Destinationen

Das Tessin erlebt eine Renaissance – auch dank der Rückkehr deutscher Touristen. Bild: Swiss-Image

Mehr als ein Alptransit-Effekt?

Dem Tessiner Tourismus geht es wieder besser. Doch wie nachhaltig der Aufschwung ist, muss sich erst zeigen.

Ein Aufatmen ging Anfang des Jahres durch die Tessiner Tourismusbranche. Zum ersten Mal seit rund 20 Jahren konnte bei den Übernachtungszahlen ein Zuwachs verbucht werden. Doch bleibt es bei einem einmaligen «Alptransit-Effekt» oder gibt es einen nachhaltigen Aufschwung?

Während schweizweit die Zahl der Hotelübernachtungen für das Jahr 2016 zurückgingen, konnte das Tessin einen Zuwachs von 4,6% verzeichnen. Damit gehörte der Kanton zu den dynamischsten Regionen im vergangenen Jahr. Die Zahlen für die ersten Monate 2017 bestätigen diesen Trend – vor dem Gotthard-Tunnel stauten sich die Autos an Ostern gar auf Rekordlänge.

Getrieben wurde die positive Entwicklung im vergangenen Jahr vor allem von der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels, der viele neugierige Besucher aus dem Norden anzog.

Aber auch die unsichere Lage in Zeiten des internationalen Terrorismus hätte viele Reisende das Tessin wiederentdecken lassen, sagte der Direktor der Tessiner Tourismusagentur ATT Elia Frapolli. Er diskutierte am Dienstag in Bellinzona mit anderen Branchenvertretern über die Wettbewerbsfähigkeit des Gastgewerbes im Tessin.

Treue Gäste gesucht

Die Renaissance des Tessiner Tourismus sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass viele deutsche Touristen wieder in den Schweizer Süden reisten, so Frapolli. Nun liege es an der Branche, sicher zu stellen, dass diese Gäste auch in Zukunft der Tessiner Destination treu bleiben.

Ein Baustein dafür sei das «Ticino Ticket», das mittlerweile an 200'000 Besucher ausgeteilt worden sei. Mit diesem per 1. Januar eingeführten Billett können Gäste von Hotels, Campingplätzen und Jugendherbergen den ÖV gratis nutzen.

Zudem sei Hotelbesitzern, die lange nicht in die Modernisierung ihrer Anlagen investieren konnten oder wollten, ein sogenannter «Hospitality Manager» zur Seite gestellt worden. Über dieses Programm soll die Finanzierung erleichtert werden und eine entsprechende Beratung erfolgen – allein in den kommenden vier Jahren sollen laut Frapolli 12 Mio CHF als Unterstützung gezahlt werden.

Baustelle beim Städtetourismus

Die Tessiner Tourismusbranche sei zwar aufgewacht, nun dürfe sie aber nicht wieder einschlafen, sagte Rico Maggi. Er ist Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts IRE an der Universität der italienischen Schweiz USI. Nachholbedarf bestünde noch an verschiedenen Stellen: Höhere Übernachtungszahlen würden bei sinkenden Margen nicht zwangsläufig mehr Einnahmen für die Hoteliers bedeuten.

Gerade beim boomenden Stadttourismus sei das Tessin auch durch seine geografischen Besonderheiten international im Hintertreffen. Das Kulturzentrum LAC in Lugano konnte seit 2015 in diesem Bereich allerdings neue Anreize für Besucher setzen. 

Sommersaison überragt alles

Problematisch ist laut Maggi auch die grosse Abhängigkeit des Sektors von der Sommersaison. Noch sei es nicht gelungen, auch in den übrigen Jahreszeiten überzeugende Pakete zu schnüren. Eine Möglichkeit für eine solche «Diversifikation» sind unter anderem Mountainbike-Trails, die in jüngster Zeit im Tessin ausgebaut wurden.

Die Region Ascona Locarno beispielsweise kann mittlerweile drei Mountainbike-Routen anbieten, die beinahe ganzjährig genutzt werden können. Auch im Bleniotal gibt es einen Bikepark und mehrere Hindernisstrecken. Um das Mountainbike-Netz noch zu erweitern, fehle es aber an der Finanzierung und teilweise auch am politischen Willen der Gemeinden, sagte Natalie Lupatini von der Tourismusorganisation Ascona Locarno.

Die bestehenden Strecken würden von den Besuchern zwar sehr gut genutzt – im Vergleich mit grossen Destinationen wie Flims und Laax in Graubünden stecke man jedoch noch in den Kinderschuhen, so Lupatini.

(AWP)