Ferienland Schweiz

Autor Michael Bötschi (l.) und Fotograf/Tourplaner Robin Engel auf der Murata-Wehrmauer in Bellinzona. Bild: REN

Kantons-Challenge mit Robin & Michael, Teil 5: Tessin

Michael Bötschi

Zwei Reiseprofis haben während der Pandemie aus einer Schnapsidee eine spannende Tour durch alle Schweizer Kantone gestartet. Für die Travelnews-Leserschaft teilen sie ihre Erfahrungen und Eindrücke.

Am Tag unserer jüngsten Kantons-Challenge-Etappe waren die Voraussetzungen so unterschiedlich wie sie nur hätten sein können. Während Robin das letzte Jahr dazu genutzt hat, mit dem Motorrad oder dem Auto jedes noch so kleine Tessiner Tal abzufahren, habe ich unseren südlichsten Kanton schon längere Zeit nicht mehr besucht. Mal ein Eishockeyspiel in Ambri, ein Dolly-Parton-Konzert auf der Piazza Grande und ein paar Ferientage in Ronco sopra Ascona, das fasst meine Vorkenntnisse aus den letzten 10 Jahren ziemlich abschliessend zusammen. In Kloten aufgewachsen, stellte das Gotthardmassiv für mich schon immer eine höhere Hürde dar als die Grenze am Zürcher Flughafen. Zwei Tage mit dem Flugzeug nach London - kein Problem! Zwei Tage ins Tessin? Pfff… ist irgendwie schon noch weit.

Mein Tourguide Robin stellte mir für heute also quasi ein «Einsteiger 2.0» Programm zusammen. Das Ziel: Möglichst viele verschiedene Facetten des Kantons in einem Tagesausflug zusammenzufassen. Andiamo!

Bellinzona

Den Anfang unserer Tour machten die drei Burgen von Bellinzona. Namentlich sind dies das Castello di Sasso Corbaro, Castello di Montebello und das Castelgrande. Zusammen mit der Murata-Wehrmauer gehören diese Bauwerke zum Unesco-Weltkulturerbe. Alle drei Castellos sind in ihrer Art sehr unterschiedlich, wobei uns das mittlere, also die Montebello-Burg, am spektakulärsten erschien. Da alle Festungen gut mit dem Auto zu erreichen sind, lohnt es sich aber auf jeden Fall, alle drei zu erkunden. Die kleine Vormittagstour lässt sich dann perfekt mit einem feinen Mittagessen in der charmanten Altstadt von Bellinzona abrunden.

Sicht vom Castello di Montebello über die Magadinoebene. Bild: REN

Rasa (Centovalli)

Nach der Mittagspause fuhren wir in westlicher Richtung, vorbei an Locarno ins Centovalli. Eine kurvige Strasse schlängelt sich rund 20 Kilometer durch das Tal, bis zur italienischen Grenze. Nach etwa drei Viertel der Strecke erreichten wir Verdasio. Dort stiegen wir in eine kleine Gondel welche uns in schwindelerregender Höhe über das Tal ins malerischen Rasa brachte. Würde man eine Postkartensujet für ein typisches Tessiner Bergdorf suchen, dann wäre es dieser kleine Ort rund 900 Meter über Meer mit seinen etwas mehr als 12 Einwohnern.

Landidylle pur: Der Weiler Rasa im Centovalli. Bild: REN

Bordei (Centovalli)

Der letztmögliche Abzweiger vor Italien führte uns zum Stausee von Palagnedra. Über eine sehr enge, kurvige Strasse ging es weiter nach Bordei. Von Rasa aus, kann man dieses Dorf auch in einer stündigen Wanderung via Terra Vecchia erreichen. Die örtliche Osteria mit seiner schönen Pergola lädt zum Verweilen ein. Etwas versteckt befindet sich der kleine Wildschweinbrunnen – eine Minikopie des «Fontana del Porcellino» in Florenz – und bietet so ein kleines Stück Dorfgeschichte.

Wieder zurück auf der Hauptstrasse, liessen wir es uns als Touristiker natürlich nicht nehmen, noch kurz einen Kontrollcheck zu machen, ob die italienische Grenze denn auch besetzt sei in dieser speziellen Zeit. Die Antwortet lautet: Nein. Einmal ums Zollhäuschen gekurvt und schon waren wir wieder auf dem Rückweg nach Locarno.

In Bordei im Centovalli - fernab der Tessiner Seen, dafür in verträumten Alpentälern. Bild: REN

Locarno (Madonna del Sasso)

Das Funicolare, eine blaue Standseilbahn, bringt den Besucher von der Innenstadt Locarnos hinauf zur «Madonna del Sasso». Die Wallfahrtskirche thront hoch über der Stadt und gehört zu den bedeutendsten historischen Plätzen des Kantons. Die Aussicht über den Lago Maggiore ist schlichtweg atemberaubend. Wer noch etwas mehr Zeit hat, kann in Orselina die Gondel nach Cardada besteigen, wo den Besucher eine noch gigantischere Aussicht erwartet.

Zum Abschluss gönnten wir uns dann auch noch ein kleines Feierabendbier in der Nähe der legendären Piazza Grande in Locarno. Hier kannte endlich auch ich mich wieder etwas aus.  

Ein Wahrzeichen von Locarno: Die Kirche Madonna del Sasso. Bild: REN

Fazit

Es war ein langer Tag mit vielen spektakulären Eindrücken. Wir waren 15 Stunden unterwegs und ich bleibe bei meiner Meinung. Das Tessin ist für uns Zürcher halt irgendwie doch nicht gleich um die Ecke. Wahrscheinlich wird mein nächster Ausflug in den Süden der Schweiz also doch wieder eine Übernachtung miteinschliessen. Trotzdem ist es erstaunlich, was man in einem Tagesausflug so alles entdecken kann, ohne dabei in grossen Stress zu verfallen.

Natürlich haben wir an diesem Tag nur einen Bruchteil dessen abdecken können, was der Kanton zu bieten hat. Da wären ja beispielsweise noch das weltbekannte Verzasca-Tal, das Maggia-Tal oder die südlichste Region rund um den Lago di Lugano. Die Vielfältigkeit des Ticino ist ja sowieso unbestritten.

Der mediterrane Einfluss der Region führte zudem dazu, dass ich mir während des Tages immer wieder selber in Erinnerung rufen musste, dass wir uns ja noch immer innerhalb unserer Landesgrenze befinden. Würde nicht an jeder Ecke Schweizerdeutsch gesprochen werden, könnte man sich direkt in einem anderen Land wähnen. Das Tessin - ein wenig Balsam auf meine von Fernweh geplagte Seele in diesen so besonderen Zeiten.

Auch das ist Schweiz: Eine hübsche Piazza in Bellinzona. Bild: REN