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Bären sind sensible, intelligente Säugetiere: Jungbären suchen Schutz im Nähe ihrer Mutter. (c) Reno Sommerhalder

«Wo es Bären hat, da ist die Natur intakt»

Jean-Claude Raemy

Reno Sommerhalder beobachtet seit 30 Jahren Bären in ihrem natürlichen Umfeld. Dieses Jahr wird er eine eine Gruppe in Kamtschatka mit Hotelplan begleiten – und erzählt im Vorfeld, was für ihn die «Faszination Bär» ausmacht.

Der Zürcher Reno Sommerhalder wohnt seit 1986 in den kanadischen Rockies. Seit seiner ersten Begegnung mit einem Bären hat er sein Leben diesen grossen Säugetieren verschrieben, und verbringt seine Sommer in Kanada, Alaska oder Kamtschatka (Russland). Travelnews.ch hat ihn telefonisch in seiner «zweiten Heimat» Banff erreicht.

Herr Sommerhalder, welches sind gängige «falsche Vorstellungen», welche Menschen vom Bären haben?

Zunächst einmal muss man festhalten, dass Bären keine Feinde des Menschen sind. Bären wurden erst zum Feindbild, als die Besiedlung so dicht wurde, dass Auseinandersetzungen mit Bären unausweichlich wurden. Meistens entstehen Konfliktsituationen jedoch aufgrund menschlichen Verschuldens. Bären sind noch nicht einmal Fresskonkurrenten des Menschen: Braunbären sind grösstenteils Vegetarier und ernähren sich hauptsächlich von Beeren und Früchten und Fischen, und nur in seltenen Ausnahmefällen von Wild oder von Menschen gehaltenen Tieren.

Aber Bären sind trotz allem gefährlich?

Es braucht sicher Respekt, denn es sind starke und bei Bedarf auch schnelle Tiere, die potenziell gefährlich sein können. Es gibt Leute, die sagen, man solle nicht anhalten, wenn man in Kanada vom Auto aus einen Bären sieht. Das sehe ich nicht so. Für viele ist eine Bärensichtung doch ein Highlight, vielleicht sogar der Grund für die Reise nach Nordamerika oder Russland. Wichtig ist, die Fahrgeschwindigkeit einzuhalten, um keine Unfälle mit Bären zu haben. Und ja, wenn man anhält, sollte man im Auto bleiben, und dieses muss weg von der Strasse. Wer gebührenden Respekt gegenüber Bären zeigt und eine gesunde Distanz zu diesem einhält, wird keine Probleme haben. Wobei das mit der Distanz manchmal schwierig ist, weil viele Bären an Strassen gewöhnt sind und oft nur wenige Meter vom Auto entfernt grasen.

Was macht für Sie die «Faszination Bär» aus?

Zum einen sind es ästhetische Tiere, kräftig und intelligent. Wichtiger aber ist, dass der Bär eine «Schlüsselart» ist, welche ein gesundes Ökosystem ermöglicht und damit auch symbolisiert. Wo es Bären hat, ist die Natur gesund. Die Schweizer müssten Freude darüber haben, dass wieder Bären auf dem Staatsgebiet, in Graubünden und anderswo, zu finden sind. 

Haben Sie ein «eindrücklichstes Erlebnis», welches Ihre Verbundenheit zu Bären besonders geprägt hat?

Nein, kein einzelnes Erlebnis. Ich habe schon Tausende Begegnungen mit Bären hinter mir und nie den kleinsten Kratzer abbekommen. Das ist ein Beispiel dafür, wie Bären tolerant sein können und Vertrauen aufbauen, und das nicht als Ausnahme, sondern regelmässig. Spannend ist auch, wie effizient sie sind. Gerade Grizzlys leben in relativ kargen Lebensräumen und kommen immer wieder damit klar. Es ist lehrreich zu verfolgen, wie sie ihr Überleben sicherstellen.

Tolerant? Vertrauen aufbauen? Wie ist das zu verstehen?

