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Die ukrainische Hauptstadt Kiew wird derzeit immer noch von Swiss angeflogen - und es gibt aktuell sogar noch Reiseanfragen dorthin. Bild: Alexandr Podvalny

Ukraine: «Wir können nur abwarten und hoffen»

Jean-Claude Raemy

Die Situation in der Ukraine verschärft sich - was Airlines und Reiseanbieter zum Reagieren zwingt. Osteuropa-Spezialist Kira Reisen äussert sich zur Situation.

Die Ukraine-Krise, über die Travelnews bereits letzte Woche berichtete, spitzt sich weiter zu. Noch gebe es ein Fenster für eine diplomatische Lösung, doch viele Länder haben vorsorglich schon einmal ihre Botschafts-Mitarbeiter aus Kiew abgezogen. Auch die Schweiz holte einige Botschafts-Mitarbeitende zurück, lässt die Botschaft in Kiew allerdings noch geöffnet. Das EDA sah sich zudem gezwungen, die Reisehinweise zur Ukraine innert weniger Tage mehrmals anzupassen. Am Samstag hiess es: «Von touristischen und anderen nicht dringenden Reisen in die Ukraine wird abgeraten. Von Reisen in gewisse Landesteile wird generell abgeraten.» Letzteres war schon zuvor der Fall gewesen. Am Montag dann wurde nachgedoppelt und das EDA schrieb: «Wenn Sie das Land verlassen möchten, nutzen Sie die verfügbaren kommerziellen Transportmittel. Der Entscheid zur Ausreise ist ein individueller Entscheid.»

Was wenig dramatisch wirkt, heisst vor allem, dass wohl keine Ausschaffungsflüge geplant sind. Überhaupt ist die Schweiz etwas entspannter: Es wird zwar von Reisen abgeraten, doch die eigenen Bürgerinnen und Bürger werden nicht angehalten, die Ukraine zu verlassen. Andere Länder wie Deutschland, Italien, Grossbritannien, die USA, Australien, Spanien oder die Niederlande hatten aber genau dies ihren Bürgern empfohlen.

Können Ausreisewillige überhaupt das Land verlassen? Aktuell ja. Gegenüber Travelnews hält Swiss-Sprecherin Meike Fuhlrott fest: «Die Sicherheit unserer Fluggäste und Besatzungsmitglieder hat zu jeder Zeit oberste Priorität. Aktuell fliegt Swiss weiterhin nach Kiew. Dies entspricht auch der Einschätzung nationaler und internationaler Behörden. Den ukrainischen Luftraum nutzen wir zwecks Überflug aktuell nicht. Swiss verfolgt die Lage weiterhin intensiv.» Durch verschiedene Flugverbotszonen über Teilen der Ukraine - zuletzt am 12. Februar 2022 für den gesamten Grenzbereich zwischen Russland und der Ukraine - mache ein Überflug der Ukraine planungsseitig keinen Sinn.

Nachfrage für das ganze östliche Europa könnte betroffen sein

Die Aussage von Swiss, wonach zwar noch nach Kiew geflogen wird, aber nicht mehr über den ukrainischen Luftraum, sorgt für Fragezeichen bei Martial Stäger von Osteuropa-Spezialist Kira Travel, einer Marke von Knecht Reisen. Zur aktuellen Situation hält er fest: «Wir hatten überraschenderweise gerade neulich eine Anfrage für Ferien in der Ukraine im August. Nach einer Flaute zwischen Oktober und Januar, natürlich pandemiebedingt, zogen die Buchungen in den vergangenen Wochen deutlich an. Sollte es zu einem bewaffneten Konflikt in der Ukraine kommen, wäre dies natürlich extrem schlecht für uns. Wir können insofern nur abwarten und hoffen, dass Russland nicht in der Ukraine einmarschiert.»

Sollte dies der Fall sein, wäre nämlich nicht nur die Ukraine betroffen. Stäger illustriert es daran, dass aktuell zwei Leserreisen von Kira Travel in Zusammenarbeit mit der «Schweizer Familie» nach Armenien und Georgien im Juni und September 2022 extrem gut gebucht seien; zuletzt kamen aber vermehrt Telefonate mit Fragen hinsichtlich der Einschätzung der Lage durch Kira. Dazu Stäger: «Bislang verzeichnen wir keine Annullierungen. Es kommen immer noch Anfragen für Russland oder auch Zentralasien herein. Aber wir erhalten auch mehr besorgte Anfragen. Ein Konflikt in der Ukraine würde wohl auch zum Erliegen der Nachfrage für Russland oder ganz Osteuropa ab Polen führen.» Diese Situation habe man bereits einmal erlebt, als Russland 2014 in die Ostukraine einmarschierte. Seitdem hatte sich die Nachfrage langsam erholt, bis die Pandemie kam - ein Konflikt wäre für Kira nun ein Horrorszenario, so Stäger.

Wobei eben nicht nur Kira betroffen wäre. Der schwelende Konflikt hat bereits für steigende Öl- und Gaspreise gesorgt. Die Airlines ziehen sich aus Strecken über den ukrainischen Luftraum zurück, derweil die nationale Airline UIA (Ukraine International Airlines) begonnen hat, ihre Maschinen aus dem Land abzuziehen und in Europa zu parken, etwa auf Zypern. Gianni Sarno (Regional Sales Manager Switzerland, UIA) erklärt diesbezüglich aber: «Ukraine International Airlines wird weiterhin Flüge nach dem bestehenden Flugplan durchführen und 16 Mittelstreckenflugzeuge ohne Änderungen im Flugplan einsetzen. Insbesondere die heutigen Abendflüge und die morgigen Morgenflüge werden ohne Änderungen durchgeführt. Die Aufrechterhaltung des Betriebs wurde durch einen konstruktiven Dialog zwischen den Geschäftspartnern der UIA sowie durch die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Regierung ermöglicht. Derzeit werden die Tickets für die Flüge der UIA und ihrer Partner auf der offiziellen Website der Fluggesellschaft zum Verkauf angeboten. Die Fluggesellschaft wird regelmässig über mögliche Änderungen in ihrem Betrieb berichten.»

Dass Russland auch vermehrt Truppen an anderen Orten stationiert, etwa in der Exklave Kaliningrad, sorgt zudem für Schweissperlen bei Polen und Litauen, welche ebenfalls betroffen sein könnten. Polen bereitet sich auf mögliche Flüchtlingswellen aus der Ukraine vor. Die Lage ist angespannt und könnte weit reichende Auswirkungen haben für den Tourismus im ganzen östlichen europäischen Bereich. Es bleibt wirklich zu hoffen, dass die Diplomatie siegt.