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Dunkle Wolken über den Traumstränden von Boracay. Die Massnahmen der philippinischen Regierung, offiziell für Umweltschutz, sind schwierig nachvollziehbar. Bild: Kickflickr

«Boracay hat nicht mehr erste Priorität im Verkauf»

Immer mehr Details zur bevorstehenden Schliessung der philippinischen Ferieninsel werden bekannt. Wie gehen Schweizer Asien-Spezialisten damit um?

Noch immer fehlt die Unterschrift des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte unter einem offiziellen Mandat für die Schliessung der Ferieninsel Boracay. Doch es scheint sich nur um eine Formalität zu handeln. In Interviews mit «CNN Philippines» hat sich Epimaco Densing, Assistant Secretary for Plans and Programs im philippinischen Innenministerium, folgendermassen geäussert: «Die touristischen Unternehmen auf der Insel werden nicht geschlossen. Wer sich an die Umweltschutzdekrete hält, kann offen bleiben, wer sich nicht daran hält, wird geschlossen. Es ist aber so, dass wir nach dem 26. April für sechs Monate keine lokalen oder internationalen Touristen mehr auf die Insel lassen. Diese werden beim Jetty Port physisch am Betreten der Insel gehindert.»

Das klingt irgendwie absurd: Resorts, welche alle Regeln eingehalten haben, dürfen zwar offen bleiben, werden aber ein halbes Jahr lang keine Gäste empfangen können. Der Umwelt mag dies zuträglich sein; für viele lokale Tourismus-Unternehmen wird dies grosse Probleme mit sich bringen. Über die wahren Hintergründe dieser bislang noch nie in dieser Form durchgeführten Massnahme mag nur spekuliert werden.

Das philippinische Tourismusministerium, welches zusammen mit dem Innenministerium und dem Umweltministerium zur Task Force gehörte, welche die drastischen Massnahmen für Boracay erarbeitet hat, ist inzwischen daran, mit touristischen Akteuren die ganze Umorganisation gebuchter Kunden zu koordinieren. Der springende Punkt ist, ob Kunden kostenlos umbuchen können. Das Tourismusministerium sei bereits im Kontakt mit Booking.com, Tripadvisor, Agoda und Hotels.com. Frederick Alegre, Assistant Secretary for Public Affairs, Communications and Special Projects im Tourismusministerium, erklärte gegenüber dem philippinischen Wirtschaftsblatt «BusinessMirror», dass er zuversichtlich sei, da es sich um einen Fall Höherer Gewalt drehe, «weil es um die Rettung der Umwelt aufgrund von Mensch-gemachten Schäden geht.»

Ein Fall von «Höherer Gewalt»?

Eine solche Massnahme auf «Höhere Gewalt» zurückzuführen, ist - gelinde gesagt - abenteuerlich. In der Rechtsprechung liegt Höhere Gewalt nur im Falle von «unabwendbaren Ereignissen» vor, also Naturkatastrophen oder unvorhersehbaren Ereignissen wie Terrorismus oder Krieg. Eine kurzfristig von Regierungsseite angeordnete Schliessung einer Insel fällt wohl kaum unter diese Definition.

Wie gehen also die Schweizer Spezialisten mit der bevorstehenden Schliessung Boracays um? Zunächst einmal halten alle fest, dass eine offizielle Information der Philippinen noch ausstehend ist und viele Details noch nicht bekannt sind. Was nicht heisst, dass man nicht vorbereitet wäre. Stephan Roemer, Geschäftsführer von Tourasia, zeugt von viel Pragmatismus: «Bei einer temporären Schliessung von Boracay buchen wir sämtliche Gäste kostenlos auf gleichwertige Alternativen in den Philippinen um. Die Reise kann auch kostenlos annulliert werden oder an eine andere Destination in Asien umgebucht werden.»

