Destinationen

Das Erstarken der Konkurrenz rund ums Mittelmeer und Probleme in Massentourismuszielen kühlen die Nachfrage für Spanien-Ferien ab. Das Land setzt nun auf neue Themen und Ziele, denn tolle Alternativen zu Massenzielen gibt es zuhauf, wie etwa Salamanca (Bild). Bild: Gabriel Fr

Der Spanien-Boom kühlt sich ab

Bis Mitte Jahr reisten 10 Prozent weniger Schweizer nach Spanien in die Ferien als noch im Vorjahr. Das Spanische Fremdenverkehrsamt bleibt gelassen und setzt auf eine Diversifizierungsstrategie.

Die Nachfrage für Ziele in Spanien ist in den letzten beiden Jahren förmlich explodiert. Die bereits zuvor hohe Nachfrage wurde durch die Einbrüche bei anderen beliebten Ferienzielen rund ums Mittelmeer, allen voran der Türkei und natürlich auch Nordafrika, markant befeuert. Die Kanaren und Mallorca, aber auch andere spanische Ziele waren auch bei Schweizer Veranstaltern absolute Top-Seller.

Das ist auch in diesem Jahr noch so. Und doch scheint sich die Nachfrage deutlich abzuschwächen. Aus Zahlen des Spanischen Statistikamts geht hervor, dass die generelle Nachfrage von internationalen Touristen für Spanien im ersten Halbjahr 2018 zwar um weitere 3 Prozent zugenommen hat – doch aus dem Schweizer Markt nahm sie um 10,5 Prozent ab, allein im Juni wurde ein Rückgang von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert registriert. Die Schweiz hat unter den spanischen Tourismusquellmärkten damit den höchsten prozentualen Rückgang. Ebenfalls rückläufig sind die Zahlen aus Deutschland (-5,7 Prozent) und Grossbritannien (-2 Prozent), zwei der grössten Touristen-Quellmärkte Spaniens, dort aber in prozentual geringerem Mass. Alle anderen Länder verzeichnen noch Wachstum bei der Spanien-Nachfrage, und kompensieren somit das Minus.

Faustino Diaz Fortuny

Wieso knickt die Nachfrage aus der Schweiz so deutlich ein? Faustino Diaz Fortuny, Direktor des Spanischen Fremdenverkehrsamts in der Schweiz, erklärt: «Es ist nicht zu leugnen, dass sich die Destinationen im östlichen Mittelmeer und Nordafrika in einer Phase der Erholung befinden.» Deren zunehmende Stabilität verändert den Markt, die Touristenströme verteilen sich dadurch nämlich wieder etwas gleichmässiger auf mehr Destinationen. Ob eine gewisse Sättigung für Spanien in den grossen Quellmärkten wie Deutschland, Grossbritannien und Schweiz nach den Rekordjahren vorliegt, lässt sich nicht direkt behaupten, aber es gibt nun eben wieder mehr Alternativen.

Sorgen macht sich Diaz Fortuny deswegen nicht – er erinnert daran, dass aus dem Schweizer Markt bis 2017 zehn Jahre lang ununterbrochen Wachstum kam und Spanien nach den direkten Nachbarländern weiterhin die am stärksten frequentierte Destination der Schweizer ist. «Wir erwarten zudem, dass sich in den nächsten Monaten die Zahlen erholen werden, vor allem nach der Schliessung der Lücke, die Air Berlin hinterlassen hat», führt Diaz Fortuny weiter aus, «die Schweizer wissen, dass Spanien für die Herbst- und Winterferien und für Städtereisen ein vertrauenswürdiges Reiseziel ist.»

Diversifizierung als Gegenmittel

Das Spanische Fremdenverkehrsamt nimmt natürlich auch die aktuellen Diskussionen um saisonale Engpässe infolge grosser Touristenmassen an gewissen spanischen Zielen ernst. «Mittelfristig arbeiten unsere Unternehmen und Behörden an der Dezentralisierung, Differenzierung und Diversifikation unseres Ganzjahresangebots», erklärt Diaz Fortuny die Strategie, um gegen diese Probleme anzukommen.

Konkret will Spanien den Städte-, Gastronomie- und Golftourismus weiter fördern. Diaz Fortuny holt aus: «Wir wissen, dass Schweizer Gäste die Architektur, die Kunst und den spanischen Lebensstil schätzen und die Qualität der Gastronomie und der Weine lieben. Wir sind davon überzeugt, dass für Golfer, die ihren Sport das ganze Jahr ausüben möchten, unser Klima und die über 350 Golfplätze ein Paradies bieten. Wir denken, dass wir sowohl für aufwändige Individualreisen als auch für kurze Wochenendtrips das perfekte Reiseland sind. Wir möchten alle dazu animieren, die Vielfältigkeit unserer Regionen und Städte kennenzulernen.»

Das Ziel sei, die Schweizer dazu anzuregen, mindestens einmal im Jahr Spanien zu besuchen. Ein hehres Ziel, das angesichts hervorragender Flugverbindungen (16 Nonstopflüge zwischen Städten in der Schweiz und Spanien, mit teils sehr hohen Frequenzen) und vernünftiger Preise aber nicht unmöglich scheint. Dass die Strategie aufgehen könnte, zeigen ebenfalls die oben erwähnten Statistiken: Während die Kanaren und Katalonien, immer wieder im Blickfeld von «Overtourism»-Debatten, im ersten Halbjahr generell etwas nachliessen, konnten Madrid und Valencia stark zulegen, und die Balearen-Nachfrage blieb stabil bzw. wuchs sogar ganz leicht.

Ebenfalls erfreulich aus spanischer Sicht: Während das generelle Besucherwachstum im ersten Halbjahr nur um 1,5 Prozent zulegte, stiegen die Einnahmen aus dem Tourismus um 4,2 Prozent. Und genau darum geht es doch.

(JCR)