Here & There

Bhutan war schon seit jeher ein exklusives Reiseziel. Treibt es das Land jetzt aber zu weit? Bild: AdobeStock

«Das Land schneidet sich ins eigene Fleisch»

Jean-Claude Raemy

Bhutan hat die Abgabe für Touristen massiv erhöht - zum Entsetzen der Reiseveranstalter vor Ort wie auch der Asien-Spezialisten in aller Welt. Geht der Gamble hin zu einem noch exklusiveren Tourismus auf?

Wohin bewegt sich der Tourismus nach Corona? Dies ist für zahllose Destinationen weltweit die grosse Frage. Soll die Chance für einen «touristischen Reset» genutzt werden? Will man mehr Nachhaltigkeit? Weniger Touristen? Andere Touristen? Zahlreiche Länder und Regionen tun sich schwer damit - man will ja das Geschäft zurück, und die erwünschten Änderungen lassen sich nicht so einfach bewerkstelligen.

Einen aussergewöhnlichen Weg beschreitet nun Bhutan. Das asiatische Binnenland, eingeklemmt zwischen China und Indien, war bislang ein sehr exklusives Reiseziel. Nicht einfach frei zu bereisen - die Einreise ist an ein Visum geknüpft, und die Reise als Tourist ist ausschliesslich über eines der registrierten Reiseunternehmen Bhutans möglich, welche wiederum mit Asien-Spezialisten weltweit kooperieren. Die Exklusivität ist gewollt, und hat auch ihren Preis: 65 US-Dollar Regierungsabgabe pro Tag sind fällig, welche sich zu den anderen Reisekosten gesellen. Das ging bislang gut auf, Bhutan war als exklusives Reiseziel erfolgreich und nabelte sich bewusst vom benachbarten Nepal ab, welches längst zu einer Art Backpacker-Massenziel geworden ist. Die Fesseln, welche die Regierung dem Tourismus verpasste, wurden akzeptiert vor dem Hintergrund eines sanften Tourismus.

Natürlich verpasste sich auch Bhutan Corona-bedingte Restriktionen. Seit einigen Monaten war die Einreise wieder erlaubt, aber für alle Einreisenden nur mit einer obligatorischen Quarantäne von fünf Tagen. Klar, war die Nachfrage sehr tief. Doch am heutigen 29. Juni 2022 informierte die Regierung Bhutans, dass das Land ab dem 23. September, just zum Auftakt der dortigen Hochsaison, komplett öffnen werde.

200 Dollar Abgabe - pro Tag!

Freude bei den Tourismusverantwortlichen? Mitnichten. Denn Bhutan will die Wiedereröffnung dazu nutzen, sich touristisch neu aufzustellen. Aussenminister Tandi Dorji, welcher auch Chairman des Tourism Council of Bhutan ist, erklärte, dass der Tourismus so aufgestellt sein sollte, dass er Bhutan ökonomisch und sozial vorwärtsbringe und gleichzeitig den «Carbon Footprint» tief halten soll. Das Ziel: Hochwertige Erlebnisse für Touristen, wohlbezahlte Tourismusjobs für die Einheimischen. Im Tourismus arbeitende Einheimische sollen besser geschult werden, und die Zertifizierungsprozesse für touristische Unternehmen stringenter werden.

Was gut klingt, hat einen Haken: Die Finanzierung. Diese soll nämlich dadurch erreicht werden, dass Touristen neu - seit dem 20. Juni 2022 - eine tägliche Abgabe von 200 US-Dollar leisten. Also eine Verdreifachung der bisherigen Abgabe; die sogenannte «Sustainable Development Fee» (SDF) betrug bislang 65 US-Dollar. Im Gegenzug wird dafür der Mindesttagessatz für Pauschalreisen (Minimum Daily Package Rate, MDPR) abgeschafft, also der Mindestbetrag, der von allen Touristen bislang für eine Pauschalreise nach Bhutan zu zahlen ist. Der MDPR habe in der Vergangenheit oft das touristische Erlebnis eingeschränkt, da die Reisenden nur die von Reiseveranstaltern angebotenen Pauschalreisen wählen konnten. Künftig ollen Touristen die Möglichkeit haben, sich direkt an Dienstleister zu wenden und für deren Leistungen entsprechend zu bezahlen.

Entsetzte Veranstalter

Hans Wettstein

Kann die Rechnung so aufgehen? Im Gespräch mit Travelnews erklärt Hans Wettstein, Inhaber des Spezialisten Insight Reisen in Zürich, dass er einen scharfen Einbruch des bislang erfolgreichen Bhutan-Tourismus befürchtet. «Das Land schneidet sich touristisch ins eigene Fleisch», holt Wettstein aus, «denn mit dieser drastischen Teuerung wird für Bhutan, das ohnehin schon nicht günstig war, eine Schmerzgrenze erreicht.» Wettstein rechnet vor, dass eine Reise, die bislang 5000-6000 Franken pro Person kostete, plötzlich gegen 8000 Franken kosten wird. Wer den berühmten Trans Bhutan Trail absolvieren möchte, wird allein 6000 Dollar für die Erlaubnis hierfür bezahlen müssen.

Vor allem aber stört sich Wettstein daran, dass fast vier Fünftel der Touristen im Land aus Indien kommen - doch genau für diese gilt die neue Gebühr nicht, sie haben sogar jetzt schon eine reduzierte Gebühr von lediglich 15 Dollar zu entrichten. Will heissen, dass Besucher aus Übersee abgeschreckt werden, ohne dass das Land touristisch entlastet wird. Die grössten Überseemärkte waren bis zur Pandemie die USA, Singapur und Grossbritannien; die Schweiz figuriert nicht in den Top-10 der Quellmärkte, doch reisen durchaus einige Schweizer ins exklusive Land.

Die Konsequenz der Gebührenerhöhung? «Besucher werden weniger lange bleiben und nicht mehr das ganze Land bereisen», glaubt Wettstein, «dazu wird es auch weniger Gruppenreisen geben.» Natürlich können sich Luxustouristen einen Besuch trotz der Mehrkosten noch leisten, doch zählt Wettstein zwei von zehn Kunden so ein, dass diese wirlich so gut situiert sind, dass ihnen diese Erhöhung egal ist. Bhutan als reines Luxusziel? Dafür sei dann die touristische Infrastruktur doch noch zu wenig gut, obwohl inzwischen auch ein paar Nobelmarken wie Amanresorts vor Ort zu finden sind.

Wettstein stösst vor allem sauer auf, dass die Tourismusbehörden vor Ort keine Rücksprache - weder mit der Reisebranche im eigenen Land noch mit Spezialisten im Ausland - nahm. Die bhutanesischen Veranstalter seien vor den Kopf gestossen, «doch im Königreich gibt es keine Protestkultur», weiss Wettstein. Er hofft, dass sich Asien-Spezialisten weltweit gegen diese Massnahme wehren und hat auch bereits eine «Letter of concern» formuliert, welche gerne als Vorlage für weitere solche Schreiben an die entsprechenden Stellen in Bhutan dienen möge.

Es wird interessant sein zu beobachten, ob Bhutan mit einem noch exklusiveren Modell erfolgreich sein kann - und somit vielleicht zum Blueprint für andere kleine Reiseländer wird - oder ob die Touristen dem bergigen Königreich nun die kalte Schulter zeigen.