Die Toleranz äussert sich etwa daran, dass Bären, ursprünglich tagaktive Wesen, inzwischen mehr nachtaktiv sind. Das deutet darauf hin, dass sie dem Menschen lieber aus dem Weg gehen. Sie haben sich angepasst. Vertrauen kann sein, dass sie in durchaus verspielter Weise auf Menschen zugehen, das sieht man dann an ihrem verspielten Gang. Man muss aber gute Kenntnisse haben, um die Situation richtig zu interpretieren. «Freundschaften» mit wilden Bären gibt es nicht, deren Priorität ist das Überleben und der Mensch wird bestenfalls geduldet.

Wie muss man sich verhalten, wenn man einem Bären in der Wildnis begegnet?

Das Wichtigste ist, dass es zu keiner für den Bären überraschenden Situation kommt. Da werden Bären sehr unberechenbar. Wenn man in der Wildnis wandert, sollte man vielleicht singen oder sonstwie auf sich aufmerksam machen, damit der Bär weiss, dass jemand kommt. An den Menschen habituierte Bären suchen dann nicht unbedingt das Weite. Wenn man sie erblickt, kann man dann davon ausgehen, dass sie einen schon wahrgenommen haben. Ist man relativ nah, sollte man sich langsam entfernen. Wegrennen ist keine Option, weil es den spielerischen Jagdinstinkt im Bären wecken könnte. Grundsätzliches Ziel jeder Bärenbeobachtung sollte sein, den Bären nicht zu stören. Dann bleibt dieser auch ruhig und es können unvergessliche Tierbegegnungen erlebt werden.

Wie kam es zur Kooperation mit Hotelplan?

Ich wurde angefragt; es ist meine erste Kooperation mit Hotelplan. Ich freue mich jedenfalls darauf, die Gruppe zu begleiten. Es werden maximal 16 Personen mit dabei sein, das ist schon eine ziemlich grosse Gruppe. Wir sind per Helikopter, per Boot und zu Fuss unterwegs und werden die Bären - es gibt in Kamtschatka nur Braunbären - aus gesunder Distanz beobachten. Die finden im äussersten Osten Russlands noch Platz zum Ausweichen vor. Das ist in meiner Wahlheimat Banff leider immer weniger der Fall, der Tourismus läuft so gut, dass die Gegend immer stärker von Touristen in Beschlag genommen wird und die Bären sich immer weiter zurückziehen.

Bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt hauptsächlich mit Bärentouren?

Nein, ich will nicht vollständig davon leben, es quasi zur Routine verkommen lassen. Ich mache auch viele Vorträge, unter anderem in der Schweiz, wobei aktuell nichts geplant ist. Daneben schreibe ich Bücher oder drehe Dokumentarfilme, aktuell gibt es ein Projekt mit dem Schweizer Fernsehen. Ich bin an diversen Umweltprojekten und Studien beteiligt und führe eine eigene Stiftung namens «Terra Ursus», , bei welcher Spendengelder in Bärenprojekte fliessen.

Ich muss Sie zum Abschluss doch noch fragen: Hatten Sie bei den vielen Bärenbegegnungen nie ein negatives Erlebnis?

Trotz Tausenden Begegnungen kam es nur 2-3 Mal zu brenzligen Vorfällen. Grundsätzlich war es aber auch da mein Verschulden, und es ist immer glimpflich verlaufen. Ich verstehe auch nicht, wieso Bären manchmal abgeschossen werden. Der «Bear Spray», den man in den Rockies überall kaufen kann und eine Art Pfefferspray ist, funktioniert gut und ist effektiver als Schusswaffen. Selbst Eisbären, welche anders als die Braunbären klar Fleischfresser sind, lassen sich in der Regel so abwehren, dass niemand zu schaden kommen muss. Was neulich bei Evelyn Binsack in Spitzbergen passiert ist, wo anschliessend der Bär angeschossen wurde – dafür kann ich kein Verständnis aufbringen. Wenn zudem Medien noch jeden Vorfall aufbauschen, wird ein an sich mögliches friedliches Nebeneinander zwischen Mensch und Bär immer schwieriger.

(Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Hotelplan)