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Schweizer sind Australiens beliebteste Wiederkehrer
Urs Wälterlin, SydneyAuf die Frage, weshalb Schweizerinnen und Schweizer denn nach Australien kommen sollten, hat Christoph Bärlocher eine simple Antwort: «Weil es das schönste Land der Welt ist». Es biete eine unglaubliche Vielfalt, was Landschaften angehe, Produkte, Menschen, so der Senior Product Manager von Knecht Reisen.
Diese Vielfalt präsentierte sich auch an der ATE – 550 Anbieter waren in Sydney, mit einer breiten Palette von Produkten. Die Messe wurde in zwei Teilen abgehalten. 2,5 Tage direkten Gegenübers im International Convention Centre (ICC) in Sydney, und eine dreitägige Online-Komponente «für jene, die nicht in Sydney dabei sein können», wie der Veranstalter Tourism Australia (TA) erklärte. Es war ein zusammengestauchtes Programm. Vor der Covid Pandemie war die Messe jeweils über fünf Tagen abgehalten worden, mit einer Reihe von Networking-Gelegenheiten und einem computergesteuerten Terminprogramm. Bis zu 2200 Delegierte konnten so bis zu 100 Termine a 15 Minuten wahrnehmen. In diesem Jahr waren es die australischen Dienstleister, die mit ihrem Zeitplan zwischen den Tischen pendelten, an denen die Einkäufer sassen. Die Vertretungen der Tourismusbehörden der einzelnen Bundesstaaten und Territorien boten in separaten Ständen Gelegenheit zum Austausch bei einer Tasse Kaffee – oder wie im Fall South Australia – Tee.
Dieses hybride Format fanden nicht alle Teilnehmer ideal. «Es ist vielleicht etwas schwieriger, Leute irgendwo zu finden, die man nicht schon kennt und man ihn nicht auf dem Terminkalender hat», meinte Karin Marty, Product Manager von Travelhouse. Auch Roger Geissberger von Knecht Reisen – einer von vier Schweizer Einkäufern in Sydney – hatte Zweifel an der Effizient des Formats: «Weil wir nur zwei Tage haben, können wir uns mit rund 30 wichtigen Anbietern gar nicht treffen. Jetzt sollten wir diese kontaktieren, aber das geht gar nicht, weil wir nicht wissen, wer von ihnen da ist und wie wir sie finden können». Er habe das alte Konzept «klar besser gefunden», so der ATE-Veteran.
«We missed you»
Das überragende Thema dieser Messe kann in drei Worten zusammengefasst werden: «We missed you» – Wir haben Dich vermisst. Der dramatische Rückgang der Inbound-Besucherzahlen als Folge der geschlossenen Grenzen hatte für zahlreiche Anbieter schwere Folgen – sie gingen bankrott. Trotzdem sei die Zahl der Konkurse in der Branche erstaunlich klein geblieben, sagen Einkäufer. «Die meisten Dienstleistungsträger sind noch da», so Geissberger. Denn der Markt konnte einen wesentlichen Teil des Einbruchs auffangen, da 25 Millionen Australier ihr Land fast zwei Jahre lang nicht verlassen konnten und dafür zuhause Ferien machten. So sind bis heute einige der Ikonen der australischen Tourismusbranche zum Teil auf Monate hinaus ausgebucht. In Ayers Rock Resort etwa ist es kaum möglich, kurz- oder mittelfristig ein Zimmer zu finden. Sogar auf dem Campingplatz in Yulara musste man zeitweise acht Wochen lang warten, um einen Platz buchen zu können.
Der verstärkte Fokus auf das Inlandgeschäft habe aber bei einigen Anbietern dazu geführt, dass sie «den internationalen Markt zu vergessen schienen», wie ein Einkäufer es gegenüber travelnews.ch ausdrückte, ohne seinen Namen genannt haben zu wollen. Die Konzentration auf Kunden aus dem Inland sei zwar nachvollziehbar, aber geschäftlich ungeschickt. «Denn irgendwann werden sie uns wieder brauchen», so der Delegierte.
