kahle, aber schöne Bergpanorama. Wer genau hinschaut, entdeckt mit etwas Glück auch das eine oder andere Murmeltier. Auf dem drei Kilometer langen Murmeltierlehrpfad erfährt man viel Wissenswertes über die sympathischen Nager. Die Region bewirbt diesen Lehrpfad auch mit den Worten: «Hier werden Sie ausgepfiffen.» Man könnte auch sagen: «Hier wird Ihnen nachgepfiffen» - ausser zwischen 10.00 und 15.00 Uhr, dann legen die «Murmeli» nämlich oft eine kleine Siesta ein. Logisch, wir befinden uns ja auch im Süden.

Das höchstgelegene dauerhaft besiedelte Dorf Europas: Das hübsche Juf.

Obermutten

Wieder zurück in Thusis, unserem Dreh- und Angelpunkt der heutigen Reise, machten wir uns auf den Weg nach Obermutten. Wir folgten einer kurvigen, geteerten Strasse, die bald in eine Art Schotterpiste überging. Nach einiger Zeit kommt man zu einem (nennen wir es mal) Weiler mit vielen kleinen, dunklen Holzhäusern – der Ort nennt sich Mutten Staffel. Ein paar Kurven weiter oben liegt Obermutten. Würde ich einen Heimatfilm drehen, wäre das hier meine Kulisse. Einzig die kleinen Satellitenschüsseln an den Häusern stören die perfekte Idylle ein klein wenig.

Idyllisch und urchig: Das Dorf Obermutten.

Rheinschlucht

Unser nächster Stopp war die Rheinschlucht. Zugegeben, ein Geheimtipp ist diese schon lange nicht mehr. Sie ist trotzdem immer wieder beeindruckend und einen Abstecher wert. Rund um Versam gibt es gleich mehrere Aussichtspunkte, von welchen man einen grossartigen Ausblick auf die Schlucht geniessen kann. Besonders empfehlenswert ist hierbei die Anfahrt auf der kleinen, engen Strasse von Bonaduz her.

Berühmt, beliebt, atemberaubend: Die Rheinschlucht.

Valendas

Wo steht der grösste Holzbrunnen Europas? In Valendas, das weiss doch jeder, oder etwa nicht? Alle 30 Jahre muss der imposante Brunnen totalrenoviert, respektive neu geschreinert werden. Das Resultat kann sich aber sehen lassen. Übrigens beanspruchen auch die Kitzbüheler Alpen den Titel des grössten Holzbrunnens für sich. Ihr dürft gerne «googlen» und euch ein eigenes Bild machen. Meine Meinung ist aber eindeutig: Ein grosses Dach macht noch lange keinen grossen Brunnen. Der Titel gehört uns.

So sieht er aus, der grösste Holzbrunnen Europas!

Oberalppass

Den Abschluss unserer Tour machte der Oberalppass. Es war bereits Abend, die Dämmerung brach ein und auch der Nebel hielt langsam vom Tal her Einzug. Gut also, steht hier auf der Passhöhe auf rund 2046 Meter über Meer der höchstgelegene Leuchtturm der Welt und wies uns mit seinem roten Scheinwerfer den Weg. Es handelt sich dabei tatsächlich um eine Nachbildung eines holländischen Leuchtturms, der jahrelang an der Rheinmündung in Hoek seine Dienste verrichtet hat. Sein in Alpnach Dorf gebauter «kleiner Bruder» sieht zwar keine Schiffe, leuchtet im Winter aber dafür einigen Skifahrern den Weg zur Abfahrt. Ein einzigartiger Auftrag für einen Leuchtturm.

Der Leuchtturm auf dem Oberalppass weist nur Skifahrern den Weg.

Fazit

Mit Graubünden hat fast jeder Schweizer schon seine Erfahrungen gemacht. Die Städte Davos und Chur oder der schöne Caumasee sind so manchem bekannt. Auch Skiferien in Arosa, auf der Lenzerheide oder im Engadin dürften auf vielen Listen schon abgehakt sein. Diese Ortschaften, welche wir abgefahren sind, waren uns aber grösstenteils neu. Sowieso tue ich mich immer sehr schwer, bei all diesen verschiedenen Tälern und Pässen des Kantons die Übersicht zu bewahren. Robin a.k.a. «Dr. Valley» wusste aber jederzeit, welcher Pass welche Orte verbindet und welches Tal hinter welcher Bergkuppe liegt – nicht schlecht für einen Unterländer. Mein persönliches Tageshighlight war Obermutten. Urchig und idyllisch zugleich – so wie es halt sein muss.

Unglaublich schön: Die Kirche von Avers-Cresta im Val Ferrara.