Destinationen

Der spanische Tourismusminister Alvaro Maria Nadal Belda überraschte in Berlin mit polemischen Aussagen. Bild: TN

«Tourismusphobie» wird zum politischen Phänomen

In Spanien nehmen Massnahmen gegen die Übel des Massentourismus zu. Der Tourismusminister spielt die Situation jedoch als «politisches Gezänke» herunter.

Spanien hat ein touristisches Rekordjahr hinter sich und dürfte auch in der aktuellen Saison wieder Rekordmengen an Touristen empfangen, beflügelt durch die instabile politische Lage in der Türkei und die ausbleibende Erholung der nordafrikanischen Destinationen. Allerdings mehren sich inzwischen auch die Stimmen aus Spanien, welche genug von den Touristenmassen und den damit verbundenen Problemen haben, etwa in Barcelona oder auch auf Mallorca. Der Tourismusminister ist bemüht, die Situation herunterzuspielen.

Alvaro Maria Nadal Belda, der Minister für Energie, Tourismus und Digitale Agenda des Königreichs Spanien, spricht an der Pressekonferenz von Turespaña auf der ITB Berlin, bei der travelnews.ch zugegen ist, viel von der führenden Position Spaniens im weltweiten Tourismus und erklärt, wie er das weitere Wachstum befeuern wolle. Er sieht vor allem noch Potenzial im Sporttourismus und bei nachhaltigen/umweltbewussten Reisen. Zudem legt er dar, wie die Digitalisierung im Tourismus ein Wachstumstreiber sei. Da er auch für Energie zuständig ist, referiert er zudem über die Wichtigkeit günstiger Energiedienstleistungen, von denen auch der Tourismussektor profitiere: Tiefere (Strom-)Kosten führen zu kompetitiveren Preisen.

«Das Problem gibt es nur auf den Balearen und in Katalonien»

Als Nadal aber auf die Massentourismus-Problematik angesprochen wird – da die Pressekonferenz halb auf Spanisch, halb auf Englisch geführt wird, fällt hier das einprägsame Wort «Overtourism» – lässt er sich zu einer polemischen Aussage hinreissen: «Es gibt in Spanien tatsächlich ein Phänomen namens ‚turismofobìa‘. Allerdings gibt es dies nur auf den Balearen sowie in Katalonien. Zudem ist es nicht ein soziales Phänomen, sondern vor allem ein politisches.» Er unterstreicht, dass «ausländische Touristen in Spanien immer willkommen» seien und dass das Problem der Tourismusphobie vergehen werde.

Zum einen ist die Sorge des Tourismusministers verständlich: Klar gegen Touristen gerichtete Aktionen wie zuletzt in Barcelona sind nicht das, was sich eine Tourismusdestination wünscht. Allerdings wird damit auch das zugrunde liegende Problem des «Overtourism» beiseite gewischt. Mit dem Ausdruck «politisches Phänomen» ist auch sofort klar, was Nadal meint: Die Bürgermeisterin von Barcelona ist eine frühere Hausbesetzerin und Aktivistin, Mitglied der linksgerichteten Parteien «Barcelona en Comù» und Podemos. In Palma de Mallorca ist José Hila Bürgermeister, ein Mitglied der sozialistischen PSOE (Partido Socialista Obrero Español). Nadal dagegen ist Mitglied der konservativen Partido Popular (PP).

Man kann die Auseinandersetzung also auch so interpretieren, dass die wirtschaftsnahe PP weiterhin Wachstum will, während PSOE und Podemos «Lösungen statt Polemik» wollen, wie Biel Barcelò, Vizepräsident der Balearischen Regierung und ebenfalls Mitglied der PSOE, diese Woche verlauten liess. Laut Barcelò gehe es der Regierung in Madrid stets nur um die Einnahmen aus dem Tourismus, aber nie um soziale Aspekte. Er verurteilt zudem, dass der Minister den Massentourismus quasi als eine Erfindung von Politikern auf den Balearen und in Katalonien darstelle.

«Es spielt der Markt»

Die Auseinandersetzung um den «richtigen» Umgang mit Touristenmassen ist wichtig und es wird sicher genau beobachtet, was nun in Spanien passiert. Ob es «Tourismophobie» wirklich gibt oder nicht: Bis auf Weiteres tut dies der Nachfrage der Reisewilligen nach Spanien-Ferien keinen Abbruch. Preissenkungen sind deshalb auch nicht in Sicht. «Es spielt der Markt», erklärt Nadal in Berlin und stellt in Aussicht, dass auf Basis der derzeitigen Buchungen die Hotelpreise in der Hochsaison im Schnitt 3 Prozent über dem Vorjahresniveau liegen dürften. Das stärkste Wachstum, zumindest in Prozenten gemessen, ortet Nadal übrigens in den Regionen Rioja, Aragon und Kastilien.

Eine weitere interessante Aussage Nadals ist, dass Spanien nicht nur von der Schwäche anderer Mittelmeer-Länder profitiere, sondern seinen Erfolg «dem soliden und kompetitiven Tourismus-Fundament verdankt, welches ein hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis in Spanien ermöglicht.» Von den 70 Millionen Reisenden in Spanien seien höchstens 5 Millionen auf Sondereffekte wegen dem Nachfrageeinbruch im östlichen Mittelmeer zurückzuführen.

(JCR)