Nicht überall aber ist mangelndes Interesse am Auslandsmarkt Grund für die Zurückhaltung. Australien leidet unter einem drastischen Mangel and Arbeitskräften im Tourismus und in der Hotellerie. Viele Anbieter – allem voran im Unterkunftsbereich – haben ihre Anlagen und Angebote deshalb zumindest teilweise auf Eis gelegt, obwohl die Nachfrage vorhanden wäre oder wieder steigt. Einem Experten zufolge fehlt es beispielsweise landesweit an 7000 Köchen. Auch sonstige Kräfte werden gesucht; allen voran für jene Aufgaben, die vor Covid von Backpackern erledigt worden sind: Bedienung in Restaurants, Housekeeping, Küchenhilfe. Doch die vermeintlichen Billigtouristen – ein falscher Begriff, denn Rucksackreisende bleiben in der Regel länger und geben fast ihren gesamten Verdienst wieder im Land aus – wurden bei Beginn der Pandemie aufgefordert, Australien zu verlassen. Die am Wochenende abgewählte konservative Regierung von Ex-Premierminister Scott Morrison zeigte damals kein Erbarmen, als er die meist mit einem «Work and Travel» – Visum ausgerüsteten jungen Reisenden kurzerhand den Laufpass gab, um dem Land Kosten zu vermeiden. Diese harte Haltung habe dem Ansehen Australiens stark geschadet, so ein Tourismusanbieter gegenüber travelnews.ch, «schliesslich ist das fundamentale Prinzip unseres Marketings, Menschen aus aller Welt willkommen zu heissen, nicht sie wegzuscheuchen».
56 Prozent der Schweizer Gäste sind Wiederholungsbesucher
Wesentliche neue Produkte gab es in Sydney nicht zu entdecken. Viele Anbieter hatten aber die Zeit der Pandemie genutzt, um ihre Angebote zu verbessern, Hotels aufzufrischen und Strategien zu überdenken. Christoph Bärlocher hoffte zu Messebeginn, im Bereich der Aboriginal-Angebote Neues zu finden. Der Austausch mit der indigenen Kultur stosse im Schweizer Markt auf verstärktes Interesse. «Manchmal muss man die Kunden halt darauf aufmerksam machen», so Bärlocher. Oder interessierte Gäste fürchteten, die Professionalität sei bei Aboriginal-Produkten nicht gewährleistet. Das sei aber falsch. «Die Anbieter sind gut ausgebildet und hoch professionell». Ein Aboriginal-Produkt gehöre einfach zu einer Australienreise, glaubt Bärlocher, damit man auch «diese Geschichte des Landes kennenlernt» .
Schweizerinnen und Schweizer sind nach wie vor begeisterte Australienbesucher. 2019 kamen laut TA 54'400 Eidgenossen nach Downunder, 56 Prozent von ihnen als Wiederholungsbesucher. Im Durchschnitt bleiben Schweizer genau einen Monat lang im Land. TA lobt die Schweiz als ertragsreichsten Freizeit-Reisemarkt überhaupt: Schweizer geben für ihren Australienbesuch im Durchschnitt 6766 australische Dollar aus, während der globale Durchschnitt unter Inbound-Reisenden bei 3748 australischen Dollar liegt. Was den Australiern besonders gefällt: 62 Prozent der Nächte verbringen die Schweizer ausserhalb der Grossstädte. Die Verbreitung des Einkommens aus dem Tourismus in weniger besiedelten Gebieten des Landes ist nicht nur wirtschaftlich wichtig, sondern auch politisch sensibel. Städtische Politiker und jenen aus den ländlichen Gebieten streiten sich regelmässig über die gerechte Verteilung der Gewinne aus der Reiseindustrie. Tatsache ist, dass die Tourismus in Australien deutlich mehr Menschen beschäftigt als die politisch einflussreiche Rohstoffindustrie.
Australien-Produkte: von Spitzenqualität zur Mittelmässigkeit
Travelnews–Autor Urs Wälterlin hat auf einer Recherchereise durch das australische Northern Territory und Westaustralien einige der besten und weniger eindrucksvollen Angebote der australischen Tourismusindustrie gesammelt.
