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«Saudi-Arabien wird nie ein zweites Ägypten»
Reto Suter
Saudi-Arabien hat seine Grenzen im Herbst 2019 für den Tourismus geöffnet. Sie haben sich auf einer knapp zweiwöchigen Reise ein Bild vor Ort gemacht. Für wen ist Saudi-Arabien als Reiseziel geeignet?
Romy Obrist: Saudi-Arabien ist ein guter Ort für Menschen, die in ihrem Leben schon viel gereist sind und etwas komplett Neues erleben wollen. Sinnvoll ist sicherlich, vorher schon andere arabische Länder zu bereisen, um die Kultur und die Mentalität der Menschen besser zu verstehen. Hier empfehle ich Jordanien, Oman oder den Libanon. Dort kann man gute Erfahrungen sammeln für eine allfällige Reise nach Saudi-Arabien. Ausnehmen von dieser Empfehlung würde ich strenggläubige Muslime, die aus religiösen Gründen ausschliesslich Zeit in Mekka verbringen möchten.
Lässt sich das Land für ausländische Gäste schon individuell erkunden, oder sind Gruppenreisen die bessere Lösung?
Individualreisen sind durchaus möglich. Ich würde aktuell aber noch davon abraten. Touristische Sehenswürdigkeiten sind noch nicht gut ausgeschildert. Und wenn etwas angeschrieben ist, dann auf Arabisch und nicht auf Englisch.
Welchen Eindruck hatten Sie von den Reiseführern?
Die Reiseleiter sind noch nicht auf dem besten Level. Es dürfte noch etwas Zeit brauchen, bis sie den höchsten internationalen Ansprüchen genügen. Derzeit dürfen nur Einheimische den Job des Reiseleiters ausüben. Das schränkt die Auswahl natürlich schon mal ein. Die Reiseleiter, mit denen ich zu tun hatte, sprachen maximal Englisch. Das macht es für Gruppenreisen natürlich nicht einfach, weil nicht immer alle Reisenden des Englischen mächtig sind.
Was gibt es in Saudi-Arabien konkret zu erkunden?
Die verschiedenen Regionen sind ausgezeichnet erschlossen. Das macht das Reisen einfacher als in anderen Ländern. Die Grossstädte Riad und Dschidda sind sehr interessante Reiseziele. Auch von Al-Ula, einer Oase im nordwestlichen Teil des Landes, war ich begeistert. Ein sehr schönes Gebiet ist auch die Küste bei Bahrain am Persischen Golf. Generell kann ich sagen, dass der Standard überall sehr hoch ist.
Was bedeutet das preislich? Wer kann sich Saudi-Arabien überhaupt leisten?
Es ist kein günstiges Land. Durch die vielen Bodenschätze wie Erdöl, Gold oder Marmor ist der Lebensstandard generell hoch. Das wirkt sich auch auf die Preise im Tourismus aus. Bisher ist vor allem das Business mit Geschäftsreisen in Gang gekommen. Freizeittouristen aus dem Ausland sind in Saudi-Arabien erst wenige zu sehen.
Wird sich das schon bald ändern?
Die Antwort auf diese Frage hängt sehr eng mit dem «Red Sea Project» zusammen. Dieses bringt für Saudi-Arabien enormes Wachstumspotenzial mit sich. Auf 22 Inseln soll bis 2030 das ehrgeizigste und umweltfreundlichste Tourismuszentrum der Welt entstehen. Dann ist Saudi-Arabien natürlich auch für Badeferien sehr interessant – allerdings vor allem im Luxussegment. Und: Um bei den internationalen Gästen durchschlagenden Erfolg zu haben, dürfte das Land auch von seinem Alkoholverbot wegkommen müssen.
Wird Saudi-Arabien mit tollen Städteerlebnissen und luxuriösen Badeferien auch Ägypten – auf der anderen Seite des Roten Meers – Gäste abspenstig machen?
Im grossen Stil kann ich mir das nicht vorstellen. Saudi-Arabien wird nie ein zweites Ägypten. Für weniger gut Betuchte dürfte das Land auch in Zukunft zu teuer sein. Hinzu kommt, dass Saudi-Arabien gar keine Billigtouristen im Land will. Das zeigt sich auch daran, dass es kaum Mittelklasse-Hotels gibt. Durch die Bodenschätze ist Saudi-Arabien viel weniger auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen, als das in Ägypten der Fall ist.
Wie gross ist bei Ihnen die Nachfrage für Reisen nach Saudi-Arabien?
Das Interesse hält sich noch in Grenzen. Viele Kundinnen und Kunden zeigen sich zwar interessiert. Buchungen gehen aber noch wenige ein. Saudi-Arabien wird generell immer noch sehr kritisch beäugt.