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Die Schweizer Delegation am GTM 2023 in Essen, hinten von links: Stefan Mieczkowski (Leiter DZT Schweiz), Nikolai Fritz (Car Rouge), Chris Probst (A&O Hotels), Sven Hetzler (Railtour Suisse), Alejandro Rubio (Imagine Suisse): vorne von links: Sabine Denzel (Travelnews), Maren Schullerus (Get Your Guide) und Roger Odermatt (Baumeler Reisen). Bilder: TN

Tourismusland Deutschland voller Tatendrang

Sabine Denzel

Im Rahmen des Germany Travel Mart (GTM) in Essen rückt sich Deutschland als Reiseziel ins beste Licht. Zentrale Themen sind unter anderem kulturelle Hotspots und Bahnreisen. Über allem steht jedoch die Nachhaltigkeit.

Nach der offiziellen Eröffnung des GTM 2023 in Essen durch Petra Hedorfer, CEO der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), am Sonntagabend in der Zeche Zollverein ging es am Montagmorgen mit Workshops in der Philharmonie Essen weiter. Rund 200 Aussteller erwarteten die 350 Einkäuferinnen und Einkäufer aus fast 40 Ländern, um diese über die neusten Trends und touristischen Produkte der einzelnen Regionen zu informieren. Der jährlich stattfindende GTM ist für den deutschen Incoming Tourismus die wichtigste Vertriebsveranstaltung.

Zeitgleich zu den Workshops fand am Montagvormittag für die rund 100 anwesenden Journalistinnen und Journalisten im Museum Folkwang in Essen die offizielle Medienkonferenz statt. Petra Hedorfer zeigte sich sehr zufrieden: «Die Erwartungen der internationalen Reiseindustrie sind positiv. 75 Prozent der 250 Key Accounts im DZT Travel Industry Expert Panel erwarten im ersten Halbjahr 2023 eine Aufwärtsentwicklung ihres Deutschlandgeschäfts.»

Dies belegen auch die Zahlen: Deutschland hat sich 2022 hinter Spanien als zweitgrösster Zielmarkt der Europäer etabliert. Zwar konnten die Vor-Corona Zahlen aus dem Jahr 2019 noch nicht wieder erreicht werden, es ist jedoch ein klar positiver Trend zu erkennen. Wurden im vergangenen Jahr 62 Prozent der Übernachtungszahlen von 2019 erreicht, werden für 2023 zwischen 80 und 95 Prozent der Werte von 2019 prognostiziert. Eine wichtige Rolle spielt die Schweiz. Sie ist hinter den Niederlanden der zweitwichtigste Markt für Deutschland.

Gäste bleiben länger – und nicht nur in den Städten

«Stay a little bit longer» – die neue Kampagne der DZT, die an der Eröffnungsfeier präsentiert wurde – bildet sich sich auch in den Zahlen ab. Die Aufenthalte werden länger, Kurztrips und reine Städtetrips nehmen immer mehr ab. Deutschland als Ferienziel gewinnt an Bedeutung. So machen Ferienreisen mit knapp 60 Prozent den grössten Anteil aus. Längere Reisen mit einer Aufenthaltsdauer von vier Nächten und mehr legen dabei stärker zu als Kurzreisen. Weiterhin hoch im Kurs ist auch die Kombination einer Städtereise mit einem zusätzlichen Aufenthalt auf dem Land, um Natur und Umgebung zu erkunden.

Erfreulich ist, dass die Inflation und die aktuellen Preissteigerungen gemäss Umfragen nur einen geringen Einfluss auf das Reisen haben. Lediglich 22 Prozent der Europäer möchten oder müssen ihr Ferienbudget reduzieren. 50 Prozent der Befragten haben das gleiche Budget wie in den Vorjahren eingeplant. Auch sind die Hotelpreise in Deutschland nur moderat gestiegen: im Vergleich zu 2019 um rund acht Prozent. Im Vergleich hierzu: In Spanien wurden die Hotels um 10 Prozent teurer, in Frankreich um 14 Prozent und in Italien sogar um gut 18 Prozent.

Starker Fokus auf kulturelle Themen

Auch die Position als Top-Kulturreiseziel konnte Deutschland ausbauen – und ist das Kulturreiseziel Nummer 1 der Europäer. «Unser kulturtouristisches Angebot ist hervorragend geeignet, um die steigende Nachfrage der Europäer nach Kultururlaub auf das Reiseland Deutschland zu lenken», so DZT-CEO Petra Hedorfer. Die aktuelle und die kommenden Kampagnen sind ganz auf dieses Thema ausgelegt. 2023 wirbt Deutschland mit Reisen zu seinen 51 Weltkulturerbestätten.