1. Emu Run Experience/Standley Chasm
Ein ausgezeichneter Anbieter in einer spektakulären Landschaft. Die Schluchten der West MacDonnell Ranges sind von Alice Springs aus einfach mit dem Auto zu erreichen. Ganz besonders empfehlenswert: Standley Chasm. Diese Schlucht und das dazu gehörige Besucherzentrum werden zu 100 Prozent von den Ureinwohnern kontrolliert. Der Spaziergang mit indigener Begleitung ist auch für Gäste zu bewältigen, die nicht unbedingt gut zu Fuss sind.
2. Royal Flying Doctor Service (RFDS)
Jeder kennt inzwischen die Einsatzzentralen der ur-australischen Institution, die ausgezeichnete Führungen anbieten, wo Gäste erfahren, wie der Dienst ganze 7,69 Millionen Quadratkilometer Australien mit medizinischen Dienstleistungen versorgt. Wussten Sie aber, dass die Fliegenden Ärzte auch zahlende Passagiere befördern? Wenn Kapazität vorhanden ist, werden die Betten und Herzschrittmacher in den Maschinen durch angenehme Sitze ersetzt. RFDS bietet Charterflüge primär von Darwin aus an. Auf Nachfrage stellt der Dienst aber auch aus anderen Einsatzzentralen Flugzeuge zur Verfügung. Einen Drink-Trolley gibt es keinen. Dafür ist die Sauerstoffflasche greifbar nah.
3. Kings Creek Station
Es ist viel im Umbruch, seit der Urvater der australischen Kamelindustrie, Ian Conway, nach vier Jahrzehnten seine geliebte Farm vor drei Jahren an ein Trio von Geschäftsleuten und Entrepreneuren verkauft hat. Laut einem der neuen Besitzer, Tony McFadzean, will man sich künftig nicht zuletzt auf die Beherbergung von Familien konzentrieren und die KCR zu einer «eigenständigen Feriendestination» entwickeln. Einige der Unterkünfte auf der 2000 Quadratkilometer grossen «Station» sind sehr attraktiv, andere weniger. Das neue Produkt «The Drovers Dream» – eine Reihe von zehn fest installierten Luxuszelten ähnlich deren von Longitude im benachbarten Yulara – besticht zwar durch eine gute Einrichtung und eine sensationelle Aussicht auf die benachbarte Bergkette. Die relative Nähe der Zelte zueinander – in Hörweite, um genau zu sein - untergräbt allerdings etwas die Romantik. Vor allem, weil KCS das Produkt in erster Linie an Paare vermarken möchte…
4. Kings Canyon Resort
Seit der Übernahme des Resorts durch Discovery Parks in der Nähe des spektakulären Kings Canyon pumpten die neuen Besitzer viel Geld in die Erweiterung dieser Traditionshotel- und Campinganlage. Trotzdem mangelt es noch an Dienstleistungen, die als selbstverständlich gelten, wenn man hunderte von Dollar für ein zwar sauberes, angenehmes aber doch einfaches Zimmer bezahlt. So ist Wlan nur im Empfangsgebäude verfügbar. Auch der Mobiltelefonempfang ist schlecht bis gar nicht vorhanden. Das stellt ein Problem dar für die wachsende Zahl von Reisenden, die als «Digitale Nomaden» von Unterwegs arbeiten wollen. Auch die Bedienung in den beiden Restaurants lässt zu wünschen übrig – vielleicht eine Folge des in Australien prekären Mangels an Arbeitskräften, aber trotzdem nicht entschuldbar, Angesicht der hohen Preise im Resort.
5. Karrke Aboriginal Cultural Experience and Tour
Eine informative Show der indigenen Bewohner im Schatten des Kings Canyon. Besucher lernen, Bushfood zu identifizieren, hören Geschichten aus der Vergangenheit der Luritjia-Aborigines und finden heraus, wie Schmuck hergestellt wird - eine vergleichsweise neue Erfindung der Urbewohner. Die Präsentation ist zwar sehr aufschlussreich, aber etwas roboterhaft dargeboten.
