Tourismuswelt

Umstandlose Einreise unter dem Schengen-Abkommen ist für den Tourismus lebenswichtig. Bild: Flughafen Zürich

Kommentar Tourismus hängt vom freien Personenverkehr ab

Jean-Claude Raemy

Grenzen ziehen schadet wirtschaftlich immer. Gedanken zum EU-Jubiläum.

In diesen Tagen feiert die Europäische Union (EU) den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge: Diese wurden am 25. März 1957 von Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden unterzeichnet und waren die Grundlage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, und somit auch für die spätere EU. Heute gehören 28 Staaten zur EU – das sind im Wesentlichen alle Länder Europas ausser der Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Albanien und die Türkei.

Man mag von der EU halten, was man will. Zumindest was den europäischen Binnentourismus betrifft, war und ist die EU ein Segen. Dies insbesondere durch die Errungenschaften des Schengener Abkommens, welches in zwei Schritten 1985 und 1990 unterzeichnet wurde und in welchem auch die Schweiz, Norwegen und Island mit dabei sind. Kernpunkt dieses Abkommens ist die Abschaffung der stationären Grenzkontrollen. Ferner auch durch die Einführung des Euro.

Noch heute Berge von Münzen aller Länder Europas zuhause

Wer erinnert sich nicht daran, wie man früher auf der Autoreise durch Europa diverse Grenzkontrollen passieren musste? Und wer hat nicht noch heute unterschiedlichste Währungen zuhause, welche man für Reisen in diverse europäische Länder wechseln musste? Heute reicht die ID selbst für Flugreisen, und in sehr vielen Ländern kann per Euro bezahlt werden, was die Komplexität des Reisen innerhalb Europas wesentlich vereinfacht hat.

Noch wichtiger ist aber, dass mit Schengen-Visa Reisende aus aller Welt mehrere europäische Staaten im Rahmen einer Reise problemlos bereisen können. Nicht zuletzt dadurch ist Europa, gemeinsam betrachtet, das weltweit führende touristische Ziel. Tourismus spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung vieler europäischer Regionen, besonders in den weniger entwickelten Regionen.

Zudem blieb die gerade bei uns oftmals befürchtete «Einmischung aus Brüssel» weitgehend aus.  Da die Verträge der EU lediglich die Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Massnahmen der Mitgliedstaaten gestatten, ist die Tourismuspolitik der EU relativ begrenzt geblieben. Jedes Land betreibt seine eigene Tourismusförderung.

Der Brexit und eine weltpolitische Stimmung, welche eher wieder nach Schliessung von Grenzen schreit, bedrängen die EU derzeit. Auch in der Schweiz wollen viele eine Art Abschottung und ein «für-sich-selber-schauen», was in Zeiten der globalisierten Welt einem Anachronismus gleichkommt.. Dass der grenzenlose Verkehr auch Tücken hat, insbesondere wenn der Arbeitsmarkt betroffen ist, steht ausser Diskussion. Man muss sich aber klar vor Augen halten, was ein weiteres Auseinanderbrechen der EU für Folgen für den Tourismus – weltweit der Jobmotor Nummer 1 – haben würde. Menschen wollen reisen, und je weniger Hindernisse sie dabei haben, desto eher kommen sie. In Europa wird gerne die aktuelle US-Administration von Donald Trump belächelt, deren protektionistisches Gebaren für Rückgänge im Tourismus (aktuell sind -4% von der USTA prognostiziert) sorgen wird. Aber Europa begibt sich in dieselbe Richtung. Im Sog der Flüchtlingsfrage wurden in den letzten Monaten schon an verschiedensten Orten wieder strenge Grenzkontrollen eingeführt. Das ist aber der falsche Weg.

Der freie Personenverkehr ist eine wichtige Errungenschaft der EU, geknüpft an zentrale Werte wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit. Es würde sich lohnen, nicht nur für Letztere zu kämpfen, sondern auch für Ersteren. Und werden diese zentralen Werte geschützt, steht dem freien Verkehr nichts im Weg.