Im kommenden Jahr wird Caspar David Friedrichs 250. Geburtstag zelebriert. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der deutschen Frühromantik. Sein bekanntestes Bild dürfte «Der Wanderer über dem Nebelmeer» sein. Ausstellungen seiner Werke finden in verschiedenen deutschen Städten statt. 2025 geht es nahtlos weiter mit Deutschland als kulturellem Hotspot Europas: Dann wird Chemnitz zur europäischen Kulturhauptstadt.

Nachhaltigkeit als oberstes Gebot

Die touristischen Leckerbissen beschränken sich aber bei weitem nicht nur auf kulturelle Angebote. Auch Fussball-Fans kommen auf ihre Kosten. 2024 findet in Deutschland die Europameisterschaft statt. Diese startet mit dem Eröffnungsspiel in München am 14. Juni und endet mit dem Finale in Berlin am 14. Juli. Weitere Spielorte sind Frankfurt, Stuttgart, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Gelsenkirchen, Leipzig und Hamburg.

Durch alle Angebote zieht sich jedoch ein Thema: die Nachhaltigkeit soll das Profil des Reiselands Deutschland prägen. «Die Balance aus Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung ist essenziell für die Zukunftsfähigkeit des weltweiten Reisens», sagt Petra Hedorfer. Ein Tourismus, der nicht nachhaltig sei, entziehe sich selbst die Lebensgrundlage. «Wir fokussieren die Markenkommunikation auf nachhaltige, zertifizierte Angebote, promoten längere Aufenthalte und werben für die Anreise mit Bus und Bahn.»

Ein wichtiger Partner hierfür ist die Deutsche Bahn. Alexander Mokros, Leiter Internationale Kooperationen und Branchenpartner im Vertrieb Fernverkehr der DB, berichtete deshalb aus erster Hand über die Pläne der Deutschen Bahn. Aktuell fahren gut 800 Fernzüge jeden Tag durch Deutschland, bereits jetzt mit 100 Prozent Ökostrom. Neue effiziente Fahrzeuge werden in den kommenden Jahren in Betrieb gesetzt, so auch neue ICE-Züge. Ziel der Deutschen Bahn ist es, dass der gesamte Konzern bis 2040 komplett klimaneutral ist.

Die angrenzenden Länder, darunter auch die Schweiz, sollen in den kommenden Jahren noch besser angebunden werden, so dass es noch attraktiver wird, das Reiseziel Deutschland per Bahn zu bereisen. Auch wird das Nachtzugnetz der ÖBB weiter ausgebaut, unter anderem auch hier mit topmodernen Fahrzeugen. Neu ist auch die Partnerschaft mit der Star Alliance, so dass es möglich sein wird, ein kombiniertes Bahn-Flugticket zu buchen.

Der nächste GTM findet in Chemnitz statt

Den Abschluss der Medienkonferenz bildete ein Podiumsgespräch mit illustrer Gästerunde. Wie Axel Biermann, Managing Director Ruhr Tourismus sagt, ist das Ruhrgebiet eine relativ neue Tourismus-Destination. Als vor gut 25 Jahren der Gedanke aufgekommen sei, das Ruhrgebiet zu einer touristischen Destination zu machen, sei dies für die meisten ein abwegiger Gedanke gewesen. «Auch heute ist das Ruhrgebiet eine Destination, die entdeckt werden muss und in keine Schublade passt», so Biermann. Mit speziellen Erlebnissen wie beispielsweise dem Urban Hiking gebe es jetzt aber Angebote, die so in anderen Destinationen nicht zu finden seien.

Wie der Wandel durch die Deindustrialisierung fortschreitet, machte Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, am Beispiel des Emschertals deutlich. Die Emsch wurde in früheren Zeiten, als noch die Zechen aktiv waren, als Abwasserkanal für diese genutzt – mit entsprechendem Geruch, wie sich manche in der Runde erinnern konnten. Inzwischen sei das Gebiet renaturiert worden, und die Artenvielfalt, die sich zwischenzeitlich angesiedelt habe, sei fantastisch, erklärt Uli Paetzel.

Wie bereits in den 50er-Jahren der damalige Bundeskanzler Willi Brandt sagte: «Der Himmel über der Ruhr soll wieder blau werden.» Heute ist laut Paetzel nicht nur der Himmel wieder blau, sondern auch die Ruhr wieder ein gesunder Fluss. Die Industriekultur sei erlebbar geworden. Wie erlebbar sie ist, wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Germany Travel Mart auf zahlreichen Touren näher gebracht. Der diesjährige GTM dauert noch bis heute Dienstagabend.

Einen Besuch wert, ist sicherlich auch der Austragungsort des GTM im kommenden Jahr. Chemnitz, die europäischen Kulturhauptstadt 2025 wird sich für die 50. Ausgabe des GTM ins beste Licht rücken.