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Auf den Spuren von Karen Blixen
Die Flammen erhellen das rotblonde Haar. Der weisse Blazer leuchtet. Von draussen dringen die Geräusche der afrikanischen Nacht durch die Zeltwände. Die Augen der Baronin funkeln. Als der Grosswildjäger Denys Finch Hatton seine Lippen auf die ihren legt, schmilzt sie dahin. "Wenn Du jetzt irgendetwas sagst, ich werde es glauben", haucht sie ihm ins Ohr. Unvergessen ist die Szene am Mara-Fluss, als sich Karen Blixen und ihr Liebhaber das erste Mal näher kommen.
Tagelang waren die beiden durch die einsamen Savannenlandschaften Ostafrikas geschaukelt, bevor es geschah. Die unermessliche Weite der Masai Mara hatte in leuchtendem Gelb gestrahlt. Sie hatten Elefanten im hohen Gras beobachtet, zugesehen wie Giraffen über die endlosen Ebenen stakten. Ein Büffel war nur wenige Meter von ihnen entfernt aus dem Unterholz gestoben. Und sie hatten mitten in der Wildnis Mozart auf dem Grammophon gehört, was sogar die Affen anlockte.
Am Fusse der Ngong-Berge
Es sind unvergessliche Bilder, die Regisseur Sidney Pollack in seinem mit sieben Oscars gekrönten Film "Jenseits von Afrika" 1985 auf die Leinwand zauberte. Der vielfach ausgezeichnete Film mit Meryl Streep, Robert Redford und Klaus Maria Brandauer in den Hauptrollen ist einer der meistgesehenen aller Zeiten. Der autobiographische Roman von 1937, der Pollack als Vorbild diente, erzählt die Geschichte der Dänin Karen Blixen, die kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs nach Ostafrika auswanderte, um der Enge des Elternhauses zu entfliehen. Anfang 1914, vor genau 100 Jahren also, zog sie auf die 800 Hektar grosse Mbagathi-Farm am Fusse der Ngong-Berge südlich von Nairobi in Kenia, das damals noch Britisch-Ostafrika hiess. Kurz zuvor hatte sie den Grosswildjäger Baron Bror von Blixen-Finecke kennengelernt, den sie am 14. Januar 1914 in Mombasa heiratete.
Gemeinsam wollten beide in Kenia eine Kaffeefarm aufbauen, aber die Beziehung ging bald auseinander. Schon im ersten Jahr der Ehe hatte der Baron sie betrogen und seine Frau mit Syphilis angesteckt. Von Beginn an stand die Ehe unter einem schlechten Stern. Doch in Kenia genoss Karen endlich die Freiheit, die sie in ihrem konservativen Elternhaus in Dänemark nie besessen hatte. Sie verliebte sich sofort in das Land – und später in Denys Finch Hatton. Wenn im Film bei dem Stück "I had a farm in Africa" die Streicher einsetzen, dann fühlt man sich unweigerlich in die wildreichen Savannen Ostafrikas und in die Gefühlswelt Blixens versetzt.
Auch heute noch bietet Kenia Landschaften von bezaubernder Schönheit. Am frühen Morgen, wenn die Schirmakazien lange Schatten werfen, die Mara in ein warmes Licht getaucht ist, und der Wind aus den Ebenen das millionenstarke Blöken der Gnus herüber weht, fühlt man sich wie im Film. Viele der Szenen wurden in der Nähe des Kichwa Tembo Tented Camps am Rande des Masai Mara-Nationalparks gedreht. Hier wusch Robert Redford als Denys Finch Hatton Meryl Streep in der Rolle der Karen Blixen die Haare – eine der romantischsten Szenen des Films. Hier übernachteten Robert Redford und Meryl Streep während der Dreharbeiten.