6. Eco Beach Resort
Eine spektakuläre Landschaft bietet sich den Besuchern von Eco Beach Resort, rund 120 Kilometer von der nordwestaustralischen Stadt Broome. Die Aussicht vom Restaurant auf das Meer ist atemberaubend. Da das Resort wenige Gäste beherbergt, ist auch am Sandstrand immer genügend Platz. Der Umgangston ist sehr locker, das Angebot komplett auf Entspannung getrimmt. Ideal für Gäste, die den Norden Westaustraliens in seiner absoluten natürlichen Pracht erleben wollen.
7. The Pearle of Cable Beach
Broome ist die Stadt der Perlen, und diese Hotelanlage verdient ihren Namen wirklich. Individuelle Häuser – nicht Kabinen! – mit eigenem Pool, besser kann es in Broome nicht werden. Vielleicht eine der besten Unterkünfte in Westaustralien für Gäste, die ihre Ruhe haben wollen.
8. Broome Cruises
Eine 2021 neu lancierte, hochwertige Nachmittags-Schifffahrt, die nach dem Sonnenuntergang am weltbekannten Cable Beach von Broome endet. Unterwegs wird eine Perlenmuschel aus dem Wasser geholt und geöffnet. Wer Glück hat, sieht die „Geburt“, eines dieser „Diamanten“ des Meeres. Das Schiff hat zwei führende Köche an Bord, die Gäste mit einem mehrgängigen Meeresfrüchte-Menue verwöhnen. Die Tour ist so beliebt, dass sie regelmässig auch von Leuten gebucht wird, die in Broome leben.
9. Narlijia Cultural Tours
Ohne Zweifel eine der besten indigenen Touren in Australien. Dabei spaziert man eigentlich nur durch die Mangrovensümpfe direkt vor dem Stadtzentrum von Broome. Was die Tour aber ausmach,t ist die Interpretation und das Wissen des indigenen Führers und Gründers der Firma, Bart Pigram. Bart besticht durch ein umfassendes, tiefes Wissen seiner Umwelt, seiner Kultur und Traditionen. Und kann dieses Wissen auf leicht verständliche Art und Weise an die Gäste weitergeben. Das Sumpfgebiet ist ein Smorgasbord verschiedenster Köstlichkeiten für den, der weiss, worauf er schauen muss. Auf dieser Tour fing Bart eine Schlammkrabbe, die er gleich vor Ort am Strand zubereitete und den Gästen servierte. Wie einer von ihnen meinte: «Frischer geht’s nicht».
10. Allure South Sea Pearls
Ein Besuch in Broome ist nicht komplett ohne einen Besuch in einem Perlengeschäft. Allure ist vielleicht die Nummer 1 unter den vielen Anbieter, nicht nur, weil diese kleine Firma sehr gute Qualität anbietet zu vergleichsweise günstigen Preisen. In diesem Laden kann man – mit viel Glück – mit dem „Papst“ der australischen Perlenindustrie sprechen. Bill Reed, inzwischen 90 Jahre alt, gilt als Urvater dieses Milliardengeschäfts in Australien. Wer das notwendige Kleingeld hat, kann sich auch eine Perlenkette kaufen, die den Namen verdient: bis zu 100 000 Franken legten Kunden für besonders schöne Stücke hin. Ein Kunde Reeds war Prinz Charles, der ein Kette für Diana erworben hatte. Sie habe so geglänzt, sei so «spektakulär» gewesen, dass die Queen eifersüchtig geworden sei. Der Rest ist bekanntlich Geschichte.
11. Horizontal Falls Seaplane Adventures
Ein Flug in den höchsten Norden von Westaustralien, Landung auf dem Wasser, dann eine Fahrt mit dem Schnellboot durch die sogenannten «Horizontalen Wasserfall» – spektakulärer geht es kaum noch. Dieses Produkt gibt dem Besucher einen hervorragenden Eindruck über die Einsamkeit der westaustralischen Region Kimberley (nicht Kimberleys!), ohne Zweifel eine der schönsten und wildesten Regionen auf dem Kontinent. Auf dem Flug gut sichtbar ist die Strasse zum atemberaubenden Cape Leveque, die – seit sie jüngst geteert worden ist – für europäische Selbstfahrer deutlich an Attraktivität verloren haben soll. Doch wie ein Touristiker gegenüber travelnews.ch meinte: «Dafür können wir künftig tausende Chinesen hochfahren».