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Barcelona hätte gerne etwas mehr Touristen zurück. Wie viele sollten es denn idealerweise sein? Bild: Benjamin Gremler

Von «Tourist Go home» innert zwei Jahren zu «Please come back»

Vor der Pandemie wollten einige Städte die Touristen infolge des Overtourism verjagen. Aber nach der Pandemie wird nun inbrünstig um deren Rückkehr gebuhlt. Ein Blick nach Barcelona.

Es gab mal eine Zeit, noch gar nicht lange her, da lautete das grosse Schlagwort «Overtourism». Diverse beliebte Städtereiseziele ächzten unter den Unmengen von Touristen, welche, teils ganzjährig, die Strassen und Denkmäler verstopften, die Preise in die Höhe trieben und den Einheimischen das Leben erschwerten. Barcelona war eine dieser Städte, die komplett vom eigenen touristischen Erfolg überfahren wurde. Was dazu führte, dass sich die Einheimischen zu wehren begannen, nicht gerade bewaffnet, aber mit Sprayereien im Stile von «Go home Tourist» und einer allgemein eher feindseligen Einstellung zu den vielen ausländischen Besuchern, was teils in Plakat-Aktionen an den Stränden von Barceloneta mündete.

Die Covid-Pandemie hat aber eine völlig neue Situation geschaffen. In den vergangenen zwei Jahren fiel Barcelona in Bezug auf die Besucherzahlen um 20 Jahre zurück, von 30 Millionen Besuchern im Jahr 2019 auf noch 2,8 Millionen Besucher (2001 verzeichnete die Stadt 3,1 Millionen Besucher). Derzeit sind laut dem spanischen Blatt «La Vanguardia» immer noch 27 Prozent der Hotels in Barcelona ausser Betrieb, also fast jedes dritte, und aufgrund der geringen Auslastung der letzten Wochen (zwischen 10 und 15 Prozent) planen dutzende Hotels, wieder zu schliessen und erst zum Frühling hin wieder zu öffnen. Ab dem Frühling erwartet man immerhin ein weitgehend normalisiertes Geschäft. Die kürzlich von der lokalen Hoteliervereinigung präsentierten Zahlen unterstreichen die Rückgänge 2021 auch deutlich: So wurde zwischen Januar und April 2021 bei lediglich 25 Prozent an geöffneten Hotels bei diesen gerade mal eine Auslastung von 25 Prozent erreicht. Zwischen Mai und September lag die Auslastung bei den Hotels, die nun zu 50 Prozent geöffnet waren, dann auch bei 50 Prozent und zwischen Oktober und Dezember konnten 73 Prozent aller Hotels öffnen, erreichen aber lediglich Auslastungen zwischen 20 und 30 Prozent. Damit kann kein Hotel langfristig leben.

Nicht nur die Hotellerie merkt den Rückgang, sondern auch Restaurants und alle möglichen Kleinbetriebe, die von den Touristenmassen profitierten. Von Overtourism ging man innert kürzester Zeit praktisch zu «Zerotourism». Es gab seither keine Plakataktionen gegen Touristen mehr, und dem Vernehmen nach auch keine frischen Sprayereien mehr. Aber sind alle glücklich?

Hoteliers und andere Tourismus-Entitäten bitten die Touristen zurück, und mit ihnen auch viele Kleingewerbler in den betroffenen Städten. Die Prognosen, wonach der Sommer 2022 so gut sein wird wie der Sommer 2019, werden aber auch mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Will man wirklich zurück zu den Zuständen des Overtourism, für welchen Barcelona ein «poster child» war? Der Ball liegt jetzt bei den Behörden, diese Gratwanderung zwischen Rückkehr der wirtschaftlich wichtigen Touristen und Zufriedenhalten der Bevölkerung, die sich wieder an etwas mehr Ruhe gewöhnt hat, zu bewerkstelligen.

(JCR)