Strassen und Schulen sind nach ihr benannt
Noch heute liegen die 40 luxuriösen Zelte des Camps unter schattigen Ebenholzbäumen unweit des Ufers des Sabaringo-Flusses. Ein Mann, der sich noch gut an die Dreharbeiten erinnert ist Shadrack Seigo. Seit seiner Geburt lebt Seigo im nur einen Steinwurf entfernten Dorf Sabaringo. Die Dreharbeiten hat er selbst miterlebt. Vor allem eine Szene ist ihm bis heute im Gedächtnis geblieben: Die Beerdigung Denys Finch Hattons. "Sie drehten die Szene auf den Kuppen der Olololo-Berge unweit des Camps", sagt Seigo. "Alle waren wir damals dabei." Für Karen Blixen war dies einer der schwierigsten Momente ihrer Zeit in Afrika. Denn ihr Glück mit dem Grosswildjäger währte nicht lange: Im Frühjahr 1931, nur wenige Wochen nachdem sie ihre unrentabel gewordene Farm verkaufen musste, kam Finch Hatton bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Bereits Monate vorher hatten sich die beiden entfremdet, allerdings blieb Finch Hatton zeitlebens Blixens grosse Liebe.
An vielen Orten in Kenia finden sich Spuren von Karen Blixen: Strassen sind nach ihr benannt, Kindergärten und Schulen, ja sogar ein ganzer Stadtteil in Nairobi. Er heisst schlicht "Karen". Und noch heute ist die Dänin in Kenia beliebt wie kaum eine andere Europäerin. Viele hundert Menschen arbeiteten einst auf ihrer Farm. Zu den Schwarzen, besonders zu ihrem Koch Kamante, entwickelte Blixen eine innige Beziehung. Einer der Orte, der untrennbar mit der Geschichte der Dänin verbunden ist, ist das Mbogani-Haus vor den Toren Nairobis. Hierhin zog Blixen im Jahr 1917 und lebte dort bis zu ihrer Rückkehr nach Europa. Viele Jahre befand sich das Haus in Privatbesitz. 1964 kaufte die dänische Regierung das Haus und vermachte es dem kenianischen Staat, der es 1986 zum Karen Blixen-Museum umbaute.
Besucher aus der ganzen Welt
Heute führen Studenten wie Joseph Kioko durch die Anlage. "Es kommen Besucher aus der ganzen Welt, auch viele Dänen", weiss der junge Mann im cognacfarbenen Lederjackett. "Einige von ihnen sind so berührt, dass ihnen die Tränen kommen, wenn sie im Museum stehen." Und tatsächlich: Das Karen Blixen-Museum ist ein Haus für Nostalgiker: Der Afrikanische Tulpenbaum vor der Tür stand schon zu Blixens Zeiten hier. Mehr als 100 Jahre ist er alt. Noch heute blühen seine feuerroten Blüten wie damals. An den Wänden hängen Fotos von Blixen. Im Schlafzimmer steht das Grammophon aus dem Film, ein Geschenk Finch Hattons an Blixen, mit dem die beiden im Busch die Affen anlockten. Als sei heute erst gestern gewesen liegt auf dem Plattenteller eine Mozart-Platte.
"Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngong-Berge. Nach allen Seiten war die Aussicht weit und unendlich. Alles in dieser Natur strebte nach Grösse und Freiheit", lauteten die ersten Zeilen in Karen Blixens Buchs. Durch die Fenster im Speisezimmer des Mbogani-Hauses sieht man noch heute in die Ngong-Berge, an denen der Roman begann. Und die Ngong-Berge sind auch der Ort, an dem die Geschichte Blixens in Ostafrika ihr Ende nimmt. Am Fuss der höchsten Erhebung der Bergkette ließ die Dänin ihren Geliebten 1931 begraben. Heute steht an der Stelle ein sechs Meter hoher Obelisk. Nach dem tödlichen Unfall Finch Hattons und dem Verkauf ihrer unrentabel gewordenen Farm wenige Monate zuvor reiste Blixen im Juli 1931 mit dem Schiff in ihre Heimat Dänemark und zog auf ihren alten Familiensitz in Rungstedlund rund 20 Kilometer nördlich von Kopenhagen. Nach Kenia kehrte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1962 nie wieder zurück.