Ruth Landolt, Geschäftsführerin von Asia365, hat alle Kunden, welche nach April 2018 noch auf Boracay gebucht waren, vorsorglich bereits (kostenlos) umgebucht: «Die Kunden haben das akzeptiert und obwohl die Schliessung noch nicht definitiv ist, wollte niemand das Risiko eingehen.» Bei Asia365 ist Boracay zwar noch im Angebot, es geniesse laut Landolt aber längst nicht mehr erste Priorität: «Eigentlich wäre die Insel eine Perle, doch sie leidet seit längerem unter Overtourism und einer überbordenden Partykultur. Wir empfehlen unseren Kunden meist, Boracay auszulassen und andere Inseln wie etwa Bohol zu besuchen. Auf den Philippinen gibt es mit über 7000 Inseln ja genügend Alternativen. Allerdings sind gute Hotels oft schnell voll, weshalb man sich früh entscheiden sollte.»

Bei Travelhouse werden vorbeugend keine Neubuchungen für Abreisen zwischen 1. April und 31. Oktober 2018 nach Boracay mehr entgegengenommen, wie Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir erklärt. Der Schaden halte sich dabei in Grenzen: «Die Sommermonate sind Nebensaison, deshalb haben wir für Abreisen im April nur eine Handvoll Kunden, die einen Aufenthalt auf Boracay gebucht haben. Diese Kunden werden wir individuell kontaktieren und mit ihnen allfällige Alternativ-Lösungen suchen. Sobald wir von unseren Agenten auf den Philippinen eine offizielle Meldung der aktuellen Situation auf Boracay erhalten, werden wir unsere Kunden und Reisebüros sowie Agenten entsprechend informieren.»

Ein letztes Aufbäumen

Natürlich verschwindet Boracay durch eine sechsmonatige Schliessung, hauptsächlich in der Nebensaison, nicht von der touristischen Landkarte. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl, wenn die zweitwichtigste Feriendestination auf den Philippinen einfach per Staatsdekret geschlossen werden kann. Manche werden aber sicherlich auch applaudieren, dass die Duterte-Regierung scharf gegen die lokalen Behörden vorgeht: Bürgermeister, Umweltverantwortliche, Provinzvorsteher, sie alle müssen sich darauf einstellen, vor Gericht gezogen zu werden, weil die Umweltdekrete nicht oder unzulänglich umgesetzt wurden und Boracay bereits seit 2008 die maximal verträgliche jährliche Touristenanzahl überschritten habe. Wie die Duterte-Regierung diese Zahl aber kalkuliert, ist nicht klar. Und eben, diese Regierung hat auch grünes Licht für zwei riesige künftige Projekte auf Boracay (ein Casino und ein Mega-Resort) gegeben, was nicht wirklich im Einklang mit einer grossen «Aufräumarbeit zugunsten der Umwelt» ist. Geschädigt werden mit der Schliessung der Insel ohnehin kleinere, oftmals noch schmucke und nachhaltige Hotels, während Megaprojekte bewilligt werden. Hinsichtlich ökologischer Anliegen ein klarer Widerspruch.

Aktuell hört man übrigens, dass für die Ostertage - auf den katholischen Philippinen enorm wichtige Feiertage - auf Boracay über 58'000 Touristen erwartet werden. Das sind 5 Prozent mehr als im Vorjahr zu Ostern. Rund 20'000 dieser Touristen dürften internationale Besucher sein. Für eine Beurteilung der Besuchernachfrage ab Oktober, wenn Boracay im Prinzip dann wieder geöffnet wird, ist es noch zu früh. Anfragen gebe es bereits. Aber wie Ruth Landolt (Asia365) sagt: «Wir empfehlen auch für die Zeit ab Oktober 2018, eher andere Inseln zu buchen.» Die Philippinen scheinen Boracays Tourismus mit der Schliessungs-Massnahme kurz nach Ostern ein ziemliches Ei gelegt zu haben...

(JCR)