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Der schlimmste Tourist ist derjenige ohne Respekt
Kambodscha ist seit längerer Zeit zu einem Trendziel in Asien geworden. Zu den wichtigsten touristischen Attraktionen gehört natürlich die Tempelanlage von Angkor Wat, darüber hinaus sind Besuche der Tempel in Koh Ker, von Orten wie Kratie am Mekong oder der Städte Phnom Penh oder Sihanoukville beliebt. In den letzten Jahren haben aber immer mehr Touristen auch die berüchtigten «Killing Fields» besucht – und darüber ist Kambodscha zunehmend gespalten.
Die «Killing Fields» sind rund 300 Stätten in Kambodscha, wo unter der Schreckensherrschaft der kommunistischen Khmer Rouge zwischen 1975 und 1979 politisch motivierte Massenermordungen durchgeführt wurden. Am bekanntesten ist Choeung Ek, nahe Phnom Penh, wo heute eine Gedenkstätte betrieben wird. In der dortigen buddhistischen Stupa sind über 5000 menschliche Totenschädel zu sehen. Bei einem Baum, welcher zur Exekution von Kindern diente, findet man heute Tausende Freundschaftsbändchen, welche Touristen zum Andenken hier lassen. In Phnom Penh selber kann man beispielsweise das ehemalige Gefängnis S-21 besuchen, worin heute das eindrückliche Tuol-Sleng-Genozid-Museum untergebracht ist. Viele Touristen verbinden S-21 und Choeung Ek in einem Tagesausflug.
Es soll nicht makaber oder sensationalistisch sein, sondern aufklärend
So weit, wo gut, könnte man meinen. Die meisten internationalen Reiseveranstalter führen Touren zu den Killing Fields nicht in ihren Katalogen auf; trotzdem gehen viele Touristen dorthin. Das stört viele – die Rede ist von fehlendem Respekt für die Opfer, von Voyeurismus, von finanzieller Bereicherung am Elend grosser Bevölkerungsteile. Sicherlich mitverantwortlich für die doch breite Ablehnung des Tourismus an diesen Gedenkstätten ist die Tatsache, dass die Gräueltaten gerade mal um die 40 Jahre zurückliegen, also noch längst nicht nur noch Geschichte sind, sondern immer noch präsenter Horror in vielen kambodschanischen Familien.
Mitverantwortlich ist aber tatsächlich auch eine geschmacklose touristische Vermarktung. So gibt es beispielsweise Touren, wo man nach Besichtigung der Gedenkstätten mit Kalaschnikows rumballern kann – gewissermassen selbst Khmer Rouge spielen, auch wenn natürlich nicht auf Menschen oder menschenähnliche Ziele geschossen wird. Menschliche Knochen wurden teils von Killing Fields gestohlen. Lachende Selfies vor oder mit Foltergegenständen sorgten oft für Irritation. Und im S-21 waren Pokemon-Spieler unterwegs, um Figuren zu fangen – in einem Gefängnis mit grausamer Vergangenheit. Mit anderen Worten: Vielen Touristen fehlt es am nötigen Respekt.
Manche Kambodschaner würden die Gedenkstätten angesichts solcher respektlosen Touristen deshalb gerne nur für Kambodschaner geöffnet halten, zur Erinnerung, zur Aufklärung, damit so etwas nie mehr passiert. Das wäre jedoch wohl der falsche Ansatz: Genau so, wie man in Europa die früheren Nazi-Konzentrationslager, oder weltweit diverse Museen zu schrecklichen historischen Ereignissen offen lassen muss, müssen auch die Killing Fields für alle zugänglich bleiben - als Mahnmal dafür, was der Mensch zu tun imstande ist. Reiseveranstalter und Reiseleiter vor Ort sollen möglichst dafür sorgen, dass die Gedenkstätten mit der nötigen Zurückhaltung besucht werden.
Aber auch die Aussteller, also Kambodscha selber, sind in der Pflicht: Die Gedenkstätten sollten nicht makaber oder sensationslüstern sein, sondern nüchtern. Sie müssen Aufklärung bieten, und den Touristen eindrückliche Erlebnisse bescheren - ohne aber Kambodscha als Ganzes touristisch zu schaden. Gegen jene idiotischen Touristen, welche sich an solchen Gedenkstätten nicht zu benehmen wissen, darf ruhig durchgegriffen werden.
