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Es gibt in der Elbphilharmonie je nach Platz verschiedene Klangerlebnisse. Sehr gute und sehr schlechte. Bild: elbphilharmonie.de

Einwurf «Elphi singt»

Christian Berzins

Noch vor der Eröffnung wurde die Elbphilharmonie in Hamburg zu einer Ikone. Der Konzertsaal hat allerdings seine Tücken, schreibt Christian Berzins.

Der Hamburg-Marketing-Chef hätte ob der Worte vor Freude einen Salto gemacht. Als die Elbphilharmonie am Eröffnungsabend zu leuchten und zu funkeln begann – jeder optische Reiz der Lichtshow auf der Fassade war abgestimmt auf einen akustischen Reiz des Orchesters –, da flüsterte eine am Quai stehende Hamburgerin euphorisch entrückt: «Elphi singt!»

Der 866-Millionen-Bau der Architekten Herzog & de Meuron – die 82 Meter lange Rolltreppe, die monumentalen Fenster, der turmartige Konzertsaal, die über der Speicherstadt schwebenden Hotelzimmer – mag bereits eine Ikone sein, aber über die Tauglichkeit des Konzertsaales sagt der optische Zauber allein noch nichts aus.

Zehn Millionen soll die verantwortliche Agentur zur Verfügung gehabt haben, um den Bau zu bewerben. Damit schuf sie aus dem Bau-Debakel ein Elb-Spektakel: Elbphilhar-Manie allüberall. Von aussen sieht man dem Haus jeden Euro an. Aber drinnen im Foyer, in den Aufgängen zum grossen und zum kleinen Saal, herrscht dank unversiegelter französischer Eiche deutsche – rotweinbefleckte – Bodenständigkeit.

Die Mär, dass jeder Platz gut sei, hatte sich rasch verbreitet. Wer sich mit Besuchern unterhielt, die auf anderen Plätzen sassen als man selbst, merkte schnell, was zu erahnen war und für jeden Konzertsaal der Welt gilt: Es gibt auch in der Elbphilharmonie je nach Platz verschiedene Klangerlebnisse. Sehr gute – und sehr schlechte. Akustik mag zwar ein naturwissenschaftlich berechenbares Phänomen sein, der Nachhall eine exakte Konstante, aber sie bleibt auch ein subjektives Erlebnis. Was ist nun also der vielzitierte «warme Klang» wirklich?

Bis Mezzoforte ist die Mischung des Gesamtklangs eindrucksvoll.

Vom vorderen linken Parkett aus klingt das Orchester wie zweigeteilt, der Klang mischt sich nicht. Die rechts vom Dirigenten postierten zweiten Geigen, Celli und Bässe sind klanglich sehr weit weg; die ersten Geigen, Harfen und vor allem die Bläser – Holz und Blech – erscheinen hingegen bisweilen überdeutlich präsent. Bis Mezzoforte ist die Mischung des Gesamtklangs eindrucksvoll, da er voluminös ist und vor Kraft strotzt. Bei zunehmender Lautstärke aber bricht der Klang über den Hörer herein. Laut wird zu grell.

Hamburg ist stolz darauf, dass kein Platz mehr als 35 Meter vom Dirigenten entfernt liegt. Doch ist das eine Qualität? Gewiss gibt es Dirigenten-Gucker, die nur durchs Zuschauen den Klang wachsen hören. Und da sind auch jene Menschen, die gerne im Klang baden. Aber ist es nicht auch eine Qualität, bloss mit den Ohren zu hören?

Hamburg träumt dank des Schweizer Architektur-Spektakels vom Rang einer Musikweltstadt, einer Touristenmetropole. Wie so viele andere Städte auch. Aufgrund des enormen, aktuellen Andrangs scheint man zu vergessen, dass die Welt erfreulicherweise voll ist mit spektakulären Konzertsälen: in Los Angeles, Kopenhagen, Paris, Valencia, Luzern, Lugano, Rom, Peking... Hamburg ist aber ein guter Ausgangspunkt für eine klingende Weltreise, auch wenn Elphi nicht singen kann.