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Augen auf beim Visums-Kauf

Linda von Euw

Für die Einreise in Länder wie Kanada, die USA, Australien oder Indien müssen Schweizer Bürger ein Visum bzw. eine Reisegenehmigung einholen – je nach Internetseite bezahlt man dafür viel mehr als man müsste.

Die Reise ist gebucht, jetzt fehlt nur noch das Einholen des Visums oder der Reisegenehmigung. Kein Problem, mag man sich denken und bei Google einfach mal den entsprechenden Suchbegriff wie zum Beispiel bei einer bevorstehenden Indienreise «Tourist Visa India» eingeben. Hat man Glück, erwischt man die offizielle Internetseite. Hier kostet das E-Visum 45 USD. Zum verwechseln ähnlich sieht der zuvor genannten Seite aber indiantouristvisa.org.in. Erst nachdem man den gesamten Fragebogen ausgefüllt, das Passfoto und die Passkopie eingescannt und hochgeladen hat, erfährt man: Das Visum kostet 127 USD. Über die zusätzlichen 82 USD freut sich die Firma, die hinter dieser Website steckt. Wer genau das ist, erfährt man nicht. Auf der Website steht bei «about us» lediglich: «Dank uns können Sie Ihr Visum reibungslos und bequem mit nur wenigen Schritten erwerben. Wir verfügen über gut ausgebildete Kundenbetreuer, die über fundierte Kenntnisse und jahrelange Erfahrung verfügen und unsere wertvollen Kunden dabei unterstützen, ihre Visaanträge innerhalb weniger Stunden zu bewerkstelligen. Wir sind nicht mit der indischen Regierung oder einer anderen Organisation verbunden.» Nur lesen vor allem diesen letzten wichtigen Satz viele Nutzer zu spät oder gar nicht.

Roland Zeller, der mit seiner Firma Etraveldocs auf das Einholen von Visa spezialisiert ist, ärgert dies gleich doppelt: «Einerseits werden die Kunden veräppelt und verunsichert, andererseits wird dadurch unsere Bearbeitungsgebühr für Beispielsweise ein Russland-Visum in Frage gestellt, dessen Einholung mit einem erheblichen Aufwand verknüpft ist.» Denn im Unterschied zu einem Visumseinholungsservice, wie ihn Zeller bietet, muss man bei den «Fake-Visa-Internetseiten» die gesamte Arbeit selber erledigen, bezahlt am Ende aber viel mehr als man eigentlich müsste. 

In der Theorie sind Fake-Sites anfechtbar

Auch USA- oder Kanada-Reisende werden mit einem wilden Auswuchs an mehr oder weniger offiziellen Internetseiten konfrontiert: Sie alle bieten die elektronische Einholung der benötigten Reisegenehmigungen für Kanada (Electronic Travel Authorization, eTA) und die USA (ESTA) an. Nur halt wiederum zu völlig unterschiedlichen Preisen. Die Gebühr für das eTA beträgt auf der offiziellen Website sieben kanadische Dollar – auf den ähnlich aussehenden privaten Seiten bezahlt man bis zu 85 Euro. Die offizielle Webseite der US-Regierung erhebt pro Reisenden eine Gebühr von 14 US-Dollar. Gelangt man aber auf eine Internetseite von einem privaten Anbieter bezahlt man bis zu 84 Dollar. Zeller sagt hierzu: «Das abtippen einer Info in ein ESTA-Form ist keine Dienstleistung und wir würden das in dieser Form so auch nie bei uns anbieten, sondern auf die offiziellen Seiten verweisen.»

Was die irreführenden Internetseiten gemeinsam haben: Die Preise sind in der Regel erst ersichtlich, nachdem man bereits den gesamten Fragebogen ausgefüllt hat. Ist das legal? Rechtsanwalt Dr.iur. Peter Krepper sagt: «Gemäss des Gesetzes für unlauteren Wettbewerb (UWG) verstösst täuschendes Verhalten von Fake-Site-Anbietern sowohl gegen die geschützten Interessen anderer Markteilnehmer, namentlich die effektiven Betreiber der ähnlich-originalen Websites als auch gegen die Interessen der Konsumenten, die darauf hereinfallen.» Will heissen: Rein theoretisch könnte ein Konsument, der auf so eine Fake-Internetseite hereingefallen ist, sich auf Willensmangel berufen und die eingekaufte Dienstleistung rückabwickeln lassen beziehungsweise die Preisdifferenz als Schadenersatz einverlangen. «Zudem könnte die Konsumentin eine Anzeige gegen die Fake-Site-Betreiberin bei der Wettbewerbskommission (WEKO) machen und eine Voruntersuchung einleiten lassen», erklärt Krepper. Er verweist darauf, dass dies vor allem die betroffene originale Plattform tun sollte, die «im Übrigen eventuell auch für ihre geschützte Firma beim Handelsgericht gegen die Fälscher vorgehen könnten, natürlich alles mit Kosten- und Prozessrisiken verbunden.»

Nur wenige Beschwerden beim K-Tipp

So weit die Theorie. Die Praxis sieht oft anders aus: «Ohne eine gut gefüllte Kriegskasse und fachlich versierten Beistand dürfte es für den geschädigten Konsumenten schwierig bis unmöglich sein, gegen die Fälscher beziehungsweise deren Unternehmen rechtlich vorzugehen.» Denn diese Unternehmen befänden sich oftmals im Ausland oder seien gar nicht erst auffindbar. «Deutsche Anwaltskollegen schreiben hier rascher einmal zumindest versuchshalbe Forderungs- und Drohbriefe - in der Schweiz würde die Alternativen hierzu wohl K-Tipp oder Kassensturz heissen», sagt Krepper.

Stephan Heiniger, Leiter der Rechtsberatung «K-Tipp», ist lediglich die Internetseite esta-schweiz.ch bekannt. Heiniger sagt, dass ihm keine Fälle bekannt seien, in denen Leute (erfolgreich) versucht hätten, Ihr Geld zurückzuerhalten. Was das Rechtliche betreffe, könnte man solche Verträge zwar wegen Täuschung anfechten. Komme man mit einem Einschreiben nicht weiter, müsste man aber letztlich klagen. Und abgesehen davon, dass dieser Aufwand sich wegen des verhältnismässig geringen Streitwerts wohl ohnehin nicht lohne, erachte er ein solches Unterfangen beispielsweise bei ESTA SCHWEIZ auch als mehr oder weniger aussichtslos. «Denn meines Erachtens wird auf der entsprechenden Webseite und auch etwa auf der Fake-Site für Indien mehr oder weniger deutlich darauf hingewiesen, dass diese von einem privaten Unternehmen betrieben wird und nichts mit der offiziellen Regierung zu tun hat.»

Reisende, die ihr Visum selber beantragen und auf Nummer sicher gehen wollen, sollten auf jeden Fall immer genau das «über uns» lesen – sobald sich ein Unternehmen deutlich von der offiziellen Regierungsstelle distanziert, handelt es sich nicht um den Original-Anbieter.