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Griechenland staunt: mehr Besucher, aber weniger Einnahmen

Die Tourismusindustrie in Griechenland steht vor einem Paradox. Sind Steuerhinterzieher schuld?

Trotz Besucherrekord mit bisher mehr als 17 Millionen Feriengästen aus dem Ausland sind die Einnahmen der griechischen Tourismusbranche in den ersten acht Monaten 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,8 Prozent zurückgegangen. Manche Experten meinen, die Besucher seien sparsamer gewesen. Sie kämen zwar öfter – aber sie buchten in letzter Sekunde für niedrigste Preise.

"Eine oberflächliche Betrachtung", glauben andere Branchenkenner. Denn ihrer Ansicht nach ist der Grund für die rückläufigen Einnahmen ganz einfach: Es handele sich um Steuerhinterziehung. "Das Phänomen muss analysiert werden. Wir vermuten Steuerhinterziehung im grossen Stil", sagte der Direktor eines Hotels auf der Touristeninsel Rhodos der Deutschen Presse-Agentur – unter der Bedingung, dass sein Name nicht genannt werde.

Was war passiert? Am Montag hatte die griechische Zentralbank (Bank of Greece) eine erste Bilanz der Feriensaison 2016 gezogen. Demnach waren von Januar bis August dieses Jahres 17,19 Millionen Touristen nach Griechenland gekommen. Das sind 1,8 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Einnahmen jedoch seien zugleich von 9,25 Milliarden Euro im Vorjahr auf 8,43 Milliarden Euro gesunken.

Der Chef des Verbandes touristischer Unternehmen (SETE), Andreas Andreadis, führte den Rückgang im griechischen Rundfunk auf die erhöhten Steuern zurück, die Konkurrenten wie Zypern und Spanien begünstigten. Im Zuge der Sparmassnahmen hatte Athen in diesem Jahr Steuerprivilegien auf den beliebten Eilanden Mykonos, Santorini, Rhodos, Naxos, Paros und Skiathos gestrichen.

Dort müssen statt 17 Prozent nunmehr 24 Prozent Mehrwertsteuer entrichtet werden. Ab dem 1. Januar 2017 soll die Mehrwertsteuer auch auf allen anderen Ägäis-Inseln steigen. Hinzu kamen in diesem Jahr saftig erhöhte Abgaben etwa auf Hotelzimmer, aber auch auf alkoholische Getränke und etliche Nahrungsmittel.

Öfter keine Quittungen?

Die Besitzer zahlreicher griechischer Tourismusunternehmen, Tavernen und Bars ergriffen deshalb offenbar Gegenmassnahmen. Insidern zufolge versuchen sie, öfter keine Quittungen auszugeben. Aber auch bei der bargeldlosen Zahlung seien Hoteliers sowie Restaurant- und Café-Besitzer einfallsreich: Das Geld jener Kunden, die mit Karte zahlten, gehe in vielen Fällen möglicherweise direkt ins Ausland und werde in Griechenland gar nicht erst registriert.

Möglich wird dies, indem die elektronischen Bezahlgeräte mit einem Konto im Ausland verbunden werden. "Mach mal eine Runde am Abend hier in Rhodos und schau genau hin", rät der Hoteldirektor. Wenn die Steuerfahndung unterwegs sei, laufe alles normal. Sobald die Kontrolleure jedoch nach Hause gingen, würden die Geräte aus der Schublade geholt.

Noch ist die Touristensaison in Griechenland nicht beendet. Auf Rhodos und anderen Inseln sowie in Athen sind die Hotels nach wie vor gut besucht. Das Thema des massiven Rückgangs wird die Fachleute also weiter beschäftigen – bis tatsächlich abschliessende Zahlen vorliegen.

Und auch die griechische Regierung muss sich überlegen, wie sie gegen solch eine Entwicklung vorgehen kann. Schliesslich ist der Tourismus eine der Haupteinnahmequellen des notorisch pleitebedrohten Landes.

(AWP)